Das deutsche Markenrecht ist eine Materie mit vielen Ecken und Kanten. Wer heute im geschäftlichen Verkehr ein Produkt oder ein Projekt mit einem Namen versieht, läuft, wenn er zuvor keine umfassende Recherche betrieben hat, stets Gefahr die Rechte einer fremden Marke zu verletzen und damit nicht nur abgemahnt, sondern auch gerichtlich auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden. Aber nicht jeder Angriff ist auch erfolgreich, jedenfalls dann, wenn der Eingriff über eine bestehende Verletzungsgefahr geführt wird und es sich um unterschiedliche Waren, Dienstleistungen oder Werke handelt.
So hat das OLG Köln mit Urteil vom 24. Oktober 2014 (6 U 211/13 – Kinderstube) entschieden, dass dann, wenn mit einem Titel einer Druckzeitschrift verwechslungsfähige Bezeichnung für einen Internetauftritt verwendet wird grundsätzlich keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, solange es sich nicht um einen bekannten Zeitschriftentitel handelt. Geklagt hatte ein Verlag der eine Zeitschrift mit dem Titel „Kinderstube“ herausgibt, gegen die Verwendung der Domain „kinderstube.de“.
Aus den Urteilsgründen:
„ 1. Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG besteht im Ergebnis nicht.
a) Bei der Bezeichnung „Kinderstube“ handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, um den schutzfähigen Titel der Zeitschrift der Klägerin im Sinn des § 5 Abs. 3 MarkenG, was die Beklagte im Ergebnis nicht in Abrede stellt, auch wenn sie meint, aufgrund des beschreibenden Charakters sei der Schutzumfang nur gering.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin ihre Zeitschrift schon seit Mai 2009 herausgibt. Das Landgericht hat dies im Tatbestand als unstreitig festgestellt und in den Entscheidungsgründen dazu ausgeführt, nachdem die Klägerin einen Zeitschriftenartikel (Anlage K 8, Bl. 18 Anlagenheft) vorgelegt habe, in dem über das erstmalige Erscheinen der Zeitschrift „Kinderstube“ berichtet worden sei, habe sich die Beklagte dazu nicht mehr geäußert, so dass dies als unstreitig anzusehen sei. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist seitens der Beklagten nicht gestellt worden. Aufgrund des Artikels K 8, zu dem sich die Beklagte auch in der Berufung nicht weiter äußert, kann im Übrigen das Erscheinen ab Mai 2009 als erwiesen angesehen werden.
b) aa) Die Beklagte hat die Bezeichnung „Kinderstube“ auch in titelverletzender Weise benutzt. Nach der Darstellung im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils hatte die Beklagte die Domain „kinderstube.de“ registriert. Bei Eingabe dieses Namens wurde der Nutzer auf die Seite „frauenzimmer.de/kinderstube“ weitergeleitet, auf der die Beklagte dann die Inhalte unter der Überschrift „Kinder STUBE“ (auf zwei Zeilen verteilt, wobei „Kinder“ in einer Art Schreibschrift wiedergegeben war) präsentierte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass die Klägerin die Verwendung des Domainnamens „kinderstube.de“ nicht als Verletzung ihrer Rechte beanstande; sie wende sich ausschließlich gegen den Gebrauch dieser Bezeichnung auf der Internetseite der Beklagten.
bb) In der Bezeichnung des Internetangebots „Kinder STUBE“ liegt eine titelmäßige Benutzung. Auch der nachgeordnete Name einer Internetseite kann einen titelmäßigen Gebrauch darstellen, wenn der Verkehr darin ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werkes von einem anderen und nicht nur eine Adressbezeichnung oder eine reine Inhaltsbeschreibung sieht (vgl. BGH, GRUR 2010, 156 Tz. 20 – Eifel-Zeitung; Senat, Urt. v. 5. 9. 2014 – 6 U 205/13 – Wetter-App). Die Bezeichnung „Kinderstube“ für ein Informationsangebot für Eltern zu Themen im Zusammenhang mit Kindern ist – wie noch darzulegen sein wird – nicht glatt beschreibend, auch wenn sie einen beschreibenden Anklang aufweist. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, den Ausdruck „Kinder STUBE“ als titelmäßige Verwendung des Begriffs „Kinderstube“ anzusehen. Der Umstand, dass es sich dabei nur um einen Teil des Internetangebots der Beklagten (unter „frauenzimmer.de“) handelt, steht dem nicht entgegen. Ebenso, wie auch der Titel einer Rubrik oder ein Untertitel Werktitelschutz genießen kann (BGH, GRUR 2010, 156 Tz. 15 – Eifel-Zeitung), stellt die Verwendung des Ausdrucks „Kinderstube“ als Bezeichnung eines thematisch selbständigen Teils eines Internetangebots in Form einer Unterseite eine titelmäßige Verwendung dar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehr über die Domain „kinderstube.de“ direkt auf diese Seite geleitet wird, was die Selbständigkeit der Bezeichnung „Kinderstube“ hervorhebt.
c) Es fehlt aber an einer Verwechslungsgefahr.
aa) Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr eines Werktitels ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der Titel und der Werknähe sowie der Kennzeichnungskraft des älteren Titels. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen Zeitschriftentiteln kommt es auch auf die Marktverhältnisse, insbesondere auf Charakter und Erscheinungsbild der Zeitschriften an; Gegenstand, Aufmachung, Erscheinungsweise und Vertriebsform haben ebenfalls Einfluss auf die Verwechslungsgefahr (BGH, GRUR 2002, 176 – Auto Magazin).
Werktitel im Sinn des § 5 Abs. 3 MarkenG dienen allerdings grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werkes von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne geschützt. Es muss demnach für eine Verletzung der Titelschutzrechte die Gefahr bestehen, dass der Verkehr den einen Titel für den anderen hält, dass also ein nicht nur unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs als Folge der Identität oder Ähnlichkeit der beiden verwendeten Bezeichnungen über die Identität der bezeichneten Werke irrt (BGH, GRUR 2005, 264, 265 f. – Das Telefon-Sparbuch m. w. N.). Nur ausnahmsweise kann davon ausgegangen werden, dass der Verkehr mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbindet. Lediglich bei bekannten Titeln regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften oder auch bei (Fernseh-) Filmserien kann dies angenommen werden, da die Bekanntheit eines solchen Titels und das regelmäßige Erscheinen im selben Verlag die Schlussfolgerung nahelegen können, dass der Titel im Verkehr jedenfalls teilweise auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird (BGH a. a. O. S. 266; NJW 2003, 1867, 1868 – Winnetou). Nur in diesem Fall wird der Titel auch gegen die Gefahr mittelbarer Verwechslungen geschützt, das heißt gegen die Annahme, dass beide Werke aus dem gleichen oder miteinander verbundenen Unternehmen stammen (Senat, ZUM-RD 2002, 210 = juris Tz. 35 – modern LIVING; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010, § 15 Rn. 156).
Im vorliegenden Fall kann nicht angenommen werden, dass die Voraussetzungen für diesen erweiterten Schutz vorliegen. Die Klägerin beruft sich selber nicht auf eine besondere Bekanntheit ihrer Zeitschrift, Zahlen zur Verkehrsbekanntheit werden nicht vorgetragen. Die Zeitschrift erscheint inzwischen nur noch halbjährlich, wird lediglich in einem Bundesland verteilt, und dort nur über Apotheken und Kinderärzte. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für eine herkunftshinweisende Funktion des Titels vorliegen.
bb) Der Titel „Kinderstube“ weist zumindest unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Er ist, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht glatt beschreibend. Das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist anzunehmen, wenn die Wortbestandteile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für den in Frage stehendenden Gegenstand ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die den bezeichneten Gegenstand selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu dem bezeichneten Gegenstand hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel sieht (BGH, GRUR 2014, 569 Tz. 14 – HOT).
Ein derartiger Bezug kann für „Kinderstube“ für eine Zeitschrift, die sich mit Fragen um Schwangerschaft, Kindererziehung und verwandte Themen befasst, nicht angenommen werden. Im heutigen Sprachgebrauch wird „Kinderstube“ nicht mehr im ursprünglichen Sinn als „Kinderzimmer“, sondern fast nur noch im Zusammenhang „gute/schlechte Kinderstube“ als Hinweis auf die Erziehung verstanden, wobei auch dieser Ausdruck mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch etwas altertümlich wirkt.
Als Titel einer Zeitschrift, in der Beiträge zu den Themenbereichen Kinder und Schwangerschaft veröffentlicht werden, hat er daher zwar einen beschreibenden Anklang. Bereits die Verwendung des Begriffs, der nach seinem natürlichen Sinngehalt üblicherweise als gute/schlechte Erziehung oder allenfalls als Kinderzimmer verstanden werden kann, für eine Zeitschrift stellt aber die Übertragung des Sinngehalts dieses Begriffs auf einen ihm von seiner natürlichen Wortbedeutung her an sich nicht zuzuordnenden Gegenstand dar. Ferner erschöpft sich der Sinngehalt auch nicht in der reinen Wiedergabe des Inhalts der Zeitschrift. Dieser ist nicht auf Themen wie Gestaltung und Einrichtung von Kinderzimmern oder Erziehung beschränkt, sondern geht darüber weit hinaus. Der Titel ist damit als leicht ironisch anmutende Bezeichnung des Themenbereichs einer Zeitschrift, die sich mit Kindern im weitesten Sinne befasst, in einem übertragenen Sinn gebraucht. In diesem Gebrauch ist die Bezeichnung durchaus ungewöhnlich und daher von originärer Unterscheidungskraft (vgl. Senat, GRUR 1997, 663, 664 – FAMILY). Lediglich infolge des verbleibenden beschreibenden Anklangs ist von unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen.
Die Beklagte hat zwar darauf verwiesen, dass eine Suche im Internet nach „Kinderstube“ zu einer Vielzahl von Treffern führt. Da sie aber nicht darlegt, auf welche Angebote diese Treffer verweisen, ist eine Schwächung des Begriffs „Kinderstube“ im Hinblick auf Zeitschriftentitel nicht dargelegt. Aus diesem Grund ist auch die Zurückweisung des Antrags auf Eintragung einer Marke „Kinderstube Hamburg“ unerheblich, da nicht ersichtlich ist, für welche Waren/Dienstleistungen die Anmeldung erfolgt ist. Als Bezeichnung beispielsweise einer Kindertagesstätte hätte „Kinderstube“ einen deutlich stärker beschreibenden Charakter als für eine Zeitschrift.
cc) Es fehlt aber an der erforderlichen Ähnlichkeit der bezeichneten Werke. Selbst bei Zeichenidentität kann die – allein relevante – unmittelbare Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sein, wenn es sich um unterschiedliche Werkarten handelt, bei denen nicht anzunehmen ist, dass ein relevanter Teil des Verkehrs das eine Werk für das andere hält. In einem solchen Fall besteht nur dann unmittelbare Verwechslungsgefahr, wenn der angesprochene Verbraucher das angegriffene Werk für das Werk mit dem geschützten Titel in anderer Werkform hält (BGH, GRUR 2005, 264, 266 – Das Telefon-Sparbuch).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts, das die Verwechslungsgefahr auch unter Hinweis auf den Internetauftritt der Klägerin angenommen hat, kann dieser nicht in die Betrachtung einbezogen werden. Als Werke stehen sich die Druckzeitschrift der Klägerin und das Internetangebot der Beklagten gegenüber. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht von einem einheitlichen Werk „Kinderstube“, bestehend aus Zeitschrift und Internetportal, ausgegangen werden. Bei einem Internetportal und einer gedruckten Zeitschrift handelt es sich nach der Verkehrsanschauung um unterschiedliche Werkkategorien (LG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 11, 12 – versicherungsrecht.de; bestätigt durch OLG Düsseldorf, MMR 2003, 177 f.). Dies gilt auch nach heutigem Maßstab jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Internetangebot ersichtlich nicht um die reine Online-Ausgabe einer Zeitschrift handelt. Das ist aber bei dem Angebot der Klägerin nicht der Fall; nach dem Ausdruck K 9 (Bl. 20 Anlagenheft) werden unter „kinderstube-sachsen.de“ „Leseproben“ und zusätzliche Informationen angeboten, so dass die Inhalte nicht deckungsgleich sind. Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise handelt es sich daher bei der Zeitschrift und dem Internetportal nicht um ein einheitliches Werk. Sowohl die Zeitschrift als auch der Internet-Auftritt können eigenständig und unabhängig voneinander genutzt werden. Sie sprechen ferner nicht vollständig deckungsgleiche Verkehrskreise an: Die Druckausgabe erreicht allein Nutzer im Zuständigkeitsbereich der Klägerin, die dort Apotheken und Kinderärzte aufsuchen. Das Onlineportal wendet sich dagegen an alle an den dort angebotenen Themen Interessierte, die sich Informationen über das Internet verschaffen. Im Ergebnis handelt es sich daher um unterschiedliche Werke im Sinn des § 5 Abs. 3 MarkenG; eine einheitliche Betrachtung verbietet sich.
Unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der Zeitschrift der Klägerin und dem Angebot der Beklagten könnte daher nur dann entstehen, wenn der angesprochenen Verkehr Anlass hätten, das Angebot der Beklagten für die Online-Ausgabe der Zeitschrift der Klägerin zu halten. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. In den vorgelegten Unterlagen zum Angebot der Beklagten fehlt jeder Hinweis auf eine Druckausgabe. Auch die äußere Gestaltung lässt nicht darauf schließen, dass es sich lediglich um die Online-Ausgabe einer gedruckten Zeitschrift handelt. Der angesprochene Verkehr wird daher in dem Angebot nichts anderes als eines der verbreiteten Internet-Ratgeberportale sehen. Auch ein Leser, dem die Zeitschrift der Klägerin bekannt ist, wird das Angebot der Beklagten nicht als deren Online-Ausgabe ansehen; er wird nur einen Zusammenhang zwischen den Herausgebern der Zeitschrift und den Verantwortlichen des Portals vermuten. Gegen eine derartige mittelbare Verwechslungsgefahr wird aber ein Werktitel über § 15 Abs. 2 MarkenG grundsätzlich nicht geschützt.“
Anmerkung:
Im Ergebnis war die Klage dann allerdings doch erfolgreich, weil der Verlag eine entsprechende Wortbildmarke registriert hatte und das Gericht insoweit die geltend gemachten Rechte aus der registrierten Marke für begründet erachtete, wie identische Dienstleistungen angeboten wurden.