Das Erbscheinverfahren wird vor dem Nachlassgericht geführt. Es endet meist damit, dass einem oder mehreren ein Erbschein erteilt wird. Wird darum gestritten, wer Erbe ist, dann kann die unterlegene Partei aber regelmäßig, auch dann, wenn ihre Beschwerde zum OLG und ihre Rechtsbeschwerde zum BGH erfolglos geblieben ist, nicht das Bundesverfassungsgericht anrufen. Dies deshalb, weil aufgrund des Grundsatzes der Subsidiarität vorrangig eine Erbenfeststellungsklage vor den Zivilgerichten geführt werden muss (BVerfG, Beschluss vom 23.11.2016 – 1 BvR 255/16).
Beteiligter im Erbscheinverfahren sieht seine Grundrechte verletzt und ruft das BVerfG an
Ein Erbscheinverfahren war abgeschlossen. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts zum OLG blieb erfolglos. Dieses ließ eine weitere Rechtsbeschwerde zum BGH nicht zu. Deshalb wandte sich der Beschwerdeführer an das BVerfG, weil er sich durch die Entscheidung des Nachlassgerichts in seinen Grundrechten verletzt sah.
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde über Entscheidung im Erbscheinverfahren nicht zur Entscheidung an, sondern verweist auf Erbenfeststellungsklage
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. Nach Ansicht des BVerfG erfüllt die Verfassungsbeschwerde nicht die Voraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG. Nach dieser Vorschrift ist die Verfassungsbeschwerde nur dann zur Entscheidung anzunehmen, soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, oder wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist: Dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
Vorliegend wird die Verfassungsbeschwerde jedoch bereits dem Grundsatz der Subsidiarität des § 90 Abs. 2 BVerfGG nicht gerecht. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass der Beschwerdeführer auch sämtliche über das Gebot der Erschöpfung des Rechtsweges im engeren Sinne hinausgehenden und ihm nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift. Er ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG gehalten, eine Korrektur der geltend gemachten Verletzung seiner Grundrechte durch Fachgerichte zu erwirken.
Der Beschwerdeführer hatte jedoch nicht die Möglichkeit genutzt, die mögliche Grundrechtsverletzung im Rahmen einer Erbenfeststellungsklage im Wege der ordentlichen Gerichtsbarkeit einer möglichen Korrektur zuzuführen. Das Zivilgericht wäre nicht gehindert gewesen, von den Feststellungen des Nachlassgerichts abzuweichen. So hätte das Zivilgericht den gerügten Verletzungen von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten Abhilfe verschaffen können. Die Durchführung einer Erbenfeststellungsklage war auch nicht deswegen unzumutbar, weil ein Erbschein schon erteilt war. Es fehlt an der substantiierten Darlegung, dass und wann der Erbschein tatsächlich auch in Gebrauch ist bzw. war.
Was Sie bei einem Streit ums Erbrecht beachten müssen
Im Erbrecht besteht die Besonderheit, dass die Feststellung eines Erben sowohl im Rahmen des Erbscheinverfahrens vor dem Nachlassgericht als auch im Rahmen einer Erbenfeststellungsklage vor dem Zivilgericht erfolgen kann. Diese beiden Rechtsschutzmöglichkeiten stehen kumulativ nebeneinander. Bevor also das Bundesverfassungsgericht wegen einer behaupteten Grundrechtsverletzung angerufen werden kann, muss in beiden Zügen der Rechtsweg erschöpft sein. Das bedeutet, dass gegebenenfalls Streitigkeiten in 2 x 3 Instanzen, also über 6 Instanzen geführt werden müssen, bevor das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann. Da insoweit Erbrechtsstreitigkeiten über die Feststellung des Erbrechts langjährig ausufern können, ist eine Reform des erbrechtlichen Verfahrensrechts längst überfällig.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.