Während vormals die Angabe einer Telefonnummer im Rahmen der Widerrufsbelehrung als wettbewerbswidriger Rechtsverstoß abgemahnt werden konnte, hat sich durch die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung und die damit verbundenen Hinweise die Situation genau umgedreht, sodass demjenigen, der die Telefonnummer nicht angegeben hat, die Abmahnung durch einen Massenabmahner und die damit verbundenen Kanzleistrukturen gedroht hat.
Unterschiedliche OLG-Rechtsprechung
Da zwei Juristen bekanntlich drei unterschiedliche Meinungen zu einer Rechtsfrage vertreten können, verwundert es nicht, da auch hier die Rechtsprechung nicht einheitlich ist. Während beispielsweise das OLG Schleswig (Urteil vom 10.01.2019, 6 U 37/17) die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung als verbindlich ansah, wenn die Musterwiderrufsbelehrung verwendet wird und eine Telefonnummer vorhanden ist, hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.02.2016, I-15 U 54/15) dies mit der Begründung verneint, dass das Muster-Widerrufsformular zwar Namen und Anschrift, nicht aber zwingend die Telefonnummer des Unternehmens enthalten muss.
Kurios ist dabei, dass die Richter am OLG Schleswig (ebenso wie der am Verfahren beteiligte Anwalt auf Beklagtenseite) offensichtlich weder die anderslautende Rechtsprechung des OLG Düsseldorf noch die bereits deshalb anhängige Revision gekannt haben, weil die dortige Beklagte nicht mehr verurteilt wurde, sondern die Richter auch ausdrücklich die Revision nicht zugelassen haben. Diese war nämlich in einem anderen Verfahren bereits vom OLG Hamm (Beschluss vom 24.03.2015 -4 U 30/15) zugelassen worden, weil dort die Richter auch abweichend von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf eine Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer im Rahmen der Widerrufsbelehrung angenommen hatten. Von den Verfahrensbeteiligten hatte sich offensichtlich, weder Gericht noch Anwalt, die Mühe gemacht, zu recherchieren, welche Rechtsprechung bereits zu der Thematik ergangen ist. Gut für den dortigen Kläger, der nun, obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit eine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer nicht besteht, das Verfahren gewonnen und einen Kostenerstattungsanspruch hat. Schlecht für den Beklagten, der nun bezahlen muss und, wenn er nicht auf den Kosten sitzen bleiben möchte, Schadensersatzansprüche gegen seinen Anwalt geltend machen muss. Ansprüche gegen das Gericht wegen eines Amtsverletzung scheiden nämlich wegen der vorrangigen Haftungsansprüche gegen den Anwalt aus. Das Haftungssystem ist also so konzipiert, dass mangelnde Kenntnis der Rechtsprechung als Anwaltsverschulden gewertet wird, während das Gericht, also die Staatskasse, ungeschoren davon kommt. Deshalb kann neben Kollegen immer nur empfohlen werden, auch wenn dies eine nicht zwingend notwendige Fleißaufgabe im Zivilprozess darstellt, sich nicht auf reinen Tatsachenvortrag zu beschränken, sondern dem Gericht bereits die Entscheidung anhand einschlägiger Rechtsprechung mundgerecht aufzubereiten. Dies ist hilfreich, hilft aber auch nicht immer, weil es manchmal auch Richter gibt, die bewusst herangezogene obergerichtliche Rechtsprechung ignorieren, weil sie aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit zu einer Rechtsfrage eine andere Ansicht als der BGH vertreten und sich deshalb an dessen Entscheidungen nicht gebunden fühlen. Hiergegen ist dann auch aus Anwalt Sicht kein Kraut gewachsen. Dann bleibt nur der Umweg über das Berufungsverfahren. Hebt das Berufungsgericht dann das Urteil auf, weil es selbst der Auffassung des BGH folgt und verweist es deshalb in Rechtsstreit zurück, dann wird dadurch auch der „störrische“ Richter, an die Rechtsprechung des BGH gebunden und kann diese nicht mehr einfach als „in seinen Augen falsch“ vom Tisch wischen. Juristisch durchaus spannend. Dem Laien allerdings in der Praxis, was zum Glück nur sehr selten vorkommt, aber doch vorkommt, kaum zu vermitteln.
BGH ruft EuGH an
Aufgrund der abweichenden Entscheidungen unterschiedlicher Oberlandesgerichte ist der Rechtsstreit schließlich beim BGH gelandet. Dieser hat allerdings nicht selbst entschieden, sondern mit Beschluss vom 07.03.2019 (I ZR 169/17) dem EuGH zur Vorabentscheidung folgende Fragen gestellt:
„Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Musterwiderrufsbelehrung gem. Anhang I. Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“, wenn der Unternehmer die Telefonnummer im Rahmen des Impressums nennt oder auf der Startseite seines Internetauftritts klar und deutlich darstellt?
Ist eine Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Musterwiderrufsbelehrung gem. Anhang I. Teil A der Richtlinie 2011/83/EU „verfügbar“, wenn der Unternehmer den Telefonanschluss zwar geschäftlich nutzt, aber nicht für den Abschluss von Fernabsatzverträgen verwendet und daher auch nicht zur Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen in Form einer Entgegennahme von Widerrufserklärungen vorhält?“
Vergleichbare Problematik zur Verpflichtung der Angabe einer Telefonnummer im Impressum bereits beim EuGH anhängig
Die Frage, ob ein Unternehmer verbindlich eine Telefonnummer angeben muss, tritt aber nicht nur im Rahmen der Widerrufsbelehrung auf, sondern auch beim Impressum. Hier wie da drohten bislang Abmahnungen, wenn keine Telefonnummer angegeben worden war. Für das Impressum hat allerdings erst unlängst der Generalanwalt dem Gerichtshof vorgeschlagen festzustellen, dass bei Fernabsatzverträgen die Aufzählung der Kommunikationsmittel, also Telefon, Telefax, E-Mail) in der Verbraucherrechts Richtlinie nicht zwingend, sondern nur beispielhaft sei. Ein Unternehmen könne deshalb frei wählen, welche Mittel für den Kontakt mit dem Verbraucher zu Verfügung gestellt werden. Da sich für gewöhnlich der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts anschließt, dürfte also die Frage in diesem Sinne entschieden werden.
Da wiederum nicht ersichtlich ist, weshalb für das Impressum etwas Anderes gelten solle als für die Widerrufsbelehrung ist zu erwarten, dass der EuGH die Frage des BGH zur Widerrufsbelehrung in diesem Sinne beantworten wird.
Handlungsempfehlung für Onlinehändler
Auch, wenn also zu erwarten ist, dass über kurz oder lang zunächst vom EuGH und dann vom BGH klargestellt werden wird, dass die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht zwingend ist, sollten Sie im Rahmen Ihrer Widerrufsbelehrung als Unternehmer, um keine Angriffsfläche zu bieten, eine Telefonnummer mit aufnehmen. So können Sie verhindern, dass Sie noch in einen unnötigen Rechtsstreit mit einem Abmahner gezogen werden.