Zwei Juristen haben bekanntlich drei Meinungen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich die Gerichte auch nicht einig darüber sind, ob im Zusammenhang mit einer Massenentlassungsanzeige Leiharbeitnehmer zu den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zählen oder nicht. Diese Frage muss nun letztverbindlich der EuGH erklären, weil das BAG mit Beschluss vom 16.11.2017 (2 AZR 90/17 (A)) diesen nach Art. 267 AEUV angerufen hat.
Keine Massenentlassungsanzeige durch Arbeitgeber
Ausgang war ein Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer Kündigung. Die Klägerin hatte sich darauf berufen, dass ihre Kündigung nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 KSchG unwirksam sei, weil eine Massenentlassung vorgelegen und der Arbeitgeber es unterlassen habe vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige zu machen. Sie trug dazu vor, dass neben ihr noch weitere elf Mitarbeiter eine Kündigung erhalten hätten und in Betrieb nicht mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Da mindestens zwölf Kündigungen ausgesprochen worden sind, was 10 % der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer entspreche, sei dies anzeigepflichtig gewesen.
Der Arbeitgeber verteidigte seine Kündigung damit, dass keine Anzeigepflicht vorgelegen habe. Zur Berechnung der Zahl der Mitarbeiter hätten nämlich auch die im Betrieb eingesetzten 4 Leiharbeitnehmer mitgezählt werden müssen.
Ob Leiharbeitnehmer zur Bestimmung der Mitarbeiterzahl in einem Betrieb im Zusammenhang mit einer Massenanzeige mitzuzählen sind, wird uneinheitlich beurteilt
Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben, aber die Revision zum BAG zugelassen. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter wollten aber die Frage nicht selbst entscheiden. Sie haben stattdessen das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ersucht. Es sei entscheidungserheblich, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sind. Für die Beantwortung der Fragen sei der EuGH zuständig. Die Regelung in § 17 KSchG über anzeigepflichtige Massenentlassungen diene der Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG.
Wenn Sie also als Arbeitgeber auf der sicheren Seite sein möchten, dann sollten Sie, bis eine Entscheidung erfolgt ist, Leiharbeitnehmer ausklammern. Nur so können Sie vermeiden, dass eine ausgesprochene Kündigung mangels erforderlicher Massenentlassungsanzeige unwirksam ist.