Wird eine Steuererklärung zu spät abgegeben, und muss der steuerpflichtige Steuern nachzahlen, dann verlangt der Fiskus 0,5 % Zinsen pro Monat, § 238 AO. Dies sind 6 % pro Jahr. Gerade bei größeren Nachforderungen kommen da schnell stattliche Zinsbeträge zusammen. So mancher steuerpflichtiger stellt sich die Frage, ob in Anbetracht der allgemeinen Niedrigzinsphase am Kapitalmarkt ein solcher Zinssatz überhaupt noch angemessen und damit verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Zinspolitik des Fiskus, jedenfalls im Jahr 2013, hat der BFH mit Urteil vom 09.11.2017 (III R 10/16) bestätigt. Die Richter haben dabei gegen die Höhe des Zinssatzes keinerlei Bedenken.
Kläger muss 11.000 € an Zinsen nachzahlen und hält dies für verfassungswidrig
Im Streitfall gab der Kläger die Einkommensteuererklärung für 2011 im Dezember 2012 ab. Er erwartete eine Einkommensteuernachzahlung von 300.000 Euro, die er auf einem gesonderten Bankkonto bereithielt. Im Juli 2013 erbrachte der Kläger im Hinblick auf die drohende Nachzahlung eine freiwillige Zahlung in Höhe von 366.400 Euro an das Finanzamt (FA). Aus dem im September 2013 ergangen Einkommensteuerbescheid ergab sich ein Nachforderungsbetrag von ca. 390.000 Euro. Hierfür setzte das FA Nachzahlungszinsen von 0,5 % monatlich fest, die sich für den Zinszeitraum April 2013 bis September 2013 auf ca. 11.000 Euro beliefen. Dem Antrag des Klägers, die Zinsen zu erlassen, entsprach das FA nur insoweit, als es wegen der im Juli 2013 erfolgten freiwilligen Zahlung einen Erlass der Zinsen für August und September 2013 aussprach.
Kläger erhält dies für verfassungswidrig, weil eine derartige Verzinsung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde und auch unverhältnismäßig sei.
BFH segnet Zinspolitik des Finanzamts ab
Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz
Der BFH konnte keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG erkennen. Die Unterscheidung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern, so die Richter, beruht auf der zulässigen typisierenden Annahme, dass die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Steuerfestsetzungen zu potenziellen Zinsvor- oder -nachteilen führen können. Auch hinsichtlich der Zinshöhe verneint der BFH einen Gleichheitsverstoß. Denn innerhalb der Gruppe der zinspflichtigen Steuerpflichtigen wird bei allen Betroffenen der gleiche Zinssatz zugrunde gelegt.
Kein Verstoß gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Nach dem Urteil des BFH ist die Zinshöhe auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig. Da mit den Nachzahlungszinsen potenzielle Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen, hielt der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen für erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 % bewegten. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter 1 % gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat.
Die Richter haben also ihrer Betrachtung nicht darauf geachtet, welche Zinsen der steuerpflichtige für sein Kapital am Kapitalmarkt erzielen könnte, sondern wie viel er an Zinsen für einen entsprechenden Kredit hätte bezahlen müssen.
Da die Zinsen aus versteuerten Geld bezahlt werden müssen ist die effektive Zinsbelastung für den Steuerpflichtigen wesentlich höher als 6 % und bemisst sich nach dem individuellen Einkommensteuersatz, so dass schnell 10 % und mehr an Zinsen tatsächlich gezahlt werden müssen.