Die Frage, ob Ansprüche auf Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vererbbar sind, beschäftigt Versicherte, Erben und Krankenkassen gleichermaßen. Eine wegweisende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.06.2024 (Az. 1 B KR 39/22 R) bringt nun Klarheit in diese komplexe rechtliche Materie.
Der Sachverhalt: Tod während der Krankenhaus-Behandlung
Im konkreten Fall hatte sich ein gesetzlich versicherter Mann für das Kostenerstattungsprinzip gemäß § 13 Abs. 2 SGB V entschieden. Er bezahlte seine medizinischen Behandlungen selbst und ließ sich die Kosten anschließend von seiner Krankenkasse erstatten. 2019 wurde er in einem Krankenhaus zunächst ambulant untersucht und dann stationär aufgenommen. Noch während des Krankenhausaufenthalts verstarb der Patient.
Seine Erbin beantragte daraufhin die Erstattung der entstandenen Kosten in Höhe von rund 24.000 Euro bei der Krankenkasse. Diese lehnte den Antrag ab, mit der Begründung, dass Ansprüche auf Geldleistungen nach § 59 S. 2 SGB I mit dem Tod des Versicherten erlöschen würden.
Die Entscheidung des BSG: Kostenerstattungsansprüche sind vererbbar
Das BSG hat in seinem Urteil vom 25.06.2024 die Rechtsauffassung der Vorinstanz, des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, bestätigt. Die Richter stellten klar, dass Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 2 SGB V nicht mit dem Tod des Versicherten erlöschen, sondern gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergehen.
Das BSG argumentiert, dass eine Nichtvererbbarkeit zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung zwischen Versicherten mit Kostenerstattung und solchen im Sachleistungsprinzip führen würde. Die Ansprüche auf Kostenerstattung stellen bereits eine erworbene Rechtsposition dar, auch wenn sie zum Zeitpunkt des Todes noch nicht fällig waren.
Das Gericht lehnte weiter die Anwendung der §§ 56, 58, 59 SGB I auf Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 2 SGB V ab. Begründet wird dies mit § 37 S. 1 SGB I, wonach die Vorschriften des SGB I nur gelten, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt.
Ein Ausschluss der Rechtsnachfolge würde darüber hinaus, so die Richter, einen nachträglichen Eingriff in eine bereits erworbene Rechtsposition darstellen, wofür die §§ 56 ff. SGB I keine ausreichende Grundlage bieten.
Fazit: Ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Patientenrechte
Das Urteil des BSG stärkt die Rechte von Versicherten, die sich für das Kostenerstattungsprinzip entschieden haben, und ihrer Erben. Es schafft Rechtssicherheit und verhindert unbillige Härten, die entstehen könnten, wenn Kostenerstattungsansprüche mit dem Tod des Versicherten erlöschen würden.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Erben von verstorbenen GKV-Versicherten, die das Kostenerstattungsprinzip gewählt hatten, ihre Ansprüche auf Erstattung von Behandlungskosten geltend machen sollten. Krankenkassen werden diese Ansprüche nun nicht mehr pauschal mit Verweis auf § 59 S. 2 SGB I ablehnen können.
Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagieren und möglicherweise eine explizite gesetzliche Regelung zur Vererbbarkeit von Kostenerstattungsansprüchen schaffen wird. Bis dahin bietet das Urteil des BSG eine verlässliche Grundlage für die Beurteilung solcher Fälle.
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