Jetzt kommt der Winter. Die „Schneewalze“ soll dieses Wochenende ja mit teilweise bis zu 1 m Neuschnee über Bayern rollen. Alle Jahre wieder ist die weiße Pracht des einen Freud und des anderen Leid. Während sich Kinder und Wintersportler freuen, sind Autofahrer und Fußgänger meist genervt und Räumdienste oft bis zur totalen Erschöpfung überlastet. Kommt dann ein Fußgänger zu Fall und verletzt sich, dann wird oft ein Schuldiger gesucht und meist im Verkehrssicherungspflichtigen auch gefunden. Doch Vorsicht. Nicht jeder Sturz auf nicht oder schlecht geräumtem Fußweg oder Straße bedeutet auch, dass der Geschädigte erfolgreich Schadenersatz gegen den Räum- und Streupflichtigen geltend machen kann, wie ein aktuelles Urteil des Landgericht München II vom 28.12.2018 (13 O 4859/16) verdeutlicht. Die Richter hatten dort entschieden, dass bei Dauerschneefall grundsätzlich keine Streupflicht auf schneeglatter Fahrbahn bestünde und die Schmerzensgeldklage eines Passanten abgewiesen. Eine solche Verpflichtung würde nur dann bestehen, wenn eine großflächige Vereisung vorliegt.
Sturz auf winterglatter Straße bei Dauerschneefall führt zu Rechtsstreit
Der 59-jährige Kläger war bei Dauerschneefall auf winterglatter Straße in der Gemeinde Schlehdorf, die zur Verwaltungsgemeinschaft Kochel am See gehört, zu Fall gekommen und hatte sich verletzt. Da die Verkehrssicherungspflicht bei der Verwaltungsgemeinschaft Kochel am See lag, verlangte er von dieser, weil die Straße nicht gestreut war, ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 €. Die Verwaltungsgemeinschaft war der Meinung, dass aufgrund des Dauerschneefalls das Streuen der Straße mit Rollsplitt keinen Sinn gemacht hätte und verweigerte die Zahlung, sodass der Rechtsstreit schließlich vor Gericht gelandet ist.
Bei Dauerschneefall keine allgemeine Streupflicht, sondern nur bei großflächiger Vereisung
Die Richter am Landgericht München II haben die Klage abgewiesen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Verwaltungsgemeinschaft Kochel vermochten die Richter nicht zu erkennen, weil bei Dauerschneefall keine allgemeine Streupflicht bestünde. Dies sei bei Dauerschneefall nämlich sinnlos. Eine solche bestünde, so das Gericht, nur dann, wenn eine großflächige Vereisung vorgelegen hätte. Dies wurde aber vom Kläger weder behauptet noch ausreichend dargelegt.
Der Fall verdeutlicht folgendes
Wer auf winterglatter Straße oder Gehweg zu Fall kommt, der hat nicht automatisch einen Anspruch auf Schadenersatz, sondern es kommt stets sehr stark auf die Umstände des Einzelfalls an. Oft wird von Seiten des Verkehrssicherungspflichtigen auch damit argumentiert, dass derjenige, der zu Fall gekommen ist, daran selbst schuld sei, jedenfalls aber eine Mitschuld trage, weil entweder kein passendes Schuhwerk getragen oder aber nicht genug aufgepasst wurde.
Vor diesem Hintergrund ist es recht „sportlich“ mit einer Schmerzensgeldforderung in Höhe von 10.000 €, was in derartigen Fällen bereits sehr hoch gegriffen ist, vor Gericht zu ziehen und dann auch noch unsubstantiiert vorzutragen. Denn das Kostenrisiko eines solchen Rechtsstreits liegt für die unterlegene Partei doch bei immerhin 4.090,70 €.
Daraus lässt sich rückschließen, dass entweder der Kläger „beratungsresistent“ gewesen ist oder aber an einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geraten war, die mehr die eigenen monetären Interessen bei der Verfassung der Klageschrift im Auge hatten, als die Interessen des Klägers den Rechtsstreit auch zu gewinnen. Der Anwalt bekommt nämlich nach dem Vergütungssystem des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes immer das gleiche Honorar, gleichgültig ob der Rechtsstreit gewonnen oder verloren wird. nach der persönlichen Meinung des Verfassers ist dies rechtspolitisch verfehlt. führt ist doch dazu, dass manche Rechtsstreitigkeiten nur des klagenden Willens, nicht aber im wohlverstandenen Mandanten Interesse geführt werden. Dies erst recht, wenn eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist, die für die Kosten einstehen muss. Kein rechtlich versierter Anwalt und kein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch würde nämlich vor dem Hintergrund des doch beachtlichen Kostenrisikos bei derart rechtlich ungünstige Ausgangsposition einen solchen Rechtsstreit riskieren, zumal gerade dann, wenn es um die Geltendmachung von Schmerzensgeld geht, eine zahlenmäßige Bezifferung des Anspruchs nicht zwingend erforderlich ist. Gerade dadurch, dass hier ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000 €gefordert worden war, sollte mit dem Klageantrag sichergestellt werden, dass der Anwalt seine Gebühren aus mindestens diesem Gegenstandswert berechnen kann, der Rechtsstreit sich also jedenfalls für ihn finanziell lohnt…. Wurde der Geschädigte hierüber nicht hinreichend aufgeklärt, und weiß insbesondere nicht er, der mindestens 10.000 €gefordert hat, dann ließe sich auch vortrefflich über eine Anwaltshaftung nachdenken. Der Anwalt hat nämlich auch eine Verpflichtung in derartigen Fällen über eine realistische Höhe eines möglichen Schmerzensgeldanspruchs aufzuklären. Hätte nämlich beispielsweise das Landgericht einen Anspruch dem Grunde nach bejaht, weil es im Ergebnis gelangt wäre, dass hier die Verwaltungsgemeinschaft eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, wer die Richter aber dann der Meinung gewesen, dass ein Schmerzensgeld von lediglich 1.000 € angemessen ist, dann hätte dies zur Folge, dass der Kläger mit 9/10 der Prozesskosten belastet worden wäre. Sein erstrittene Schmerzensgeld hätte dann also nicht einmal ausgereicht, seinen Anteil an dem Prozesskosten zu decken. Das Beispiel verdeutlicht, dass bei jedem Rechtsstreit auf stets der Nutzen gegen das eigene wirtschaftliche Risiko abgewogen werden muss, will man nicht am Ende des Tages mit weniger dastehen, als wenn man gar nichts gemacht hätte.