Wird ein Rechtsanwalt vor Klageeinreichung außergerichtlich für den Kläger tätig, dann fällt hierfür eine Geschäftsgebühr an. Diese wird regelmäßig als Nebenforderung im Klageverfahren mit eingeklagt. Wird der Rechtsstreit durch Urteil entschieden, dann reduziert sich die im Gerichtsverfahren angefallene Verfahrensgebühr durch hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr, § 15a RVG. Dies ist im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu berücksichtigen. Wird der Rechtsstreit dagegen nicht durch Urteil, sondern durch Vergleich beendet, weil der Beklagte sich verpflichtet zur Abgeltung der streitgegenständlichen Forderungen einen bestimmten Betrag zu bezahlen, findet eine solche Anrechnung nicht automatisch statt. Eine Anrechnung kann nur dann erfolgen, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist. Dies wurde nunmehr vom Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 01.08.2012 (11 W 1127/12) in einem von unserer Kanzlei geführten Rechtsstreit nochmals klargestellt, bei dem die Beklagtenseite sich lediglich zur Zahlung eines Pauschalbetrags zur Abgeltung der streitgegenständlichen Forderungen verpflichtet hatte, ohne nach Hauptforderung und Nebenforderung zu differenzieren.
Die Richter führten dazu aus:
„Enthält ein Vergleich keine ausdrückliche Regelung dazu, inwieweit damit vorgerichtliche und miteingeklagte Anwaltsgebühren abgegolten sind, stellt er keinen Vollstreckungstitel für die Geschäftsgebühr gegen den Dritten dar. Nur dann, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist, kann konkret festgestellt werden, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist (BGH, a.a.O., Tz 12 f.). Ergänzend wird auf die aktuelle und instruktive Darstellung bei Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., § 15 a Rdnr. 44 ff., insbesondere Rdnr. 51, hingewiesen: Es genügt gerade nicht, wie die Beklagte meint, dass der Vergleich in der genannten Hinsicht offen ist, vielmehr verlangt der BGH unmissverständlich eine klare Regelung hinsichtlich des Schicksales der ursprünglich eingeklagten Geschäftsgebühr. Nur in diesem Falle kann sie angerechnet werden (s. ferner auch Senatsbeschl. vom 11.07.2012 – 11 W 760/12, unter II. 2. m.w.N.).“
Hier finden Sie den vollständigen Text des Beschlusses.
Hinweis:
Wenn also der Anwalt auf Beklagtenseite beim Vergleichsschluss nicht darauf geachtet hat, dass hinsichtlich der Geschäftsgebühr in den Vergleich eine eigenständige Regelung mit aufgenommen wird, muss die Beklagtenpartei nicht nur die Quote ihres Unterliegens aus der hälftigen Verfahrensgebühr, sondern aus der ganzen Verfahrensgebühr bezahlen. Die Differenz könnte einen Schadensersatzanspruch gegen den unachtsamen Rechtsanwalt auslösen.