Big Brother ist watching you. Dies gilt heute umso mehr, insbesondere dann, wenn Mitteilungen und Bilder in sozialen Medien gepostet werden. Dies ist nämlich keineswegs privat, sondern kontrollierbar. Wer hier also Äußerungen von sich gibt, die politisch nicht korrekt sind, der riskiert nicht nur strafrechtliche Verfolgung, sondern auch den Verlust des Arbeitsplatzes, wenn die Äußerung als menschenverachtend eingestuft wird (Sächsisches LAG, Urteil vom 27. Februar 2018, 1 Sa 515/17).
Gleisbauarbeiter eines Kommunalunternehmens postet Foto einer meckernden Ziege mit der Sprechblase „Achmed, ich bin schwanger“ auf Facebook
Der Kläger war seit 1982 bei der Beklagten, einem 100-prozentigen kommunalen Tochterunternehmen, zunächst als Straßenbahnfahrer und später als Gleisbauarbeiter beschäftigt. Er unterhielt auch einen Facebook Account. Dort gab er seinen Beruf als Straßenbahnfahrer an und veröffentlichte auch ein Foto von sich in „Dienst Uniform“. Weiter nannte er den Namen seines Arbeitgebers.
Neben seinem Foto in Straßenbahnkleidung hatte er das Foto einer meckernden Ziege mit einer Sprechblase mit den Worten „Achmed, ich bin schwanger“ veröffentlicht.
Als der Arbeitgeber im Dezember 2016 davon über einen Dritten Kenntnis erlangte, kündigte er nach Anhörung des Betriebsrats, der der Kündigung zugestimmt hatte, mit Schreiben vom 29. Dezember fristlos, weil die Äußerung des Klägers menschenverachtend sei.
Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam, denn nach seiner Auffassung handele es sich bei dem Bild mit der Ziege und der Sprechblase lediglich um eine satirisch verbrämte Anspielung auf das Gedicht von Jan Böhmermann. Verfassungsfeindliche oder gar volksverhetzende Tendenzen bestünden nicht. Eine Volksverhetzung scheitere schon daran, dass der Name Achmed keiner bestimmten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen sei.
Fristlose Kündigung wegen menschenverachtender öffentlicher Äußerung gerechtfertigt
Vor Gericht hatte der Kläger allerdings keinen Erfolg, denn sowohl das Arbeitsgericht Zwickau als auch das Sächsische Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil nach Auffassung der Richter ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst festzustellen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Dann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht
Die Verbreitung ausländerfeindlicher Parolen kann generell geeignet sein einen solchen Kündigungsgrund darzustellen
Die Richter haben zunächst bejaht, dass grundsätzlich ein Kündigungsgrund vorläge und dazu ausgeführt:
„Die Verbreitung ausländerfeindlicher Pamphlete ist an sich geeignet, einen außerordentlichen Kündigungsgrund darzustellen (BAG 14.02.1996 AP Nr. 26 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Ebenso sind Formalbeleidigungen und Schmähkritiken, die die Diffamierung von Personen zum Ausdruck bringen, auch an sich geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund darzustellen (BAG 18.12.2014 AP Nr. 250 zu § 626 BGB; BAG 31.07.2014 – 2 AZR 505/13– BAGE 149, 1; BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – AP Nr. 240 zu § 626 BGB, jeweils m. w. N.).
Derartige Verhaltensweisen ebenso wie auch (andere) Straftaten müssen, handelt es sich um rechtswidriges außerdienstliches Verhalten, berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsver-hältnis hat (BAG 10.09.2009 – 2 AZR 257/08 – BAGE 132, 72; BAG 28.10.2010 – 2 AZR 293/09 – NZA 2011, 112; BAG 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 ).“
Interessenabwägung ergibt, dass Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist dem Arbeitgeber unzumutbar ist
In einem zweiten Schritt kam die Richter dann zum Ergebnis, dass bei Abwägung der wechselseitigen Interessen dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre.
„a) Das vom Kläger im Internet gepostete Foto stellt eine menschenverachtende Schmähung und Geringschätzung einer ganzen ausländischen Bevölkerungsgruppe, nämlich der türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger dar. Mit Achmed, einem ursprünglich arabischen und heute vielfach in der Türkei benutzten Namen, wird insbesondere der türkische Mann angesprochen als ein Mensch, der Sodomie betreibt, d. h. Geschlechtsverkehr mit Tieren, hier einer Ziege, vollzieht. Die Ziege steht platzhalterisch für die türkische Frau, die für tierischen Nachwuchs sorgt. Damit werden die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verächtlich gemacht, auf eine tierische Ebene reduziert und eine zu achtende Menschqualität infrage gestellt.
aa) Eine solche die Würde des Menschen infrage stellende Schmähkritik ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zwar nicht nur sachlich differenzierte Äußerungen, sondern Kritik darf gerade auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähkritik. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 – NJW 2017, 1460 Rn. 14 m. w. N.). Hier sind strenge Maßstäbe anzustellen, die Äußerung muss eindeutig sein. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so muss eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit schlüssigen, überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (BAG 18.12.2014 a. a. O. Rn. 25). Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Ziegenfoto nicht als satirischer oh-ne die angesprochene Bevölkerungsgruppe verletzender Beitrag ausgelegt werden. Es handelt sich hier nicht um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Satire im Sinne einer literarischen Gattung, die ironisch witzig, bissig oder höhnisch menschliche Schwächen, Laster, Torheiten und anderes darstellt und die zum Schmunzeln und/oder zu Auseinandersetzungen mit diesen Schwächen etc. einlädt. Das Ziegenfoto hat nichts mit Satire zu tun, sondern enthält ausschließlich eine menschenverachtende und menschenherabwürdigende „Botschaft“. Eine solche Schmähkritik ist von der Meinungsfreiheit nicht geschützt.
b) Dieses Verhalten des Klägers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB dar. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein Verstoß gegen dieses Rücksichtnahmegebot liegt vor, denn die berechtigten Interessen der Beklagten sind durch das Verhalten des Klägers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt worden , und das Verhalten des Klägers hat einen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Der Bezug zum Arbeitsverhältnis liegt darin, dass der Kläger sich auf der Internet-Plattform öffentlich neben dem Ziegenbild in seiner Uniform als Straßenbahnschaffner und unter seinem Namen abbilden ließ. Damit ist für jeden Betrachter klar geworden, dass der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten ist und seine menschen-verachtende Haltung in Bezug zur Beklagten darstellte. Den Bezug dieser Schmähkritik gegenüber türkischen Ausländern musste die Beklagte nicht hinnehmen. Dadurch sind erhebliche Interessen der Beklagten beeinträchtigt worden. Die Beeinträchtigung liegt darin, dass die Beklagte durch diesen Bezug auch in die Nähe der Ausländerfeindlichkeit, wenn nicht gar des Ausländerhasses gesetzt wurde.
Dies zeigen auch die empörten Reaktionen der örtlichen Tageszeitung. Die Beklagte, welche zu 100 Prozent in der Hand der Stadt …liegt und damit – wenn auch privatrechtlich organisiert – Teil des öffentlichen Dienstes ist, hat ein erhebliches Interesse daran, die Grundwerte des Grundgesetzes zu achten und damit schweren ausländerfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken
Dem widerspricht das Verhalten des Klägers in schwerwiegender Weise….“
Ob hier bereits das letzte Wort gesprochen ist oder aber den Rechtsstreit letztverbindlich vom BAG entschieden werden wird ist nicht bekannt. Ebenso wenig ist bekannt, wie das Gericht entschieden hätte, wenn in der Sprechblase zum Foto der Ziege statt „Achmed“ der Name „Herbert“ gestanden hätte und dies nicht unbedingt der Vorname des Dienstvorgesetzten gewesen wäre.