Seit Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sind mehr als 2.000.000 Asylsuchende und Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Ein Ende des Zustroms ist nicht in Sicht. Landauf und landab haben Landkreise und Kommunen, die als letztes Glied in der Kette für die Unterbringung zuständig sind, Probleme die Neuzuweisungen unterzubringen. Die Mangelsituation wird zusätzlich durch zu wenig Neubau weiter verschärft. Gleichzeitig gibt es aber vielerorts Wohnungen, manchmal auch ganze Häuser, die von ihren Eigentümern weder selbst genutzt noch vermietet werden, sondern leer stehen. Deshalb ist die Frage, ob Kommunen leerstehende Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zwangsweise beschlagnahmen können, hochaktuell und rechtlich komplex. Wir geben Ihnen nachfolgend einen rechtlichen Überblick darüber, was möglich ist und was nicht.
Rechtsgrundlage und Voraussetzungen
Ausgangspunkt eines jeden rechtlichen Diskussion ist dabei das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsgrundrecht. Wer nun meint, damit sei alles gesagt, weil schließlich jedermann mit seinem Eigentum so verfahren kann, wir möchte, der übersieht, dass das Eigentumsgrundrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, insbesondere im Grundgesetz ebenso der Grundsatz verankert ist, dass Eigentum verpflichtet und der Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Zu diesem Zweck ist unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Enteignung möglich, was oftmals, ohne zu bedenken, dass dies eine Entschädigungspflicht auslöst, auch anderweitig zur Bekämpfung der allgemeinen Wohnungsnot Gegenstand politischer Randdiskussionen ist.
Die Möglichkeit einer Beschlagnahme beruht primär auf den Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder, die in Notsituationen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingreifen lassen. Für Bayern ist speziell Art. 7 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) zu nennen, der die sicherheitsrechtliche Generalklausel darstellt und als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn eine drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, wie etwa eine drohende Obdachlosigkeit von Geflüchteten, nur durch die Beschlagnahme einer bestimmten Immobilie abgewendet werden könnte. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Regelungen. Die Beschlagnahme von privatem Eigentum zur Unterbringung von Flüchtlingen stellt dabei immer das letzte Mittel dar und muss verschiedenen strengen Voraussetzungen genügen: es muss eine unmittelbare Gefahr bevorstehen, die nicht, wobei die Behörde die Darlegungs- und Beweislast trägt, anderweitig abgewehrt werden kann und der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Im Gegensatz zu Enteignung erfolgt hier kein dauerhafter Entzug des Eigentums, sondern es wird lediglich das Nutzungsrecht am Eigentum vorübergehend eingeschränkt, wofür dann auch eine Entschädigung zu bezahlen ist.
Die rechtlichen Anforderungen an eine rechtmäßige Beschlagnahme sind also grundsätzlich hoch. Je weiter sich die Lage am Wohnungsmarkt in Deutschland zuspitzt, umso eher ist es aber möglich, dass eine Gemeinde einen solchen Fall annimmt und entsprechende Bescheide an Eigentümer, die nicht vermietungswillig sind, erlässt.
Kann man sich als Betroffener Eigentümer gegen eine Beschlagnahme rechtlich zur Wehr setzen?
Wer als Eigentümer von einer Beschlagnahme, der sich rechtlich um einen Verwaltungsakt handelt, bei dem regelmäßig der Sofortvollzug angeordnet wird, betroffen ist, der kann sich dagegen vor dem Verwaltungsgericht mit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Wehr setzen. Gleichzeitig muss im vorläufigen Rechtschutzverfahren ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden, um die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen. Es hat sich dabei um eine Eilentscheidung, in dem das Gericht summarisch die Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens überprüft und wenn es der Anfechtungsklage hinreichende Erfolgsaussichten einräumt, die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, so dass der Bescheid zunächst auf Eis gelegt wird. Neben der Missachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, kann dabei auch eine Rolle spielen, ob eine Nutzungsänderungsgenehmigung erforderlich ist und vor allen Dingen, ob die Vorgaben des Brandschutzes gewahrt werden.
Gerichtliche Entscheidungen sind zu diesem Thema noch selten. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatallerdings in einer Eilentscheidung (Beschluss vom 01.12.2015, Az. 11 ME 230/15) festgelegt, dass eine Beschlagnahme nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Im konkreten Fall wurde die Beschlagnahme eines leerstehenden Gebäudes auf Dauer von 6 Monaten durch die Stadt Lüneburg, verbunden mit der Einweisung von 50 Migranten, als rechtswidrig erachtet, da die Stadt nicht nachweisen konnte, dass keine anderweitigen Möglichkeiten zur Unterbringung vorhanden waren und die Beschlagnahme somit als letztes Mittel erforderlich war. Die Richter haben dabei in dieser Entscheidung klargestellt, dass bevor eine Beschlagnahme angeordnet werden kann, die Gemeinde alle eigenen Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben muss. Sie dürfe dabei auch nicht von einer möglichen Anmietung teurer Hotelzimmer zurückschrecken. Es sei Aufgabe der Allgemeinheit und nicht von Privatpersonen, für soziale Fürsorge gewährt zu bieten. Die Inanspruchnahme Privater sei dabei stets das letzte Mittel, so die Richter.
Anmerkung:
All dies gilt, wenn eine Beschlagnahme auf Grundlage von polizei- oder sicherheitsrechtlichen Vorschriften erfolgt.
Einen anderen Weg ist 2015 bereits einmal die Hansestadt Hamburg gegangen, in dem es das Gesetz zur Sicherung der Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen beschlossen hatte. Danach war es möglich, leerstehende Immobilien und Räumlichkeiten für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen. Das Gesetz erlaubte dabei Behördenmitarbeitern die leerstehenden Immobilien zwecks Eignungsprüfung betreten. Eine Unterbringung war dann möglich, wenn die Gebäude entweder leer standen oder nur zum Schein genutzt wurden, um die Flüchtlingsunterbringung zu unterbinden und keine Plätze in anderen Einrichtungen verfügbar waren. Das Gesetz ist dann zum 31.03.2017 aber wieder außer Kraft getreten.
In der Gesamtschau bleibt also festzuhalten, dass eine zwangsweise Nutzung leerstehende Immobilien rechtlich zwar möglich ist, aber hohen Hürden unterliegt. Je mehr sich die Lage am Wohnungsmarkt zuspitzen wird, umso niedriger werden aber die Hürden werden, die eine Sicherheitsbehörde überwinden muss, um rechtmäßig leerstehende Immobilien zur Unterbringung in Anspruch nehmen zu können.