Streit am Nachbarzaun (sog. Nachbarstreit) findet öfter statt, als Sie vielleicht, wenn Sie mit Ihrem Nachbarn noch in bestem Einvernehmen freundschaftlich zusammenleben, glauben. Gerade außerhalb der Wachstumsperiode, also in den Wintermonaten, wird häufig darüber gestritten, ob und in welchem Umfang am Gartenzaun Rückschnitt zu erfolgen hat. Anhand eines aktuellen Urteils des Amtsgerichts München vom 01.10.2018 (242 C 24651/17) wird deutlich, worauf Sie dann, wenn Sie auf Rückschnitt in Anspruch genommen werden, oder aber umgekehrt den Rückschnitt beanspruchen, achten müssen.
Schlechte Idee: wankelmütiger Nachbar verspricht zunächst Rückschnitt, beruft sich dann aber auf Verjährung
In der Praxis ist es oft so, dass auch dann, wenn einen die Grenzbepflanzung, im entschiedenen Rechtsstreit eine Thujenhecke, stört, der Rückschnitt deshalb nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil der Anspruch verjährt ist. In Bayern regelt nämlich Art. 52 AGBGB, dass die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands, und dazu zählt auch bei zu hoher Bepflanzung der Rückschnitt, nur dann verlangt werden kann, wenn der verletzende Zustand nicht länger als 5 Jahre zurückliegt. Vergleichbare Verjährungsregelungen gibt es auch in den Nachbarschaftsgesetzen der anderen Bundesländer.
Im vom Amtsgericht München entschieden Rechtsstreit war es dann so, dass die Klägerin mit Anwaltschreiben vom 29.09.2016 den Rückschnitt verlangt hat. Der Beklagte hat darauf mit Schreiben vom 23.10.2016 geantwortet, dass er die erforderlichen Maßnahmen im Frühjahr 2017 durchführen würde. Als dann nichts passiert ist und die Klägerin sich nochmals wegen des ausstehenden Rückschnitts an den Beklagten wandte, schrieb dieser zurück, dass er die Einrede der Verjährung erheben würde und deshalb keinen Rückschnitt vornehmen werde.
Rückschnitt im Schlichtungsverfahren vereinbart
Bevor in solchen nachbarschaftlichen Streitigkeiten ein Klageverfahren geführt werden kann, ist zunächst erforderlich, dass erfolglos ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist. Dies ist im Bayerischen Schlichtungsgesetz so geregelt.
In dem entschiedenen Rechtsstreit fand dann ein solches Schlichtungsverfahren vor einem Notar statt. Dort haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass der Beklagte die Thujen, mit Ausnahme der beiden mittleren, auf eine Höhe von 2 m zurückschneidet und künftig auch auf dieser Höhe hält. Nachdem die Niederschrift aber nur von dem beurkundenden Notar, nicht aber von den Parteien unterschrieben worden war, wollte der Beklagte dann später von der Vereinbarung nichts mehr wissen. Vielmehr berief er sich nunmehr darauf, dass diese mangels Unterzeichnung formunwirksam sei.
Beklagte Nachbar beruft sich im Klageverfahren auf die Einrede der Verjährung, eine mögliche Zerstörung der Pflanzen durch den Rückschnitt, eine Beeinträchtigung der dort lebenden Vögel sowie auf ein zeitlich beschränktes Rückschnittverbot nach dem BNatSchG
Nach Auffassung des Amtsgerichts München besteht gleichwohl ein Anspruch auf Rückschnitt aus Art. 47 AGBGB. Dies deshalb, weil nach dieser Vorschrift der Eigentümer eines Grundstücks verlangen kann, dass auf einem Nachbargrundstück Sträucher oder Hecken, die über 2 m hoch sind, nicht in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze des Grundstücks gehalten werden.
Anspruch auf Rückschnitt nicht verjährt
Dieser Anspruch ist nach Auffassung des Gerichts noch nicht verjährt. Zwar beginnt die Verjährung grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, so das grundsätzlich Verjährung eingetreten wäre. Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Beklagte in seinem Schreiben vom 23.10.2016 erklärt hatte, er werde den Rückschnitt im Frühjahr 2017 vornehmen. Darin sei ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 BGB zu sehen, so dass die Verjährung mit Zugang dieses Schreibens neu begonnen habe.
Mögliche Beschädigung der Pflanzen liegt im Verantwortungsbereich des Störers
Nach Auffassung des Gerichts spielt es auch keine Rolle, ob durch einen Rückschnitt die Pflanzen beschädigt werden. Denn der Beklagte hätte es in der Hand gehabt, die Hecke durch einen stetigen, schonenden Rückschnitt auf einer zulässigen Höhe zu halten. Allein der Umstand, dass der Beklagte dies bislang unterlassen habe führe dazu, dass der jetzt vorzunehmende radikale Rückschnitt und dessen Risiken allein vom Beklagten zu tragen seien.
Auch BNatSchG steht Rückschnitt nicht entgegen
Schließlich hat das Gericht ausgeführt, dass auch die Regelung des § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG dem Rückschnitt nicht entgegensteht. Es sei vielmehr allein die Aufgabe des Beklagten seinen zivilrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin unter Beachtung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes nachzukommen. Die Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten daher auch kein absolutes, sondern allenfalls ein vorübergehendes Vollstreckungshindernis soweit in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September ein Rückschnitt unzulässig sei.
Was Sie beim Nachbarstreit beachten sollten
Der Fall verdeutlicht, dass auch bei der Auseinandersetzung unter Nachbarn derjenige, der das Recht kennt stets im Vorteil ist. Während nämlich nun der beklagte Nachbar trotz aller Befürchtungen seine zu hochgewachsene Hecke zurückschneiden muss, hätte er dazu nicht mehr verpflichtet werden können, wenn er nicht unbedacht auf das Aufforderungsschreiben seiner Nachbarin reagiert hätte. Allein mit dem Antwortschreiben, er werde im Frühjahr des Folgejahres alles Erforderliche veranlassen, hat er sich um die Möglichkeit gebracht, dauerhaft seine Hecke in einer Höhe über 2 m zu halten. Neben den jährlich anfallenden Rückschnittkosten hat er jetzt auch noch die Verfahrenskosten zu tragen.
Gleichwohl sollte beim Nachbarstreit, jedenfalls nach der Überzeugung des Verfassers, stets in die Erwägungen mit einbezogen wird, ob es sinnvoll ist nur um Recht zu behalten, ein Zerwürfnis mit dem Nachbarn zu riskieren. Streit mit Nachbarn kann nämlich schnell ekelhaft werden und allen Beteiligten dauerhaft die Freude am eigenen Zuhause nehmen. Deshalb ist es manchmal besser nicht auf das Recht zu beharren und sich auch in die Lage des gegenüber zu versetzen. Dann klappt es auch dauerhaft mit dem Nachbarn.