Der Onlinehandel ist ein heißes Geschäft. Nicht nur, dass Preise knapp kalkuliert werden müssen und ein Onlineshop stets rechtssicher gehalten werden muss, um kostenpflichtigen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen der Konkurrenz zu entgehen, sondern Onlinehändler müssen sich oft auch mit ungerechtfertigten negativen Bewertungen ihrer Kunden herumschlagen, die die von den Onlineplattformen zur Verfügung gestellte Möglichkeit einen Händler zu bewerten oft dazu benutzen, um sich Rechtsvorteile oder wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.
Ein von unserer Kanzlei erstrittenes Urteil des Landgerichts München II (1 O 971/16) vom 15.09.2016 macht aber erneut deutlich, dass sich Händler nicht alles gefallen lassen müssen und deshalb durchaus vor Gericht erfolgreich gegen uneinsichtige Käufer vorgehen können. Das Gericht hat den beklagten Käufer verurteilt eine auf der Online-Handelsplattform eBay abgegebene Negativbewertung einschließlich des Bewertungskommentars „Keine Rückgabekulanz bei Firmenkauf auch kein Umtausch möglich, Antwort 1 Woche!“ sowie den vom Käufer am 08.09.2015 abgegebenen Ergänzungskommentar „12.08.15 Nachricht, Antwort am 23.08.15. Nach Bewertung Drohnachricht!“ zurückzunehmen, weil der Käufer damit rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sowie in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen hat.
Gewerblicher Käufer erwirbt durch eigene Unachtsamkeit falschen Artikel und verlangt vom Verkäufer Rücknahme
Auslöser für den Streit war, dass der Käufer, bei dem es sich um keinen Verbraucher im Sinne von § 13 BGB, sondern um eine Unternehmer im Sinne von § 14 BGB gehandelt hat, zum Gesamtpreis von 27,80 € zwei „Gasdruckdämpfer 550mm 380N Gasfeder Gasdämpfer NEU06846″.
Nach Zahlung und Erhalt der Artikel stellte die Beklagte am 04.08.2015 um 16:06 Uhr über eBay eine Anfrage an den Kläger zwecks Rückgabe der Gasdruckdämpfer und Rückerstattung des Kaufpreises.
Verkäufer verweist zu Recht darauf, dass bei einem Unternehmenskauf kein Widerrufsrecht besteht, bietet aber eine Kulanzlösung an
Der Kläger teilte daraufhin am selben Tag um 17:00 Uhr der Beklagten per Email mit, dass das Widerrufsrecht nur für Verbraucher und damit nicht für die Beklagte besteht. Um eine für beide Parteien zufriedenstellende Lösung zu finden, bat der Kläger die Beklagte sich mit ihm telefonisch in Verbindung zu setzen.
Mit weiterer Anfrage vom 08.08.2015 über eBay teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die falsche Länge kauft habe und im Austausch andere Gasdruckdämpfer kaufen würde Daraufhin antwortete der Kläger am 10.08.2015 per Email, dass er der Beklagten anbiete, 70 % des Warenwertes auf die Neubestellung anzurechnen bzw. 70 % nach Rückerhalt und Prüfung der Ware auszuzahlen, wenn die Neubestellung schon bezahlt wurde .
Käufer zeigt sich uneinsichtig und reagiert auf angebotene Kulanzangebot mit negativer Bewertung
Am 12.08.2015 teilte die Beklagte dem Kläger über eBay mit, dass sie dieses Angebot nicht ernst nehme, da ein Umtausch heutzutage in jedem Geschäft auch bei Unternehmenskauf aus Kulanz möglich sei, und erklärte: „Ich hoffe sie überdenken die Sachlage nochmal!“. Der Kläger teilte per E-Mail der Beklagten am 23.08.2015 mit, dass er sich bis 26.08.2015 im Urlaub befinde und daher nicht täglich seine E-Mails abfrage. Weiter wies er daraufhin, dass die Widerrufsbedingungen vor Vertragsschluss einsehbar gewesen seien und es sich bei den angebotenen 70 % um eine reine Kulanzlösung handele.
Daraufhin bewertete die Beklagte den Kläger auf der eBay-Plattform als „negativ“ mit dem Kommentar „Keine Rückgabekulanz bei Firmenkauf auch kein Umtausch möglich. Antwort 1 Woche!“
Nach Aufforderung zur Entfernung der ungerechtfertigten negativen Bewertung ergänzt Käufer nochmals seinen Bewertungskommentar und behaupte eine Drohnachricht erhalten zu haben
Damit aber nicht genug. Nachdem der Verkäufer dem Käufer unter Hinweis auf die entsprechende Rechtslage zur Entfernung der negativen Bewertung bis zum 16.09.2015 aufgefordert hat und zugleich ankündigte, dass er nach fruchtlosem Fristablauf anwaltliche und gegebenenfalls auch gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen wird, ergänzte der Käufer am 08.09.2015 die Bewertung um folgenden Kommentar: „12.08.2015 Nachricht, Antwort am 23.08.2015. Nach Bewertung Drohnachricht!“
Gericht stellt rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fest
Nachdem zunächst ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil ergangen war, stellte das Landgericht München II auch nach dem Einspruch des Käufers fest, dass dieser sich rechtswidrig verhalten hat und bestätigte damit die vorangegangene Verurteilung.
„Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zurücknahme der negativen Bewertung des Klägers auf der Online-Handelsplattform eBay einschließlich der Bewertungskommentare aus § 1004 Abs. 1 analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 GG.
Sowohl die Negativbewertung des Klägers mit „-“ wie auch die Äußerungen der Beklagten in dem dazugehörigen Bewertungs- und Ergänzungskommentar greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wie auch in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Betroffen ist das Interesse des Klägers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung als sog. „Powerseiler“ auf der Online-Plattform eBay nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden (vgl. BGH NJW 2015, 773). Mögliche Interessenten könnten durch die negative Bewertung und die negativen Äußerungen der Beklagten zu den Themen Rückgabe/Umtausch und Reaktionen des Klägers von Bestellungen abgehalten werden.“
Meinungsfreiheit rechtfertigt weder eine negative Bewertung noch die abgegebenen Bewertungskommentare
„aa. Bei dem Bewertungskommentar „Keine Rückgabekulanz bei Firmenkauf auch kein Umtausch möglich, Antwort 1 Woche!“ handelt es sich teils um reine Tatsachenbehauptungen wie „Antwort 1 Woche“, teils um Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente vermengen. Ab wann beispielsweise ein Verhalten als kulant bezeichnet werden kann, ist keiner Überprüfung auf Richtigkeit zugänglich. In einem solchen Fall ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile zu prüfen. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zu-rück (vgl. BGH a.a.O.).
Vorliegend hatte der Kläger der Beklagten beim Erstkontakt am selben Tag und beim Zweitkontakt an einem Samstag am darauf folgenden Montag geantwortet. Erst beim Drittkontakt der Beklagten, als diese die Ernsthaftigkeit des Angebots des Klägers in Frage stellte und ihre Hoffnung zum Ausdruck brachte, der Kläger werde sich die Sache nochmals überlegen, erfolgte eine Antwort erst 11 Tage später. Diese nannte den Urlaub des Klägers als Grund für die verspätete Antwort.
Wird nun in der Bewertung lediglich „Antwort 1 Woche“ angeführt, so wird bei einem unvoreinge-nommenen und verständigen Leser der Eindruck erweckt, dass auf eine Ursprungsanfrage wegen Rückgabe erst mit erheblicher Verspätung seitens des Verkäufers reagiert wurde. Bei Berücksichtigung der Begleitumstände handelt es sich daher um eine die Wirklichkeit falsch darstellende Tatsachenbehauptung. Eine herausgelöste, isolierte Betrachtung des dritten Kontakts der Parteien am 12. und 23.08.2015, wie sie die Beklagtenpartei vornimmt, verbietet sich gerade.
Gleiches gilt für die Äußerungen „Keine Rückgabekulanz bei Firmenkauf auch kein Umtausch möglich“. Hier wird bei einem unvoreingenommenen und verständigen Leser der Eindruck erweckt, dass er bei einem Firmenkauf die Ware beim Kläger grundsätzlich nicht zurückgeben bzw. umtauschen kann. Verschwiegen wird jedoch das Angebot des Klägers, 70 % des Kaufpreises auf eine Neubestellung anzurechnen. Durch Verschweigen dieses Angebots wird die Wirklichkeit falsch dargestellt. Auch wenn sich ein Gewerbetreibender scharf formulierte Kritik gefallen lassen muss, so darf sie nicht aufgrund Weglassens relevanter Begleitumstände dem Leser ein unwahres Tatsachenbild vermitteln.
bb. Beim ersten Teil des Ergänzungskommentars „12.08.15 Nachricht, Antwort am 23.08.15.“ wird auf die Ausführungen zu „Antwort 1 Woche“ unter lit. aa. Bezug genommen. Auch hier wird für einen unvoreingenommenen Leser der Eindruck erweckt, dass auf die Ursprungsanfrage vom Käufer erst verzögert reagiert worden ist. Tatsächlich handelte es sich aber bereits um den dritten Kontakt. Auch war eine Antwort des Klägers auf die E-Mail der Beklagten vom 12.08.2015 nicht mehr notwendig, da von Seiten der Beklagten lediglich ein Überdenken des vom Kläger bereits unterbreiteten Angebots „erhofft“ wurde.
Der zweite Teil des Ergänzungskommentars „Nach Bewertung Drohnachricht!“ bringt in erster Linie eine subjektive Wertung der Beklagten in Bezug auf die E-Mail des Klägers vom 24.08.2015 und sein Schreiben vom 04.09.2015 zum Ausdruck. Es handelt sich um keine Schmähkritik, da nicht die Herabsetzung des Klägers im Vordergrund steht. Allerdings ist im Rahmen der dann erforderlichen Abwägung der betroffenen Grundrechte zu prüfen, welches Interesse überwiegt. Entscheidend kommt es hier darauf an, wie ein durchschnittlicher Leser den Begriff „Drohnachricht“ versteht und welche tatsächlichen Anknüpfungstatsachen für das Handeln des Klägers am 24.08.2015 und am 04.09.2015 bestanden. Ein unvoreingenommener und verständiger Leser denkt bei dem Begriff Drohnachricht nicht lediglich an das Ankündigen rechtlicher Schritte, sondern an empfindlichere Übel. Berücksichtigt man zudem, dass die angekündigte Zuhilfenahme eines Anwalts bzw. der Gang vor Gericht bei Nichtentfernung der Bewertungen aufgrund der oben unter lit. aa festgestellten rechtswidrigen Grundrechtseingriffe gerechtfertigt ist/war, so tritt das Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter den unternehmensbezogenen Interessen des Klägers zurück.
cc. Bei der negativen Bewertung des Klägers mit „-“ handelt es sich für den Leser erkennbar um ein auf dem Bewertungskommentar fußendes Werturteil und damit um eine unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG fallende reine Meinungsäußerung. Auch hier ist im Rahmen der gebotenen Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen auf die der Bewertung zugrunde liegenden tatsächlichen Anknüpfungstatsachen abzustellen (vgl. OLG München a.a.O.). Da die in dem Bewertungskommentar gewählten Formulierungen ein unwahres Tatsachenbild vermitteln, fehlt es auch der Negativbewertung an rechtfertigenden Anknüpfungstatsachen. Auch war die Kommunikation des Klägers objektiv nicht zu beanstanden. Auch das Kulanzangebot einer Anrechnung von 70 % des Kaufpreises bei Rückgabe der Ware kann – jedenfalls ohne ergänzende Erläuterung – eine Negativbewertung nicht rechtfertigen.“
Auf die richtige Argumentation kommt es an
Wie heißt es so schön: „Wer nicht kämpft hat schon verloren.“ Der Fall verdeutlicht, dass Onlinehändler gut beraten sind, sich nicht alles von ihren Kunden gefallen zu lassen, denn jede ungerechtfertigte negative Bewertung schadet dem Shop und ist damit geeignet, den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung zu gefährden.
Sind auch Sie zu Unrecht negativ bewertet worden? Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne. Wir haben bereits in zahlreichen Verfahren uneinsichtige Käufer auf den Boden des Rechts zurückgeholt.