Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 24.06.2009 (8 O 61/09) Anlegern recht gegeben, die auf Anraten eines Beraters der Bank Spargeld aufgelöst und in Anleihen investiert hatten. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Kläger von dem Berater der Postbank falsch beraten wurden. Insbesondere hätte auch auf die fehlende Einlagensicherung hingewiesen werden müssen, denn so das Gericht, entscheidend sei, dass das Kapital der Kläger,dass diese bisher auf dem Einlagensicherungssystem der deutschen Banken unterliegenden Sparkonten angelegt hatten, durch die Verschiebung in Anleihen der Lehman Brothers B.V. dieser Absicherung und auch einer anderen Absicherung von Einlagenforderungen nicht mehr unterliegen und dies ihnen nicht von der Beklagten mitgeteilt worden ist. Die Frage der Absicherung durch ein Einlagensicherungssystem sei jedoch gerade bei sicherheitsorientierten Anlegern ein entscheidungserheblicher Punkt. Erschwerend komme hinzu, dass der im Prospekt enthaltene Satz „100 prozentiger Kapitalschutz bis zum Laufzeitende“ den Anschein erwecke, dass die Anlage z.B. mit einer Spareinlage vergleichbar sei. Im Übrigen habe es die Bank pflichtwidrig unterlassen, dass auf das Emittentenrisiko hinzuweisen.
Aus den Urteilsgründen:
„2.) Die Klage ist auch begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung und Rückabwicklung der getätigten Anlagegeschäfte im ausgeurteilten Umfang gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 31 WpHG.
a) Zwischen der Beklagten — vertreten durch den Zeugen B. — und der Klägerin zu 3.) — diese gesetzlich vertreten durch ihre Eltern — am 09. März 2007 und den Klägern zu 1.) und 2.) am 28. März 2007 ist jeweils ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (st. Rspr. vgl. nur BGHZ 123, 126).
b) Die Beklagte hat ihre Pflichten aus den jeweiligen Beratungsverträgen in vorwerfbarer Weise verletzt. Sie ist den Klägern in dem ausgeurteilten Umfang zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagte ist ihrer Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung der Kläger nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Zeuge B. die Kläger nicht darauf hingewiesen hat, dass mit der Anlage der Ersparnisse der Kläger in die hier gegenständliche Anleihe deren daraus resutlierende Forderungen gegen die Emittentin nicht mehr dem deutschen Einlagensicherungssystem unterfallen und sich damit im Falle der Insolvenz der Emittentin das Totalverlustrisiko realisieren kann. Soweit die Beklagte meint, eine ordnungsgemäße Belehrung der Kläger ergebe sich schon daraus, dass diese von dem Anlageberater in den Wertpapieraufträgen als erfolgt vermerkt wurde, so ist ihr darin nicht zu folgen. Aus diesen Vermerken ergibt sich nichts. Der entsprechende Hinweis wurde durch den Anlageberater lediglich „angekreuzt“. Details und Inhalt der behaupteten Risikoaufklärung werden nicht mitgeteilt. Letztlich bestreitet die Beklagte auch nicht erheblich, dass die Kläger nicht über das Risiko, dass die Emittentin insolvent werden könnte, hingewiesen worden sind. Sie behauptet dazu lediglich, es sei den Klägern und dem Berater klar gewesen, dass die Emittentin das Kapital nur zurückzahlen könne, wenn sie solvent sei. Weiter meint sie dazu, sie habe auch über ein rein theoretisches Risiko nicht aufklären müssen. Soweit die Beklagte behauptet, der Zeuge B. habe nicht geäußert, dass die Anlage absolut sicher sei, kann dies dahinstehen. Eine ordnungsgemäße Information über das Emittentenrisiko ergibt sich daraus ebenfalls nicht.
Auf eine Aufklärung der Kläger über eine mögliche Insolvenz der Emittentin kommt es jedoch auch nicht an. Entscheidender Punkt ist hier vielmehr, dass das Kapital der Kläger, das diese bisher auf dem Einlagensicherungssystem der deutschen Banken unterliegenden Sparkonten angelegt hatten, durch die Verschiebung in Anleihen der Lehman Bros. B.V. dieser Absicherung und auch eine anderen Absicherung von Einlagenforderungen nicht mehr unterlagen (vgl. Bömcke/Weck — VuR 2009, 53) und dass ihnen dies durch die Beklagte nicht mitgeteilt worden ist. Erschwerend fällt hier ins Gewicht, dass der den Klägern ausgehändigte Prospekt die Vorstellung erweckt, das Kapital würde in jedem Fall zurückgezahlt. Der Prospekt erhält den Satz: „100-prozentiger Kapitalschutz bis zum Laufzeitende.“ Damit erweckt der der Beratung zugrunde liegende Prospekt gerade bei einem Anleger mit wenig Erfahrung wie hier — die Kläger hatten zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung unstreitig nur Erfahrung mit „sicheren“ Geldanlagen — den Anschein, als sei die mit dem Prospekt angebotene Anlageform — hier an einen Index gekoppelte Inhaberschuldverschreibungen (Indexanleihen) — mit festverzinslichen Spareinlagen oder ähnlich sicheren Anlageformen vergleichbar, obwohl dies nicht nur im Hinblick auf das Risiko der Insolvenz der Emittentin sondern auch und gerade im Hinblick auf die fehlende Absicherung durch ein Einlagensicherungssystem nicht der Fall ist.
Die Frage der Absicherung durch ein Einlagensicherungssystem ist jedoch gerade bei sicherheitsorientierten, im Wesentlichen an der Erhaltung des Kapitals interessierten Anlegern ein entscheidungserheblicher Punkt. Einlagensicherungssysteme bieten dem Anleger einen Schutz vor der Insolvenz des Kapitalschuldners, da sie in diesem Falle zumindest einen Teil der Einlage ersetzen; Inhaberschuldverschreibungen wie die streitgegenständlichen Wertpapiere fallen nicht unter dieses Schutzsysteme (vgl. Bömcke/Weck, VuR 2009, 53). Es ist der Beklagten Recht zu geben, wenn sie vorträgt, dass auch ein Einlagensicherungsfonds insolvent werden könne. Er stellt jedoch für die Anleger immer einen weiteren Schuldner dar, der für die Rückzahlung ihres Kapitals – zumindest teilweise – einsteht. Darauf kommt es an.
Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Kläger sicherheitsorientierte Anleger sind, widerspricht dies dem Inhalt der von den Klägern vorgelegten beklagtenseitigen Dokumentationen der Beratungsgespräche, in der die Kläger als sicherheitsorientiert eingestuft wurden. Das Vorbringen der Beklagten ist in diesem Punkt zudem auch widersprüchlich und damit unerheblich. Danach sind die Kläger als sicherheitsorientierte Anleger der Risikoklasse 1 mit dem Merkmalen „Substanzerhaltung, die Sicherheit der Anlage steht im Vordergrund“ einzustufen. Allein ein — von der Beklagten behauptetes — Interesse der Kläger an höheren Renditen bzw. Kurszuwächsen macht sie noch nicht zu risikobewussten Anlegern. Die Beklagte räumt denn auch ein, dass für die Anlageentscheidungen der Kläger die Erhaltung ihres Kapitals Priorität hatte. Dies ist aber das tragende Merkmal der Anlagestrategie von Anlegern, die nicht bereit sind, ein Risiko im Hinblick auf das eingesetzte Kapital bei ihre Anlageentscheidung einzugehen. Die Anlageziele bzw. der Zweck ihrer Anlagen, nämlich Ansparung von Kapital für die Ausbildung der Klägerin zu 3.) und Vorhalten von finanziellen Reserven sind zwischen den Parteien auch unstreitig.
Eine Bank hat bei der Anlageberatung den – gegebenenfalls zu erfragenden – Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen („anlegergerechte“ Beratung); das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt muss diesen Kriterien Rechnung tragen („objektgerechte“ Beratung) (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 123, 126). Anlageberatende Banken sind dabei gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG verpflichtet, Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen, die angemessen sind, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oderWertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidungen treffen können.
Im übrigen teilt die Kammer jedoch auch nicht die Auffassung der Beklagten, sie habe über ein nur theoretisch bestehendes Risiko der Insolvenz der Emittentin nicht aufklären müssen. Anderer Ansicht ist allerdings das LG Frankfurt am Main in seiner Entscheidung vom 28. November 2008 – 2-19 O 62/08, zitiert nach juris.de. Danach muss auf ein bloß theoretisches Risiko des Totalausfalls nicht hingewiesen werden. Dem vermag die Kammer sich jedoch nicht anzuschließen. Wollte man die Aufklärungspflicht über ein Totalverlustrisiko bei Kapitalanlagen derartig eingrenzen, würde dies dem Sicherheitsanspruch der Anleger nicht gerecht. Anleger haben Anspruch darauf, umfassend und damit auch über ein nur theoretisches Risiko informiert zu sein (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Ob er sich dann der Auffassung anschließend möchte, dass dieses Risiko sich nicht verwirklichen wird, bleibt dem Anleger überlassen. Diese Entscheidung kann er aber nur treffen, wenn er von dem Risiko weiß. Im übrigen hieße dies auch, die Aufklärungspflicht der Anlageberater nach der Bonität der Emittenten zu richten. Darin läge jedoch wiederum eine von dem Anleger nicht zu übersehende Unsicherheit, wann er Anspruch auf Aufklärung hat und wann nicht und es wäre den Anlageberatern überlassen, die Emittenten in diesem Punkt zu beurteilen und ihre Aufklärung danach auszurichten. Letztlich ist jedes Risiko, so lange es sich nicht verwirklicht, theoretischer Natur. Dies folgt bereits daraus, das ein Risiko die kalkulierte Prognose eines möglichen Schadens oder Verlustes im negativen Fall (Gefahr) ist.
Die fehlerhafte Anlageberatung ist der Beklagten auch vorzuwerfen, § 280 Abs. 1 BGB. Umstände, die die Beklagte entlasten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
c) Nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sind die Kläger so zu stellen, als hätten sie die Anleihe nicht gezeichnet, § 249 Abs. 1 BGB. Anders als die Beklagte meint, ist den Kläger daher auch das Agio von 5 % auf den Nennbetrag der jeweiligen Anleihe zu erstatten. Bei einer unrichtigen oder unvollständigen Information über für die Anlageentscheidung wesentlichen Umständen besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die unrichtige oder unvollständige Information für die Anlageentscheidung ursächlich war (st. Rspr. des Bundesgerichtshofes, vgl. zuletzt BGH WM 2009, 789).
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