Nun ist es also so weit. Der Streit um die Verwendung gendergerechter Sprache hat auch die Arbeitsgerichtsbarkeit erreicht. Am 07.09.2022 wird vor dem Arbeitsgericht Bonn eine Kündigungsschutzklage verhandelt, in dem der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe, einem von mehreren Sozialverbänden getragenen und zum Großteil aus Steuermitteln finanzierten Verein, der sich um Straftäter kümmert, dem der Vorstand kurz vor seinem Renteneintritt gekündigt hat. Dies deshalb, weil der Kläger sich beharrlich geweigert hat, von ihm verfasste Texte gendergerecht zu formulieren. Er hat die Weigerungshaltung unter anderem auch damit begründet, dass der Adressatenkreis der von ihm verfassten Texte sprachlich meist ohnehin eingeschränkt ist, und er deshalb die Verständlichkeit der Texte nicht unnötig verkomplizieren wolle.
Arbeitsrechtlich stellt sich nun erstmalig konkret die Frage, ob Arbeitgeber berechtigt sind Arbeitnehmer zur Verwendung einer gendergerechten Sprache zu zwingen und Arbeitnehmern, die dies kategorisch verweigern mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis gar zur Kündigung zu rechnen haben.
Direktionsrecht des Arbeitgebers
Nachdem wohl kaum in einem Arbeitsvertrag geregelt sein dürfte, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind zu gendern, könnte sich ein solcher Anspruch des Arbeitgebers allenfalls aus dem sog. Direktionsrecht ergeben. Darunter versteht man das Recht des Arbeitgebers die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeitsleistung, insbesondere aber die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, über das im Vertrag geregelte hinaus näher zu konkretisieren. Umgangssprachlich könnte man sagen, das es das Recht des Arbeitgebers ist seinen Arbeitnehmern etwas anzuschaffen, also Weisungen zu erteilen.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt aber nicht unbeschränkt. Es findet stets seine Grenze dort, wo dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit abverlangt wird, die diesem unzumutbar ist. Bezogen auf die Nutzung gendergerechten Sprache bedeutet dies nach Auffassung des Verfassers folgendes:
Verfassen allgemeiner Texte, die keinen Rückschluss auf den Autor zu lassen
Müssen im Unternehmen allgemeine Texte verfasst werden, die keinen Rückschluss auf den Verfasser zulassen, also beispielsweise Texte für den eigenen Internetauftritt, dann dürfte es vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst sein, dass er den Arbeitnehmer anweist, hier die Formulierungen so zu wählen, dass sie gendergerecht sind. Dies deshalb, weil es eine reine Unternehmerentscheidung ist, ob es in seinem Außenauftritt sich diesem, mit der deutschen Sprache nicht in Einklang stehenden Trend, anschließen möchte.
Verfassen von Texten, die den Mitarbeiter als Autor erkennen lassen
Möchte dagegen der Arbeitgeber den Mitarbeiter in einem von diesen verfassten Text namentlich als Autor nennen, dann würde es nach Auffassung des Verfassers nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst seien, zu verlangen, dass ein solcher Text in gendergerechten Sprache verfasst wird. Dies deshalb, weil ein Arbeitgeber damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift. Arbeitgeber dürfen nämlich von ihren Arbeitnehmern nicht verlangen, dass diese sich einer bestimmten Weltanschauung oder Ideologie unterwerfen. Da das Gendern aber eine der deutschen Sprache unbekannte Kunstform der sog. political correctness ist, damit also eine bestimmte Gesinnung zum Ausdruck gebracht wird, sind Arbeitgeber nicht berechtigt ein solches Bekenntnis von ihren Arbeitnehmern zu fordern.
Anmerkung:
Dass hier sofort eine Kündigung ausgesprochen wurde und nicht zuvor etwa eine Abmahnung liegt daran, dass es sich bei dem Arbeitgeber um einen sog. Kleinbetrieb handelt, also einem Betrieb, in dem weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dort findet das Kündigungschutzgesetzs keine Anwendung, so dass für eine auf das Verhalten des Arbeitnehmers gestützte Kündigung nicht zwingend eine Abmahnung vorausgegangen sein muss.
Das Grundgesetz selbst geendert übrigens auch nicht. So heißt es beispielsweise in Art. 3 Abs. 2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ein drittes Geschlecht wird von der Verfassung gerade nicht erwähnt. Von daher dürfte es zum Beispiel auch unzulässig sein, wenn eine Schule auf die Idee käme von ihren Schülern die Verwendung einer gendergerechten Sprache zu verlangen.