Um den überlebenden Ehegatten vor Pflichtteilsansprüchen der Nacherben zu schützen, wird in Berliner Testamenten oftmals eine Klausel verwendet, wonach derjenige Miterbe, der bereits beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt auch beim zweiten Erbfall lediglich einen Anspruch auf seinen Pflichtteil haben soll (sog. Pflichtteilsstrafklausel). Die Erbenstellung steht also unter der auflösenden Bedingung der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.
So setzen sich oft Ehegatten wechselseitig als Vorerben ein und bestimmen ihre beiden Kinder zu Nacherben zu gleichen Teilen. Zum Schutz des Überlebenden regeln sie weiter, dass dasjenige Kind, das vom überlebenden Ehegatten den Pflichtteil verlangt beim zweiten Erbfall seine Erbenstellung verliert und dort ebenfalls lediglich den Pflichtteil erhalten soll.
Das, was materiell-rechtlich recht einfach zu verstehen ist, weil die Klausel dann eingreift, wenn ein Nacherbe seinen Pflichtteil verlangt, stellt den Nacherben, der nunmehr durch das Fehlverhalten seines Miterben Alleinerbe geworden ist, formell-rechtlich vor das Problem, wie diese Alleinerbenstellung gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen werden muss, wenn zum Nachlass ein Grundstück zählt, das nunmehr umgeschrieben werden soll.
Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 27.05.2014 (I-15 W 144/13) entschieden, dass auch in derartigen Fällen selbst bei einem notariellen Testament der Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt nicht durch die notarielle Urkunde und ggf. ergänzende Vorlage von Belegen oder eine eidesstattliche Versicherung über das Pflichtteilsverlangen des Miterben, sondern nur durch einen Erbscheins geführt werden kann.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Der Beteiligte ist in der notariellen Urkunde der Erblasserin gerade nicht als Alleinerbe seiner letztverstorbenen Mutter, sondern lediglich als Miterbe neben seiner Schwester zu je ½ Anteil eingesetzt. Die Erbenstellung der Schwester ist dadurch auflösend bedingt, da sie nach dem Tode des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil verlangt hat. Ob diese auflösende Bedingung eingetreten ist, lässt sich der vom Grundbuchamt zu prüfenden notariellen Urkunde gerade nicht entnehmen, sondern muss aufgrund einer näheren Prüfung der tatsächlichen Vorgänge erst festgestellt werden. Eine solche Feststellung ist aufgrund des lediglich einseitigen Vorbringens des Beteiligten nicht möglich, mögen auch die von ihm vorgelegten Kopien in diese Richtung weisen. Die Rechtsprechung, dass eine Lücke des Nachweises für das in Anspruch genommene Erbrecht durch eine eidesstattliche Versicherung geschlossen werden kann, kann auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt, dass die Erbeinsetzung der Schwester durch Eintritt einer auflösenden Bedingung weggefallen und deren Erbteil ihm angewachsen ist, nicht übertragen werden. Die Prüfung, ob die Bedingung einer Pflichtteilsstrafklausel eingetreten ist, kann im Einzelfall schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen aufwerfen, die nur im Erbscheinsverfahren entschieden werden können, das gewährleistet, dass alle Beteiligten das rechtliche Gehör gewährt und die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen durchgeführt wird.“
Anmerkung:
Beim Pflichtteil handelt es sich um einen reinen Anspruch in Geld. Der Pflichtteilsberechtigte wird also nicht Miterbe. Die Höhe des Pflichtteils entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteil.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.