An dieser Stelle haben wir bereits des Öfteren von einem sog. AGG-Hopper berichtet, der nicht nur im Großraum München bei Arbeitsgericht und Zivilgericht aufgrund von Scheinbewerbungen auf fehlerhafte Stellenanzeigen versucht Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüche gegen potentielle Arbeitgeber durchzusetzen. Heute können wir von einem Urteil des Arbeitsgerichts München vom 27. Juni 2019 (5 Ca 12490/18) berichten, in dem er eine erneute Schlappe erlitten hat. Auch diesmal hielten die Richter seine Bewerbungen auf mehrere Stellenanzeigen, bei denen er eine Altersdiskriminierung geltend gemacht hat, für rechtsmissbräuchlich und haben bereits aus diesem Grund die Klage abgewiesen. Im Unterschied zu den bisherigen Verfahren, bei denen immer nur einige 1.000 € verlangt worden sind, wird die Niederlage für ihn schmerzhaft teuer, weil das Gericht aufgrund seiner hohen Forderungen den Streitwert mit 69.900 € festgesetzt hat. Allein die Gerichtskosten belaufen sich bei diesem Betrag auf 2.958,40 €.
Die Formulierung „Das dürfen Sie erwarten“ … „Ein motiviertes junges Team“ erregt Interesse des Scheinbewerbers
Der 1972 geborene Kläger, der sich gerne als gelernter Bankkaufmann darstellt, hat sich bei der Beklagten per E-Mail um mehrere von dieser auf Ihrer Homepage ausgeschriebene Stellen beworben. In einigen der Stellenausschreibungen war unter der Rubrik „Das dürfen Sie erwarten“ aufgeführt: „Ein motiviertes, junges Team“.
Nachdem die Beklagte dem Kläger eine Absage erteilt hatte, verlangte diese per E-Mail unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 2 AGG eine Zahlung in Höhe von € 48.000,- und Schadensersatz in Höhe von € 12.000,- gemäß § 15 Abs. 1 AGG. Zur Begründung bezog er sich auf die seiner Auffassung nach altersdiskriminierenden Stellenausschreibungen.
Da die Beklagte sich geweigert hatte bezahlen, und auch ein außergerichtlich unterbreitetes Angebot zur einvernehmlichen „kostengünstigen“ Erledigung der Angelegenheit abgelehnt hat, zog der Kläger erneut vor Gericht. Dort wollte er zuletzt nicht nur 54.000 € Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG und mindestens 1.500 € Schadenersatz, wobei er die Höhe ins Ermessen des Gerichts stellte, nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern zusätzlich wollte er auch noch festgestellt haben, dass die Beklagte verpflichtet sei ihm sämtliche künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund der unterlassen Einstellung bei der Beklagten entstanden sind und künftig entstehen werden für einen Zeitraum von einem halben Jahr, d. h. 18.000 € und das ganze natürlich alles zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit.
Bewerbungen fehlt die nötige Ernsthaftigkeit
Nachdem das Gericht die Klage hat bereits daran scheitern lassen, dass der Kläger keine Indiz Tatsachen dargelegt und bewiesen hat, die eine Benachteiligung wegen seines Alters hätten vermuten lassen, hat das Gericht seine Bewerbung auch als Scheinbewerbung eingestuft und diese als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht München a.a.O. insoweit ausgeführt:
„Darüber hinaus ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich nicht um ernsthafte Bewerbungen des Klägers handelte. Die geltend gemachten Ansprüche sind dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt.
Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern ein Kläger sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den -rechtshindernden – Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2 0 1 5 – 8 AZR 848/13 (A) -Rn. 26; 23. August 2012 – 8 AZR 285/11 – Rn. 37; 13. Oktober 2011 – 8 AZR 608/10- Rn. 54).
Bei Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend Folgendes:
a) Schon den Bewerbungs-E-Mails des Klägers vom 06.06.2018 sowie vom 25.08.2018 (Bl. 63 / Bl. 60 d.A.) lassen sich objektive Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben. Die Bewerbungen des Klägers sind nämlich gar nicht auf die ausgeschriebenen Stellen zugeschnitten. Der Kläger hat textgleiche, aus Versatzstücken zusammengesetzte, unstrukturierte E-Mails versandt, obwohl er sich auf wohl acht verschiedene Stellen beworben hat. Ein konkreter Bezug auf die Anforderungen in den konkreten Stellenausschreibungen ist den Bewerbungen nicht zu entnehmen. Der Kläger macht sich nicht einmal die Mühe, in seiner Bewerbung die einzelnen Stellenausschreibungen näher zu bezeichnen, er benennt sie ohne nähere Angabe in der Überschrift zur eigentlichen Bewerbung.
Die Bewerbungen sind damit nicht nur schlampig verfasst, sondern einfach so nichtssagend, dass der Schluss naheliegt, der Kläger hat es auf eine Absage geradezu angelegt.
b) Der Kläger hat bei der Geltendmachung seiner summenmäßig beträchtlichen Forderungen nach § 15 AGG in der E-Mail vom 03.09.2018 der Beklagten, noch bevor er näher auf die angebliche Altersdiskriminierung eingeht, sofort ein – verglichen mit seinen Forderungen – moderates Vergleichsangebot unterbreitet. Es ist gerichtsbekannt, dass der Kläger seit Jahren regelmäßig und in nicht unerheblichen Umfang AGG-Klagen – nicht nur vor dem Arbeitsgericht München – anstrengt und dabei überwiegend die Verfahren im Vergleichswege mit geringfügigen Entschädigungszahlungen abzuschließen versucht. Dies lässt den Schluss auf ein zielgerichtetes und systematisches Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde sich die Beklagte bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlauf des angedrohten Entschädigungsprozesses freiwillig auf eine vergleichsweise Entschädigungszahlung einlassen. Geschäftsmodell des Klägers ist es, auf die Anzahl der von ihm geführten Verfahren zu setzen mit der Erwägung, es werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben.“
Fazit:
Das lange Zeit gut funktionierte Geschäftsmodell des Klägers scheint mehr und mehr, jedenfalls dann, wenn potentielle Arbeitgeber wehrhaft sind, nicht zu funktionieren, weil zuletzt bereits mehrfach die Bewerbungen des Bankkaufmanns und das ganze Procedere, das danach kommt und immer dem gleichen Muster folgt, von Gerichten als rechtsmissbräuchlich eingestuft worden ist. Einziger Wermutstropfen für die betroffenen Beklagten ist die sekundäre Kostenhaftung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren besteht nämlich die Besonderheit, dass der Kläger bei Klageeinreichung keine Gerichtskosten einzahlen muss, sondern die Staatskasse versucht diese Kosten nach Abschluss des Verfahrens von der unterlegenen Partei anzufordern. Ist dies nicht von Erfolg gekrönt, beispielsweise, weil die Klagepartei vermögenslos ist, dann wendet sich die Justizkasse kurzerhand an die obsiegende Partei. Da in arbeitsgerichtlichen Verfahren die Besonderheit besteht, dass in erster Instanz keine Kostenerstattung stattfindet, besteht also für den im Prozess siegreichen Arbeitgeber nicht nur die Belastung mit den eigenen Anwaltskosten, sondern es besteht auch die Gefahr, dass am Ende des Tages, obwohl ihm das Gerichtsverfahren vom Kläger aufgezwungen worden ist, mit den Gerichtskosten belastet wird. Sein diesbezüglicher Erstattungsanspruch, der dann insoweit gegen den Kläger entsteht, ist dann nämlich wertlos. Diese Kenntnis mag auch der Grund gewesen sein, weshalb der Kläger diesmal – entgegen seinen bisherigen Gepflogenheiten – mit einer extrem hohen Forderung, die den Rechtsstreit kostspielig macht, eingestiegen ist, weil er weiß, dass am Ende des Tages ist nicht er, sondern doch der potentielle Arbeitgeber ist, der die Kosten zu tragen hat. Am Ende hat dann zwar keinen eigenen finanziellen Vorteil, aber gleichwohl demjenigen, der sich geweigert hat ihm freiwillig etwas zu bezahlen, einen nicht unerheblichen Schaden zugefügt.