Ein Arbeitsverhältnis kann aus verschiedenen Gründen gekündigt werden, aber nicht jede Kündigung ist auch rechtswirksam. In diesem Fall folgt dann oft der nächste Streit über die Frage, ob und wenn ja in welcher Höhe, der Arbeitgeber Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB nachbezahlen muss.
In einem vom BAG letztinstanzlich zugunsten des Arbeitnehmers entschiedenen Fall hatte die Beklagte ihrem technischen Leiter eine fristlose Änderungskündigung ausgesprochen und ihm einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler mit einer verringerten Vergütung angeboten. Der Kläger lehnte das Angebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte die Beklagte erneut außerordentlich und bot ihm an, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr weiterzuarbeiten. Der Kläger lehnte ab und erhob, nachdem zuvor das Arbeitsgericht beide Kündigungen für unwirksam erklärt hatte, schließlich Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs. Während das LAG die Klage noch abgewiesen hatte, war die Revision des Arbeitnehmers zum BAG erfolgreich (Urteil vom 29 März 2023 – 5 AZR 255/22).
LAG verneint Anspruch wegen Leistungsunwilligkeit des Arbeitnehmers
Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen, da dieser das Angebot der Beklagten, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihr weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Das Gericht sah den Arbeitnehmer deshalb nicht als leistungswillig im Sinne des § 297 BGB an.
BAG dagegen verneint dagegen Ernsthaftigkeit des Weiterbeschäftigungsangebots
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in der Revision des Klägers jedoch entschieden, dass die Beklagte sich aufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befand, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Das BAG argumentierte, dass die Beklagte selbst davon ausging, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zuzumuten. Somit wurde eine tatsächliche Vermutung dafür angenommen, dass sie kein ernst gemeintes Angebot zu einer Prozessbeschäftigung unterbreitete. Die abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht beruhte auf einer nur selektiven Berücksichtigung der Tatsachen.
Anmerkung:
Der Fall verdeutlicht einmal mehr, dass der Ausgang eines Gerichtsverfahrens oft sehr zufällig ist, insbesondere aber derjenige, der nicht den Mut und/oder die finanziellen Mittel hat, den Rechtsweg zu beschreiten, auf der Strecke bleibt, weil zu einer deshalb Rechtsfrage Juristen oft unterschiedliche Meinungen haben und es im Ergebnis immer darauf ankommt, welche Auffassung der Richter oder die Richterin vertritt, auf dessen Schreibtisch der Fall zuletzt gelandet ist. Vor Gericht und auf hoher See ist man Gottes Hand …