Die Lebenserwartung der Menschen in den Industrienationen steigt stetig. Ein höheres Lebensalter führt aber oft dazu, dass die gewonnenen Jahre nicht bei bester Gesundheit verbracht werden. Deshalb sind in den letzten Jahren ambulante Pflegedienste wie Pilze aus dem Boden geschossen. Diese Einrichtungen sind sicherlich für die betroffenen Menschen sehr nützlich. Insbesondere dann, wenn diese seriös arbeiten und nicht (nur) den eigenen wirtschaftlichen Vorteil vor Augen haben.
Da im Alter auch oft zunehmende Einsamkeit eine Rolle spielt, beschäftigt immer wieder die Frage die Gerichte, wie damit umzugehen ist, wenn Pflegepersonen plötzlich zu Erben der zuvor betreuten Person eingesetzt werden. Das OLG Frankfurt am Main hat in einem solchen Fall, in dem eine pflegebedürftige Frau die Leiterin des Pflegedienstes mittels notariellen Erbvertrag zu Alleinerbin bestimmt hatte mit Beschluss vom 12.05.2015 (21 W 67/14) einen solchen Erbvertrag wegen Verstoß gegen § 7 HGBP für nichtig erklärt und damit eine vorangegangene Entscheidung des zuständigen Nachlassgerichts, das einen zuvor erteilten Erbschein wieder eingezogen hat, bestätigt.
Die Erblasserin war ledig und kinderlos und wurde seit Jahren bis zu ihrem Tod von dem ambulanten Pflegedienst der späteren Erbin betreut. Diese hatte die Erblasserin bei einem Krankenhausaufenthalt kennengelernt und sie danach regelmäßig besucht, mit ihr gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche mit ihr zusammen Mittag gegessen.
Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die Erblasserin mit der Geschäftsführerin einen notariellen Erbvertrag, mit dem diese als ihre alleinige Erbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Geschäftsführerin auf der Grundlage des Erbvertrages einen Erbschein, der ihr vom Nachlassgericht erteilt wurde. Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 €.
Nachdem die Aufsichtsbehörde von dem Vorfall Kenntnis erlangt hatte, leitete diese gegen die Erbin ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoß gegen das Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) ein. Als Reaktion darauf zog das Nachlassgericht den Erbschein wieder ein. Die dagegen gerichtete Beschwerde der (vermeintlichen) Erbin blieb erfolglos.
Das OLG Frankfurt hat dies damit begründet, dass die Geschäftsführerin nicht Alleinerbin geworden sei, weil der Erbvertrag wegen Verstoß gegen § 7 HGBP nichtig sei.
Die Vorschrift untersagt es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von Betreuungs- und Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Pflegeleistungen versprechen oder gewähren zu lassen. Die Vorschrift erfasst ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung.
Die Regelung soll verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird und dient auch dazu deren Testierfreiheit zu sichern. Bei einer Erbeinsetzung liegt ein Verstoß allerdings nur dann vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolgt.
Hierfür besteht eine gesetzliche Vermutung, die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden kann. Diesen Beweis konnte die Erbin zur Überzeugung des Gerichts nicht erbringen. Zwar sei, so das Gericht, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen der Erbin und der Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung vorgelegen habe.
Es könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden habe. Eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung sei nicht erkennbar und dürfte in der vorliegenden Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.
Anmerkung:
Die Erbeinsetzung von Pflegepersonen ist nur eine von unterschiedlichen Möglichkeiten, wie Pflegepersonal die zum Lebensende der betreuten Person erlangte Vertrauensstellung zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausnutzen kann. Aus unserer Berufspraxis sind uns auch andere Fälle bekannt. So beispielsweise der eines Gaunerpärchens, das sich im Oberland darauf spezialisiert hat, mittels Kleinanzeigen vermögende Senioren, die an Demenz erkrankt sind, im Rahmen einer 24-Stunden-Pflege zu versorgen. Der weibliche Part des Duos, der sehr eloquent ist, gibt sich, um Vertrauen zu gewinnen, als examinierte Krankenschwester aus. Da in den meisten Fällen im Haushalt keine Bestandsaufnahme durchgeführt wird, bevor zunächst eine, dann irgendwann beide Pflegekräfte mit Sack und Pack bei den zu betreuenden Senioren einziehen und sich an Demenz erkrankte Menschen regelmäßig kaum zur Wehr setzen können, ist der Schwund im Hausstand erheblich. So erheblich, dass das Duo sogar eine Scheune angemietet hat, um die im Laufe der Jahre entwendeten Sachen unterzustellen. Wer nun meint, dass seitens der Behörden dem Treiben ein schnelles Ende zu bereiten wäre, der irrt. Obwohl das zuständige Landratsamt beiden bereits wegen Unzuverlässigkeit die Erlaubnis zur Altenpflege entzogen hat und der zunächst in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Pflegedienst insolvent ist, sind die beiden nach wie vor am Markt auf der Suche nach neuen Opfern. Es werden nicht nur die Senioren bestohlen, sondern auch die eigenen Gläubiger betrogen.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.