Am 15. Februar 2016 ist die Plattform für die Online-Streitbeilegung (OS-Plattform) zur außergerichtlichen Regelung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen bei Online-Käufen an den Start gegangen. Sie dient dazu, Streitigkeiten bei Online-Käufen schneller und kostengünstiger beizulegen. Ein Verbraucher, der bei einem Online-Kauf auf ein Problem stößt, kann über die OS-Plattform eine Beschwerde in der Sprache seiner Wahl einreichen. Anschließend vereinbaren der Verbraucher und der Unternehmer, von welcher nationalen Einrichtung der alternativen Streitbeilegung die Streitigkeit bearbeitet werden soll. Der ausgewählten Einrichtung werden dann die Einzelheiten der Streitigkeit übermittelt. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 VO 524/2013 begründet eine Verpflichtung der in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, auf ihren Websites einen Link zur europäischen OS-Plattform einzustellen. Wer dies unterlässt handelt wettbewerbswidrig und riskiert eine Abmahnung durch einen Verband oder Wettbewerber. Deutschland hatte es allerdings nicht geschafft zum Start der US Plattform eine online Streitbeilegung einzurichten. Dies ist erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt.
Fehlende Verlinkung auf OS-Plattform ist auch bereits in der Zeit ein erheblicher Wettbewerbsverstoß, in der in Deutschland noch gar nicht die Möglichkeit für eine online Streitbeilegung geschaffen worden war
Darauf, ob eine Online Streitbeilegung in Deutschland möglich ist, kommt es nach einem Urteil des OLG München vom 22.09.2016 (29 U 2498/16) nicht an. Es hat deshalb die Erheblichkeit eines Rechtsverstoßes in einem Angebot ohne entsprechende Verlinkung bejaht, obwohl zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch gar keine online Streitbeilegung installiert worden war. Begründet haben dies die Richter damit, dass der Zweck der Verpflichtung aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 524/2013 sei, die Kenntnis von dem Bestehen der europäischen OS-Plattform bei möglichst vielen Verbrauchern zu verbreiten. Dem stünde nicht entgegen, wenn tatsächlich über diese Plattform in Deutschland noch gar keine online Streitbeilegung angeboten werden konnte.
Das mit der Angelegenheit vorgefasste Landgericht Traunstein (1 HK O 1011/16) sah dies noch anders und hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der mahnende Verband hatte einen am 25.02.2016 festgestellten Verstoß gerügt. Zu dieser Zeit hatte Deutschland noch gar nicht die Möglichkeit einer Online-Streitbeilegung geschaffen. Das Landgericht hatte deshalb den Rechtsverstoß als unerheblich eingestuft.
Kommentar
Der Fall zeigt einmal mehr, wie subjektiv Recht und damit Urteile doch sind. Das, was die vorbefassten Richter am Landgericht für unerheblich betrachten, stufen die Richter am Oberlandesgericht München als erheblich ein. Beide Urteile ergehen im Namen des Volkes. Für den juristischen Laien stellt sich sicherlich die Frage, wie eine fehlende Verpflichtung zum Hinweis auf die Möglichkeit einer Online-Streitbeilegung überhaupt ein Rechtsverstoß sein kann, wenn zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch gar nicht die Möglichkeit für eine Online-Streitbeilegung geschaffen worden ist. Ebenso dürfte für den juristischen Laien unverständlich sein, dass in einem solchen Fall ein Oberlandesgericht einem Abmahnverband in die Hände spielt, der zwar pro forma die Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, bei richtiger Betrachtung sich aber doch zum Großteil dadurch finanziert, dass systematisch Internetangebote auf Fehler untersucht und, wenn ein solcher entdeckt wird, gnadenlos zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht wird. Wer als Onlinehändler nicht in das Visier eines solchen ab man Verbands geraten möchte, der kann Mitglied werden und Mitgliedsbeiträge bezahlen. Dann hat er, jedenfalls vor diesem Verband, Ruhe. Dass es hier weniger um die Lauterkeit des Wettbewerbs gegangen ist, sondern darum möglichst ahnungslose Gewerbetreibende abzuzocken, lässt sich auch daran erkennen, dass der abmahnende Verband bereits wenige Tage nach Inkrafttreten der Regelung tätig wurde und bereits zu einer Zeit Abmahnungen ausgesprochen hat, als die theoretisch vorgesehene Möglichkeit einer Online-Streitbeilegung in Deutschland praktisch noch gar keinen Einzug gehalten hatte. Der Fall verdeutlicht aber auch, dass es immer schwerer wird den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten vor Gericht planbar zu machen. Richter können nämlich nach eigenem Empfinden in einer Vielzahl von Fällen in die eine oder in die andere Richtung entscheiden. Ganz wie es beliebt. Aus Sicht des Rechtssuchenden, der entscheiden muss, ob er Angriffe zähneknirschend hinnimmt oder aber sich verteidigt, ist dies eine zunehmend ungute Situation, weil Gerichtsverfahren damit zu einem reinen Glücksspiel werden. Denkt man den Fall noch weiter, dann hätte er genauso gut andersrum entschieden werden können, nämlich, dass die 1. Instanz den Rechtsverstoß annimmt und die 2. Instanz verneint. Dies jedenfalls dann, wenn die beteiligten Richter am jeweils anderen Gericht gesessen werden. Zwischen diesen Zufälligkeiten liegen einige 1.000 € Verfahrenskosten, die dann die eine oder die andere Partei zu tragen hat.
In der Sache ist es natürlich ein Streit um des Kaisers Bart, denn die Verlinkung zur OS-Plattform ist spätestens mit der Einführung einer Online-Streitbeilegung in Deutschland ohnehin verpflichtend, so dass für den Verbraucher, dessen Schutz hier vom Oberlandesgericht bemüht worden ist, nichts gebessert ist. Einzige Gewinner des Verfahrens ist der Abmahnungsverband, der durch solche Entscheidungen in seiner zweifelhaften Tätigkeit bestätigt wird.