In der Gründungs- und Aufbauphase eines Unternehmens stehen zahlreiche arbeitsrechtliche Herausforderungen im Fokus. Entsteht Streit um die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, ist eine zentrale Frage die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in dieser Phase. Insbesondere ist zu klären, ob und wann der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreicht wird und somit der allgemeine Kündigungsschutz für Arbeitnehmer greift. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 15.09.2021 (Az. 12 Sa 10/21) hierzu wichtige Klarstellungen getroffen.
Gesetzlicher Rahmen: § 23 Abs. 1 KSchG
§ 23 Abs. 1 KSchG bestimmt, dass die Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG nur für Betriebe gelten, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Teilzeitkräfte und Auszubildende
Teilzeitbeschäftigte werden dabei anteilig berücksichtigt:
- bis 20 Wochenstunden mit 0,5
- bis 30 Wochenstunden mit 0,75
- über 30 Wochenstunden mit 1,0
Auszubildende bleiben bei der Berechnung unberücksichtigt.
Entscheidung des LAG Düsseldorf (Az. 12 Sa 10/21)
Das LAG Düsseldorf hatte sich mit der Frage zu befassen, ob in einem im Aufbau befindlichen Betrieb der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreicht wurde. Im konkreten Fall war die Mitarbeiterzahl innerhalb von sieben Monaten über den Schwellenwert gestiegen. Kurz darauf kündigte die Arbeitgeberin mehreren Arbeitnehmern im Zuge einer Betriebseinschränkung.
Das Gericht stellte klar, dass auch bei einem im Aufbau befindlichen Betrieb ein regelmäßiger Beschäftigtenbestand im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG existieren kann. Maßgeblich sei ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke. Diese kennzeichne die regelmäßige Beschäftigtenzahl. Nur wenn von Beginn an geplant war, die erhöhte Mitarbeiterzahl nur kurzfristig zu überschreiten, könne eine Ausnahme gemacht werden. In dem vorliegenden Fall war dies jedoch nicht der Fall, sodass das KSchG Anwendung fand.
Praktische Auswirkungen für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung, dass sie bei der Planung von Personalmaßnahmen in der Aufbauphase eines Betriebs sorgfältig prüfen müssen, ob der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreicht wurde. Ein bloßer Verweis auf die Aufbauphase schützt nicht vor der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Insbesondere bei Kündigungen im Zuge von Betriebseinschränkungen ist eine sorgfältige Analyse der Mitarbeiterzahlen über einen gewissen Zeitraum hinweg erforderlich.
Fazit
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf verdeutlicht, dass der besondere Kündigungsschutz des KSchG auch in der Aufbauphase eines Betriebs greifen kann, sofern der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreicht wird. Arbeitgeber sollten daher bereits in der Gründungs- und Aufbauphase eines Unternehmens die Mitarbeiterzahlen im Blick behalten und Personalmaßnahmen entsprechend planen. Eine frühzeitige rechtliche Beratung kann helfen, Risiken zu minimieren und rechtssichere Entscheidungen zu treffen.