Am 12.10.2009 haben wir unter der Überschrift „Lehman Brothers Pleite: Anwaltskanzlei Graf reicht Klage gegen Postbank ein“ über den Fall eines von uns vertretenen Kapitalanlegers berichtet, der sein Geld sicher anlegen wollte, dem aber ein Berater der Postbank unter dem Deckmantel „Immo Protect Anleihe“ Zertifikate des insolventen Bankhauses Lehman Brothers verkauft hatte. Wir konnten nunmehr gegen die Postbank einen ersten Punktesieg landen, in dem das Landgericht München II (11 B O 5229/09) die Klage angenommen und sich für örtlich zuständig erklärt hat. Die Bank hat nämlich bisher in der Sache auf die Klage noch nicht erwidert, sondern stattdessen ihre Verteidigungsstrategie so aufgebaut, dass sie versucht hat das Verfahren an ihren Sitz nach Bonn oder Köln zu ziehen, um auf Seiten des Klägers die Rechtsverfolgung zu erschweren und die Verfahrenskosten zu erhöhen. Argumentiert hat die Bank damit, dass sie ihren Sitz in Bonn habe und eine kontoführende Niederlassung nur in Köln bestehen würde. Zur Stützung ihrer Argumentation hat sie 7 Beschlüsse unterschiedlicher Gerichte vorgelegt, bei denen sie ähnlich argumentiert und damit stets erfolgreich eine Verweisung nach Bonn oder Köln erreicht hat. Diesmal ist die Strategie der Bank nicht aufgegangen, sondern ihr wurde ihr eigener Internetauftritt zum Verhängnis. Dort erweckt sie nämlich den Anschein sie würde auch in München eine Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO unterhalten, so dass wir mit dem Rechtsinstitut der Scheinniederlassung arbeiten konnten. Wir haben dabei in unserem Schriftsatz folgendermaßen argumentiert:
„Die Beklagte unterhält ausweislich ihres Internetauftritts auch eine Niederlassung in München. Gibt man auf der Internetseite der Beklagten den Begriff „Niederlassung“ in die Suchmaske ein, so gelangt man auf die Seite „Kontakt für Privatkunden“. Dort findet sich eine Rubrik „Ihre kontoführende Niederlassung finden Sie hier“. An den dort genannten Orten, zu denen auch München zählt, liegt nach der eigenen Darstellung der Beklagten offensichtlich eine Niederlassung vor bzw. sie erweckt durch ihr Internetauftritt zumindest den Eindruck, dass an den genannten Orten eine Niederlassung besteht.
Beweis: Auszug aus dem Internetauftritt der Beklagten (Anlage K 18)
Der Klägerin ist nicht bekannt, dass nur in Köln eine kontoführende Niederlassung bestehen soll, so dass der Vortrag der Beklagten, der in Widerspruch zu ihrem Internetauftritt steht, mit Nichtwissen bestritten wird.
Ob die Beklagte tatsächlich in München eine Niederlassung unterhält oder nur den Anschein erweckt, ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit letztlich gleichgültig, da bereits der Anschein einer Niederlassung zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit nach § 21 ZPO genügt (Stein/Jonas/Schumann § 21 ZPO Rn 13; BGH NJW 1987, 3081; LG Rostock, Beschluss vom 30. März 2009 – 10 O 15/09). Das LG Rostock hat in der zitierten Entscheidung, die von der Beklagten vorgelegt worden ist, im Ergebnis seine Zuständigkeit mit der Begründung verneint, dass Rostock – im Gegensatz zu anderen Städten, wie beispielsweise München – im Internetauftritt der Beklagten nicht bei den Niederlassungen auf der Internetseite der Beklagten benannt ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die im Internetauftritt der Beklagten als Niederlassung bezeichneten Orte den Gerichtsstand nach § 21 ZPO begründen. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der einschlägigen Kommentierung bei Zöller, § 21 Rn. 8. Dort werden als Beispiele für selbstständige Niederlassungen unter anderem genannt: Filiale eines Bankgeschäfts, kontoführende Niederlassung der Postbank AG, …“
Dies hat das Gericht überzeugt.
Auf den ersten Blick mag es für den Laien gleichgültig erscheinen, ob das Verfahren in München oder aber in Köln oder Bonn geführt wird. Auf den zweiten Blick ist es für den Mandanten nicht nur bequemer in München zu klagen, weil er sich die Anreise spart. Es ist für ihn auch deutlich billiger, da Reisekosten regelmäßig von Rechtsschutzversicherungen nicht übernommen werden, also nicht nur die Kosten für die eigene Anreise, sondern auch für die Anreise des Rechtsanwalts selbst bezahlt werden müssen. Gerade bei mehreren Verhandlungsterminen können da schnell einige 1000 EUR an zusätzlichen Kosten auf den Anleger zukommen. Dieses Kostenrisiko trägt nunmehr die Bank.
Ergänzung:
Nachdem das Landgericht München II sich bereits für zuständig erklärt hat, hat die Postbank zunächst, anstatt sich in der Sache zu verteidigen, das Gericht nochmals gebeten, seine Entscheidung über die Zuständigkeit zu „überdenken“.
Das Gericht hat der Bank nunmehr mit informatorischem Schreiben vom 26. November 2009 abermals eine Abfuhr erteilt und diese darauf hingewiesen, dass es sich bereits nach § 32 ZPO (Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen) für zuständig befindet und dazu ausgeführt:
„… wird mitgeteilt, dass sich die Klägerin zur Begründung der Zuständigkeit des Landgerichts München II auf Seite 11 ihres Schriftsatzes vom 12. Oktober 2009 auf § 32 ZPO berief, da ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm 263 StGB gegen die Beklagte gegeben sei. Unabhängig davon, ob der diesbezügliche Vortrag der Klägerin im Ergebnis zur Begründetheit der Klage ausreichen wird, reicht der Vortrag der Klägerin, nachdem sie sich auf Beratungsgespräche in Wolfratshausen und damit im Gerichtsbezirk des Landgerichts München II berief, im Rahmen der Zulässigkeitsebene zur Begründung der Zuständigkeit des LG München II aus.“
Ausblick:
Wie eingangs erwähnt hat die Bank beim Versuch den Rechtsstreit an die für sie günstigen „Heimatsgerichte“ zu ziehen einen ganzen Packen mit Verweisungsbeschlüssen anderer Gerichte vorgelegt, die stets aufgrund des Vortrags der Bank ihre Zuständigkeit verneint und entweder an die von der Bank genannten Gerichte verwiesen oder in einem Fall, in dem kein Verweisungsantrag durch den Kläger gestellt wurde, die Klage sogar als unzulässig abgewiesen haben. In allen diesen Entscheidungen, die zulasten der jeweiligen Kläger ausgegangen sind, haben die Gerichte sich am Rande kurz mit § 32 ZPO beschäftigt, dessen Anwendung dann aber abgelehnt mit der Begründung, dass der Vortrag zu einer unerlaubten Handlung nicht substantiiert genug sei.
Der vorliegende Fall zeigt, dass bei der Fertigung einer Klageschrift, zumindest dann, wenn man (kostengünstig) am Heimatsgericht der eigenen Partei klagen möchte, die Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht nur am Rande mit abgearbeitet werden dürfen, sondern dass es durchaus Sinn macht, neben den vertraglichen Schadenersatzansprüchen konkret aufzuzeigen, dass sich ein Anspruch gleichen Inhalts auch aus dem Recht der unerlaubten Handlung ergeben kann.