Haben die Ehegatten ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet und dabei einen Schlusserben bestimmt, dann taucht oft aus Sicht des Schlusserben das Problem auf, dass der überlebende Ehegatte, der durch das Testament daran gehindert ist anderweitig wirksam zu testieren, durch Schenkungen an beispielsweise einen neuen Lebenspartner die Rechtsstellung des Schlusserben erheblich beeinträchtigt. Erfolgen allerdings solche Zuwendungen, ohne dass der Erblasser ein anerkennenswertes, lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hatte, dann kann der Schlusserbe vom Beschenkten die Herausgabe der Zuwendung verlangen (OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2017 – 10 U 75/16).
Vater verschenkt Vermögen an neue Lebensgefährtin
Die Eltern des Klägers hatten sich wechselseitig zu Erben und ihren Sohn mit gemeinschaftlichem Ehegattentestament zum Schlusserben bestimmt. Nachdem die Mutter vorverstorben war, lernte der Vater eine neue Frau kennen, mit der er auch zusammenlebte. Mit dieser vereinbarte der Kläger auf Wunsch des Vaters ein lebenslanges Wohnrecht an einem Eigentum des Klägers stehenden Wohnung unter der Bedingung, dass die Beklagte den Vater bis zu dessen Tod oder bis zu einer Heimaufnahme pflegt und im Hinblick auf das von ihr und dem Vater bewohnte Haus keine Besitzansprüche stellt.
Gleichwohl übertrug der Vater an seine Lebensgefährtin, die Beklagte, verschiedene Vermögenswerte wie beispielsweise Fondsbeteiligungen im Wert von rund 220.000 €. Aus diesem hat sie rund 33.000 € an Dividende erhalten. Weitere 50.000 € hat sie durch Barabhebungen aus dem Vermögen des Vaters und nunmehrigen Erblassers erlangt.
Sohn verlangt Herausgabe der Geschenke von der Lebensgefährtin des Erblassers
Nachdem der Vater verstorben war und dem Kläger bewusst wurde, welche Vermögensübertragungen der Erblasser lebzeitig an seine Lebensgefährtin vorgenommen hatte, verlangte er diese kurzerhand zurück. Er meinte, die Zuwendungen seien als seinen Erbteil beeinträchtigende Schenkungen rückabzuwickeln.
Die nun Beklagte Lebensgefährtin wollte aber nichts zurückgeben. Stattdessen hat sie eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers bestritten und behauptet, dieser habe ihr die Vermögenswerte aus Dankbarkeit für und zur Sicherstellung weiterer intensiver Pflege übertragen. Den Erblasser habe sie seit ihrem Einzug in dessen Wohnung intensiv – quasi 24 Stunden am Tag – gepflegt und betreut.
Erberwartung des Klägers ungerechtfertigt beeinträchtigt
Vor Gericht fand der Kläger Gehör, denn die Richter sahen seine Erberwartung rechtsgrundlos beeinträchtigt. Dies deshalb, weil für das Gericht ein eine Benachteiligungsabsicht ausschließendes, anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht erkennbar war.
Dass die Zuwendungen Gegenleistung für erbrachte oder erwartete Pflegeleistungen auf vertraglich vereinbarter Grundlage gewesen seien, vermochten die Richter nicht zu erkennen. Stattdessen habe der Erblasser in Benachteiligungsabsicht gehandelt, denn aufgrund des Schutzzwecks der Norm seien dafür nur geringe Anforderungen zu stellen. So genüge es bereits, wenn der Erblasser weiß, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälert.
Ein anerkennenswertes, lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Zuwendung habe nicht vorgelegen. Ein solches sei von der Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden. Unter Berücksichtigung der Dividenden habe der Erblasser der Beklagten Vermögenswerte in Höhe von rund 250.000 € zugewendet und damit den Nachlass weitgehend entwertet. Soweit die Beklagte Pflege- und Haushaltsleistungen behauptet, betreffen diese lediglich einen Zeitraum von rund 4 Jahren. In dieser Zeit hat die Beklagte nicht nur freie Kost und Logis vom Erblasser erhalten, sondern ist auch auf Kosten des Erblassers gemeinsam mit diesem gereist. Gleichzeitig habe der Kläger der Beklagten für die Zeit nach dem Tod des Erblassers ein Wohnrecht zugesagt. Vor diesem Hintergrund rechtfertigen die von der Beklagten behaupteten Pflege- und Haushaltsleistungen die Schenkungen nicht.
Die Richter haben die Beklagte weiter dazu verurteilt nicht nur das übertragene Vermögen, sondern auch die vereinnahmten Dividenden und Barabhebungen zu erstatten. Dass sie diese Beträge dem Erblasser ausgehändigt oder aber in seinem Sinne ausgegeben habe, war nach Auffassung der Richter von ihr nicht nachvollziehbar vorgetragen worden.