Ausgangspunkt für wettbewerbsrechtliche Verfahren ist regelmäßig eine Abmahnung. Wird die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben, dann wird eine einstweilige Verfügung beantragt, die meist als sog. Beschlussverfügung, also ohne mündlichen Verhandlung, ergeht. Da eine einstweilige Verfügung nur eine vorläufige Regelung darstellt, hat der Unterlassungsgläubiger ein Interesse an einer endgültigen Regelung. Er fordert daher meist in einem sog. Abschlussschreiben den Unterlassungsschuldner auf eine Abschlusserklärung abzugeben, also die einstweilige Verfügung als endgültige und dauerhafte Regelung anzuerkennen. Wird die Abschlusserklärung innerhalb der gesetzten Frist nicht abgegeben, dann folgt meistens eine Hauptsacheklage.
In der Praxis ist es aber oft so, dass gegen eine einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt wird. Trotz des Widerspruchs kann dann ein Abschlussschreiben und noch vor Abschluss des Verfügungsverfahrens ein Hauptsacheverfahren folgen.
Gerade dann, wenn das Hauptsacheverfahren eingeleitet wird, bevor das Verfügungsverfahren abgeschlossen ist, meinen Laien oder aber in Wettbewerbssachen unerfahrene Rechtsanwälte oft, dass dies unzulässig sei, weil, so die laienhafte Betrachtung, an sich in beiden Verfahren über dem gleichen Wettbewerbsverstoß verhandelt wird und sich hierdurch die Kostenlast für die unterlegene Partei verdoppelt. Diese Betrachtung verkennt jedoch, dass es im einstweiligen Verfügungsverfahren lediglich darum geht, zeitnah eine vorläufige Regelung zu erhalten, während das Hauptsacheverfahren eine dauerhafte, abschließende Regelung zum Ziel hat.
Das Landgericht München I hat nun in seinem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil vom 18.12.2012 (9 HK O 20142/12) pragmatisch dazu ausgeführt, dass zum einen das Hauptsacheverfahren parallel zum vorläufigen Rechtschutzverfahren betrieben werden kann und dass dann, wenn bereits bei erlassener Beschlussverfügung zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert wird und dann später der Unterlassungsschuldner den gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Widerspruch zurücknimmt, keine weitere Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung erfolgen muss:
„Der Einwand der Beklagten, dass das Hauptsacheverfahren nicht erforderlich gewesen sei, greift nicht durch.
Die Beklagte hat erst mit Schreiben vom 16.11.2012 eine Abschlusserklärung abgegeben (Anlage K 8) und auf die Rechtsbehelfe aus den §§ 924, 926, 927 ZPO verzichtet. Erst mit dieser Abschlusserklärung, die nach Klageerhebung erfolgte, bestand kein Rechtschutzinteresse mehr für den Kläger an der Erhebung der Hauptsacheklage.
Der Kläger hat mit Schreiben seiner anwaltlichen Vertreter vom 03.08.2012 (K 7) angedrohnt, dass, sollte eine Erklärung nicht rechtzeitig bis 15.08.2012 eingehen, dem Kläger geraten wird, unverzüglich Klage zur Hauptsache zu erheben. Eine Abschlusserklärung ist nicht innerhalb der Frist abgegeben worden, so dass Anlass zur Klage bestand.
Es besteht seitens des Klägers keine Verpflichtung das Hauptsacheverfahren bis zur Entscheidung über das Widerspruchsverfahren gegen die einstweilige Verfügung abzuwarten (Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewick, UWG, Vorbem. zu § 12, Rdn. 258).
Die Hauptsacheklage wurde erst erhoben, als die Frist für die Abschlusserklärung abgelaufen war. Die Frist war nicht zu kurz bemessen, nachdem die einstweilige Verfügung bereits am 09.05.2012 zugestellt wurde und daher ausreichend Bedenkzeit bestand.
Ein zweites Abschlussschreiben war nach Rücknahme des Widerspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht erforderlich. Ein die einstweilige Verfügung bestätigendes Urteil lag gerade nicht vor. In diesem Falle hätte der Kläger der Beklagten durch ein erneutes Abschussschreiben die Gelegenheit geben müssen, sich zu der neuen Sachlage zu erklären, (vgl. Retzer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewick, § 12, Rdn. 659).
…
Die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens parallel zum Verfügungsverfahren durch den Kläger ist nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG. Es diente nicht allein dazu, Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Die Beklagte hat erst nach Zustellung der Klageschrift die Abschlusserklärung abgegeben und damit Anlass zur Klageerhebung gegeben. Der Kläger hatte ein berechtigtes Interesse daran, seine Ansprüche in angemessener Zeit in einem Verfahren durchzusetzen, durch das der Bestand seiner Forderungen auch materiell rechtskräftig festgestellt wurde. Dies war ohne Abgabe einer Abschlusserklärung nur durch Klageerhebung erreichbar. Hinzukommt, dass neben dem Unterlassungsanspruch auch die Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Kosten für das Abmahnschreiben und des Abschlussschreibens geltend gemacht wurden.“
Fazit:
Die aufgezeigte Problematik zeigt, dass der im Wettbewerbsrecht tätige Rechtsanwalt nicht nur über Spezialkenntnisse im Wettbewerbsrecht selbst verfügen, sondern darüber hinaus den Besonderheiten im Prozessrecht gerecht werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr, dass in aussichtsloser Position zusätzlich noch weitere, unnötige Kosten zulasten des Mandanten verursacht werden, weil falsch argumentiert (und reagiert) wird. Derjenige, der also spätestens im Verfügungsverfahren erkennt, dass er zu Recht in Anspruch genommen worden ist, weil ein Wettbewerbsverstoß vorliegt ist gut beraten, will er nicht doppelt in Anspruch nehmen werden, unaufgefordert eine Abschlusserklärung abzugeben.