Stellt es einen Kündigungsgrund dar, wenn der Chefarzt einer katholisch geführten Klinik sich scheiden lässt und dann eine andere Frau heiratet (sog. Wiederverheiratung)?
Ja, meinte die katholische Kirche und hat den Chefarzt einer Abteilung für Innere Medizin eines katholischen Krankenhauses im März 2009 gekündigt, als diese sich scheiden ließ, um kurze Zeit später standesamtlich eine ehemalige Assistenzärztin zu heiraten. Nein, hat nun der EuGH mit Urteil vom 11.09.2018 (C-68/17) entschieden und nach 9-jährigem Rechtsstreit durch die Instanzen klargestellt, dass eine solche Kündigung diskriminierend sein kann.
Das letzte Wort in der Sache ist aber noch nicht gesprochen, denn nun muss wieder das BAG über die Rechtmäßigkeit der Kündigung entscheiden. Dieses war zwar mit der Angelegenheit schon einmal befasst und hatte dem klagenden Arzt, wie bereits die Vorinstanzen, recht gegeben. Dieses Urteil war aber damals vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 20.11.2014 (2 BvR 661/12) gekippt worden, weil nach Auffassung der Verfassungsrichter es aufgrund kirchlicher Sonderbestimmungen den Kirchen möglich sein müsse ihren Mitarbeitern aus sittlich-moralischen Gründen zu kündigen und dieses „kirchliche Selbstverständnis“ nur eingeschränkt einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen würde.
Chefarzt opfert für die Liebe seinen Arbeitsplatz
Der Kläger hatte sich am Arbeitsplatz in eine Assistenzärztin verliebt und sich daraufhin von seiner ersten Frau scheiden lassen, um anschließend die neue Liebe standesamtlich zu heiraten. Im 21 Jahrhundert eigentlich keine große Sache, würde man meinen. Der Arbeitgeber, die katholische Kirche, sah dies allerdings anders. Noch während der Kläger, dem aufgrund seines Arbeitgebers bereits Unheil schwante, und deshalb eine Annullierung seiner ersten Ehe betrieben hat, erhielt, nachdem er im August 2008 erneut geheiratet hatte, im März 2009 die Kündigung mit der Begründung, er habe seine Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber, dem Erzbistum Köln, verletzt.
Im Arbeitsvertrag war dazu nämlich geregelt, dass der Mitarbeiter die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennt und beachtet. In dieser ist schon keine Ehescheidung und erst recht keine zweite Ehe vorgesehen.
Der Arzt sah hierin einen unzulässigen Eingriff in sein Privatleben und zog vor Gericht.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten
Nun begann eine Gerichtsodyssee, die an Kuriosität kaum zu überbieten ist. Denn obwohl das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht dem Arzt recht gaben und die Kündigung als unwirksam eingestuft hatten, gab die Kirche nicht auf und zog bis vors Bundesverfassungsgericht, weil sie durch die Gerichtsentscheidung ihr in Art. 4 GG geregeltes Selbstbestimmungsrecht verletzt sah.
Und siehe da. Die Verfassungsrichter gaben der Kirche recht und sahen die Privilegien der Kirche nicht hinreichend mit den Grundsätzen des sonstigen Arbeitsrechts abgewogen, sodass der Rechtsstreit an das Bundesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wurde.
Das BAG blieb aber standhaft und erklärte jetzt nicht etwa unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Kündigung für wirksam, sondern rief den EuGH an. Die obersten Arbeitsrichter legten nun im EuGH einen Fragenkatalog zu den Privilegien der Kirche vor.
Die obersten europäischen Richter wiederum halten einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für möglich, weil schon kein Zusammenhang zwischen der Zustimmung zum Eheverständnis der katholischen Kirche einerseits und der Tätigkeit des Chefarztes andererseits zu erkennen sei. Die Richter hat dabei aber auch überzeugt, dass der Chefarzt noch zwei weitere Kollegen benennen konnte, die ebenfalls, so wie er, in einem katholischen Krankenhaus beschäftigt und in zweiter Ehe verheiratet waren. Diesen war aber nicht gekündigt worden. Im Gegensatz zum hiesigen Kläger waren beide nämlich nicht katholisch, so dass der Katholik von seiner eigenen Kirche schlechter behandelt, also diskriminiert worden war.
Fast schon grotesk ist, dass die Kirche sich offensichtlich nur an der zweiten Eheschließung gestört hatte. Der Kläger hatte nämlich vorher schon jahrelang eheähnlich mit seiner neuen Partnerin zusammengelebt, ohne dass dies seitens des Arbeitgebers beanstandet worden war. Die Kündigung war übrigens zu einer Zeit ausgesprochen worden als das Annulierungsverfahren hinsichtlich der ersten Ehe noch gar nicht abgeschlossen worden war.
Der Fall macht deutlich, dass es nicht immer rechtlich wirklich sinnvoll ist, auf dem eigenen Standpunkt unnachgiebig zu verharren. Hätte sich nämlich die Kirche der Rechtsansicht der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit frühzeitig zu eigen gemacht, dann hätte sie vermeiden können, dass nunmehr auf europäischer Ebene ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der Auswirkungen weit über den jetzt entschiedenen Rechtsstreit hinaus haben wird.