Das Landgericht München I stärkt die Rechte der Opfer im sog. VW Skandal. Mit Urteil vom 14.04.2016 (23 O 230033/15) hat es auf die Klage eines Käufers den Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich des Wertverlustes für die Zeit in der das Fahrzeug genutzt wurde, als auch zum Schadenersatz (Kosten für Zulassung, Garantieverlängerung, Zusatzausstattung etc.) verurteilt. Der Käufer hatte Ende Oktober 2015 dem Verkäufer, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der VW AG, zur Nachbesserung bis Mitte November 2015 aufgefordert und gleichzeitig den Rücktritt vom Kaufvertrag angedroht. Als im März 2016 der Mangel immer noch nicht behoben war, erklärte der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und reichte Klage ein.
Das Landgericht München I kam dabei zum Ergebnis, dass der niedrige Schadstoffausstoß des Fahrzeugs Teil der Vereinbarung zwischen den Parteien und für den Kläger maßgebliches Kaufargument gewesen sei. Der Verkäufer müsse sich das Wissen über die manipulierten Abgaswerte aufgrund seiner Stellung als 100-prozentige Konzerntochter auch zurechnen lassen. Dies deshalb, weil er sich in der Außendarstellung ausdrücklich als Teil des VW-Konzerns präsentiert und dessen werbliche Aussagen, unter anderem auch zum Schadstoffausstoß der Fahrzeuge, als eigene übernommen habe. Obwohl das Gericht, das einen Grund für die Anfechtung für gegeben erachtet hat, nicht mehr über den ursprünglich erklärten Rücktritt entscheiden musste, stellte es trotzdem klar, dass es auch diesen für zulässig gehalten hätte. Unzweifelhaft läge in dem erhöhten Schadstoffausstoß ein Sachmangel. Ob eine Behebung des Mangels ohne gleichzeitige Einbußen beim Kraftstoffverbrauch oder der Motorleistung überhaupt möglich ist, sei bereits zweifelhaft. Jedenfalls aber sei eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels inzwischen verstrichen. Der Mangel sei auch erheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 BGB. Auch, wenn nach dem Vortrag der beklagten Partei der Eingriff weniger als 1 Stunde dauern und keine 100 € kosten würde, so handle es sich dabei nach Auffassung des Gerichts um einen Eingriff von erheblicher Komplexität, was bereits durch die sehr lange Wartezeit, die die Volkswagen AG benötigt, um eine Lösung anzubieten, belegt sei. Zudem sei auch eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Schadstoffausstoß getroffen worden. Da auch die Arglist der Beklagten erschwerend hinzukomme, sei in der Gesamtheit von einem erheblichen Mangel des Fahrzeugs auszugehen.
Anmerkung:
Soweit ersichtlich sind zu dem Thema deutschlandweit bereits 9 Urteile ergangen, wobei acht unterschiedliche Landgerichte die Klagen der Käufer stets abgewiesen haben. Das Landgericht München I ist das erste Gericht, das der Klage gegen einen Händler stattgegeben hat. Da zivilrechtliche Urteile keine allgemein verbindliche Wirkung haben, sondern nur zwischen den am Rechtsstreit beteiligten Parteien wirken, lässt sich deshalb nicht voraussagen, ob sich andere mit ähnlichen Fällen befasste Gerichte der Auffassung der Münchner Richter anschließen oder aber ebenfalls, wie die anderen Gerichte zuvor, Ansprüche von Käufern daran scheitern lassen, dass der Mangel aufgrund der geringen Beseitigungskosten nicht erheblich sei.
Da Rechtschutzversicherungen sich regelmäßig gesperrt haben im Rahmen eines bestehenden Versicherungsvertrags ihre Eintrittspflicht zu erklären, dürfte es angesichts dieses Urteils den Versicherern künftig deutlich schwerer fallen, sich der Eintrittspflicht zu entziehen. Nötigenfalls muss unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts München I Deckungsklage gegen die Rechtsschutzversicherung erhoben werden, um sie zum Eintritt zu zwingen.