Was ein Testamentsvollstrecker ist, haben Sie vielleicht schon einmal gehört. Dies ist eine Person, die vom Erblasser testamentarisch eingesetzt wird, um dafür Sorge zu tragen, dass die im Testament enthaltenen Verfügungen entsprechend dem Willen des Erblassers möglichst ohne Streit unter den Erben umgesetzt werden. Eine solche Testamentsvollstreckung wird für gewöhnlich dann angeordnet, wenn der Erblasser entweder Streit unter den Erben vermeiden oder aber den Erben die mit der Umsetzung des Nachlasses verbundene Arbeit ersparen möchte. Ist im Testament dagegen eine Vorerbschaft und eine Nacherbschaft angeordnet, dann kann auch in derartigen Fällen eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Diese nennt man dann Nacherbentestamentsvollstreckung. Gerade dann, wenn mehrere Nacherben, die vielleicht auch noch aus unterschiedlichen Familienbeziehungen stammen, die Nacherbengemeinschaft bilden, dann kann ein solcher Nacherbentestamentsvollstrecker sinnvoll sein, um dem Vorerben, meist dem überlebenden Ehegatten, den Umgang mit den Nacherben zu erleichtern. Er hat dann nämlich nur den Nacherbentestamentsvollstrecker als Ansprechpartner. Dieser hat nämlich alle Rechte, welche den Nacherben im Allgemeinen gegenüber dem Vorerben zustehen. Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 (31 Wx 439/17) recht anschaulich die Rechte und Pflichten eines solchen Nacherbentestamentsvollstreckers beschrieben und im entschiedenen Rechtsstreit dann dessen Ablösung wegen einer behaupteten Pflichtverletzung durch einige Nacherben abgelehnt.
Beabsichtigter Verkauf einer Immobilie durch Vorerben führt zu Streit zwischen Nacherben und Testamentsvollstrecker
Die Eheleute waren in zweiter Ehe verheiratet als sie einen Ehe- und Erbvertrag errichteten, in dem sie sich gegenseitig zu unbefreiten Vorerben einsetzten. Die Abkömmlinge aus erster und zweiter Ehe waren Nacherben. Einer Tochter räumten sie das Recht ein beim zweiten Erbfall das Familienanwesen zu übernehmen, wobei sie eine Ausgleichung gegenüber den übrigen Nacherben bezahlen muss. Ein Sohn aus erster Ehe des Ehemannes wurde zum Nacherbentestamentsvollstrecker bestimmt. Nach dem Tod des Ehemannes im Jahr 1987 wurde dieser dann auch vom Nachlassgericht zum Nacherbentestamentsvollstrecker bestellt.
2016 teilte dann der Nacherbentestamentsvollstrecker den Nacherben mit, dass die Vorerbin beabsichtigt das Familienanwesen lebzeitig an den Sohn der übernahmeberechtigten Tochter zum Preis von 200.000 € zu verkaufen. Dies sei zur Finanzierung eines Heimaufenthalts der Vorerbin erforderlich.
Daraufhin forderten weitere Geschwister des Nacherbentestamentsvollstreckers diesen auf, Auskunft zum Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt übernommenen Verwaltung und zum aktuellen Bestand des Nachlasses sowie zum Verbleib von Nachlassgegenständen zu geben und untersagten Verfügungen über das Grundstück. Sodann beantragten sie beim Nachlassgericht die Entlassung des Nacherbentestamentsvollstreckers wegen grober Pflichtverletzung nach § 2227 BGB.
Das Nachlassgericht hat den Antrag abgelehnt und der dagegen erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen.
Keine Pflichtverletzung des Nacherbentestamentsvollstreckers ersichtlich
Auch beim OLG München als Beschwerdegericht fanden die Nacherben kein Gehör, sodass die Beschwerde zurückgewiesen wurde. Die Richter am OLG haben dabei ihre Entscheidung folgendermaßen begründet:
„Ist Nacherbenvollstreckung angeordnet, hat der Nacherbenvollstrecker alle Rechte (nicht mehr und nicht weniger), welche dem Nacherben im Allgemeinen gegenüber dem Vorerben zustehen (vgl. BGH NJW 1995, 456). Diese nimmt er vom Erbfall bis zum Ableben des Vorerben wahr. Dabei ist der Nacherbenvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Rechte der Nacherben verpflichtet. Es ist aber nicht Aufgabe des Nacherbenvollstreckers, den Vorerben, der ohnehin durch die Anordnung der Nacherbfolge belastet ist, zu beschränken, sondern den Nacherben, da dieser seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.
Mit der Nacherbentestamentsvollstreckung kann es der Erblasser erreichen, dass die Verfügung des nicht befreiten Vorerben unabhängig von einer Vielzahl von Zustimmungserklärungen des Nacherben ermöglicht werden. Der Aufgabenbereich des Nacherbenvollstreckers richtet sich nicht nach dem § 2203 ff. BGB; der Nacherbenvollstrecker hat auch nicht die Befugnisse des allgemeinen Testamentsvollstreckers nach §§ 2205 ff. BGB, insbesondere kein allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsrecht. Für seine Aufgaben und Befugnisse sind vielmehr die Rechte der Nacherben gegenüber den Vorerben maßgebend. Soweit der Vorerbe nach den §§ 2113 ff. BGB zu einer Verfü-gung über Erbschaftsgegenstände der Zustimmung des Nacherben bedarf, ist der Testamentsvollstrecker und nur er befugt, die Zustimmung zu erteilen; der Nacherbe selbst ist ausgeschaltet.
Da Nacherben nach § 2120 BGB zur Einwilligung gegenüber dem Vorerben verpflichtet sind, ist der Nacherbentestamentsvollstrecker auf Verlangen des Vorerben auch zur Unterstützung bei der Verwaltung durch Erteilung von Einwilligungen verpflichtet. Er kann allerdings nicht einzelne Rechte des Nacherben aufgeben, sehr wohl aber einzelne Nachlassgegenstände gegen entsprechendes Entgelt den Vorerben zur freien Verfügung überlassen oder zur entgeltlichen Verfügung seine Zustimmung erteilen.
Zudem muss der Nacherbentestamentsvollstrecker allen Nacherben grundlegende Auskunft über den vorhandenen Bestand des Nachlasses geben.
Es wird vereinzelt vertreten, dass der Nacherbentestamentsvollstrecker von sich aus auch bei Amtsübernahme ein Verzeichnis der im Nachlass vorhandenen Gegenstände abgeben muss. Nach herrschender Ansicht muss er dagegen nur den Anspruch der Nacherben auf Abgabe des Verzeichnisses durch den Vorerben geltend machen. Art und Umfang der Auskunftspflicht richten sich dabei nach den Bedürfnissen der Nacherben unter Rücksichtnahme auf die Belange des Nacherbentestamentsvollstreckers und des Vorerben. Wurde dem Nachlassgericht gegenüber ein Nachlassverzeichnis erstellt, kann dieses ausreichen, wenn dies nach Kenntnis des Nacherbentestamentsvollstreckers zutrifft und daher keine detaillierte Auflistung erforderlich scheint. So sind im Verzeichnis zwar grundsätzlich die im Nachlass befindlichen Gegenstände ohne Wertangaben aufzuführen, nicht aber Verbindlichkeiten. Allerdings sind mit dem Begriff „Gegenstände“ nur die Vermögenswerte im Nachlass gemeint, zumal der Auflistung keine Vollständigkeitsvermutung innewohnt.
Nicht darunter fallen daher Erinnerungsstücke, die nur einen persönlichen Wert haben, aber keinen Vermögenswert darstellen. Es kann daher im Fall des Inventars eines Hauses davon abgesehen werden, die Auflistung sämtlicher vorhandener Gebrauchsgegenstände, die in den Nacherbennachlass fallen, im Einzelnen zu fordern, wenn diese keinen besonderen materiellen Wert darstellen. Fällt nach der Auskunft des Vorerben nur ein Haus(anteil) mit Inventar in den Nachlass, wäre es reiner Formalismus, die Erstellung eines detaillierten Verzeichnisses zu verlangen, wenn das vorhandene Inventar wertlos erscheint. Wurde die Auskunft nicht erteilt, kann den Auskunftsanspruch jeder Nacherbe geltend machen. Ist die Auskunft einmal erteilt, braucht sie in der Regel nicht für einen späteren Stichtag wiederholt zu werden.
Eine grobe Pflichtverletzung ist dem Nacherbentestamentsvollstrecker nicht schon deswegen vorzuwerfen, da er nicht von sich aus im Anschluss an den Erbfall ein Verzeichnis über den Nachlass erstellt hat, selbst wenn man sich der Ansicht anschließt, dass dies Aufgabe des Nacherbentestamentsvollstreckers ist. Der Nachlass bestand nämlich, wie sich aus der Auskunft des Vorerben in den Nachlassakten ergibt, allein aus einem Anteil der von der Ehe-frau bewohnten Immobilie. Anhaltspunkte dafür, dass die Auskunft der Ehefrau gegenüber dem Nachlassgericht unzutreffend war, sind nicht ersichtlich, so dass dem Nacherbentestamentsvollstrecker nicht der Vorwurf gemacht werden kann, keine genaue Auskunft von der Ehefrau als Vorerbin gefordert zu haben.
Darüber hinaus hat der Nacherbentestamentsvollstrecker nur bei Änderungen im Bestand des Nachlasses auf ein erneutes Verlangen Auskunft zu erteilen.
Nach unstreitigem Vortrag aller Beteiligten hat sich dieser jedoch nicht geändert.“
Anmerkung:
Für den Fall, dass Sie sich auch mit dem Gedanken tragen, im Rahmen ihres Testamentes eine Testamentsvollstreckung anzuordnen, dann ist es regelmäßig empfehlenswert niemanden zum Testamentsvollstrecker zu bestimmen, der zugleich eine Erbenstellung innehat. Dies deshalb, weil dadurch, dass einem der Miterben eine „hervorgehobene“ Stellung eingeräumt wird, damit nahezu automatisch der Argwohn der anderen Miterben geschürt wird, dieser würde die Stellung zu seinem Vorteil ausnutzen. Daher ist es meist zweckmäßiger und für alle Beteiligten nervenschonender, eine außenstehende Person Ihres Vertrauens zum Testamentsvollstrecker, beispielsweise einen Rechtsanwalt oder Steuerberater, einzusetzen. Hierdurch ist meist gewährleistet, dass der Nachlass dann auch professionell und ohne Streit innerhalb der Familie entsprechend Ihren Vorgaben umgesetzt wird. Kommt es nämlich zu Streit unter den Miterben, dann wird dadurch nicht nur Ihr Andenken als Erblasser oder Erblasserin stark in Mitleidenschaft gezogen, sondern die damit verbundenen Kosten liegen regelmäßig schnell über den Kosten, die bei einer professionellen Testamentsvollstreckung anfallen.
Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, eine Testamentsvollstreckung anzuordnen, dann ist es aber meist auch sinnvoll sich davor kompetent darüber beraten zu lassen, was genau die Aufgaben des Testamentsvollstreckers sein sollen. Wir beraten und unterstützen Sie gerne und übernehmen bei Bedarf auch die Rolle des Testamentsvollstreckers.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.