Das deutsche Erbrecht bietet mit der Vor- und Nacherbschaft eine Möglichkeit, das Vermögen über Generationen hinweg zu steuern. Doch nicht immer ist der Vorerbe mit dieser Rolle einverstanden. In manchen Fällen erscheint es wirtschaftlich sinnvoller, das Erbe auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil zu verlangen. Eine zentrale Frage ist dabei, ob der Erblasser durch testamentarische Regelungen anordnen kann, dass sich der Pflichtteilsanspruch des Vorerben nicht gegen den Nachlass, sondern ausschließlich gegen die Nacherben richtet. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte, die dabei zu beachten sind.
1. Ausschlagung der Vorerbschaft und Geltendmachung des Pflichtteils
Wer im Rahmen eines Testaments lediglich zum Vorerben berufen ist, der sollte stets prüfen, ob es für ihn am Ende nicht attraktiver ist, auf die Erstellung eines Vorerben zu verzichten, also das Vorerbe auszuschlagen und stattdessen den Pflichtteil zu beanspruchen.
a) Was bedeutet die Ausschlagung der Vorerbschaft?
Ein Vorerbe ist nicht frei in seiner Verfügung über den Nachlass. Vielmehr unterliegt er den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 BGB. Diese Einschränkungen können für den Vorerben eine Belastung darstellen, insbesondere wenn er keinen tatsächlichen Nutzen aus der Erbschaft ziehen kann. In einem solchen Fall steht ihm die Möglichkeit offen, die Erbschaft auszuschlagen und stattdessen seinen Pflichtteil geltend zu machen.
Die Ausschlagung muss gemäß § 1944 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Hat der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland oder hält sich der Vorerbe bei Erbfall im Ausland auf, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Ausschlagung kann nur persönlich beim Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form erklärt werden (§ 1945 BGB).
b) Folgen der Ausschlagung für den Vorerben
Mit der Ausschlagung entfällt die Stellung als Erbe. Der Nachlass fällt dann unmittelbar an den Nacherben, der dadurch zum Vollerben wird. Der ausgeschlagene Vorerbe hat in diesem Fall aber nach § 2303 BGB Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen den Nachlass.
2. Kann der Erblasser die Pflichtteilsverpflichtung auf den Nacherben verlagern?
Die Pflichtteilsansprüche richten sich grundsätzlich gegen den Nachlass. Manchmal versuchen Erblasser dies dadurch zu verhindern, dass sie im Testament regeln, dass die Pflichtteilsansprüche sich nicht gegen den Nachlass richten sollen, sondern nur gegen den Nacherben, der nun Schlusserbe geworden ist.
a) Gesetzliche Grundlage der Pflichtteilsansprüche
Der Pflichtteilsanspruch ist in § 2303 BGB geregelt und schützt den Pflichtteilsberechtigten davor, durch testamentarische Anordnungen gänzlich von der Erbfolge ausgeschlossen zu werden. Es handelt sich um einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch, der sich gegen den oder die Erben richtet.
Grundsätzlich haftet der Erbe für den Pflichtteil mit dem gesamten Nachlass (§ 1967 Abs. 2 BGB). Fraglich ist, ob ein Erblasser durch eine testamentarische Regelung bestimmen kann, dass die Pflichtteilsansprüche des ausgeschlagenen Vorerben ausschließlich von demjenigen getragen werden, der durch die Ausschlagung zum Vollerben wird (dem ehemaligen Nacherben).
b) Testamentarische Anordnung und ihre Grenzen
Testamentarische Anordnungen, die das Innenverhältnis der Erben untereinander regeln, sind grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, NJW 2000, 2286) kann ein Erblasser in seinem Testament festlegen, dass die Pflichtteilsverpflichtung in einem bestimmten Verhältnis unter den Erben aufgeteilt wird. Solche Regelungen binden jedoch nur die Erben untereinander und entbinden den Nachlass als Ganzes nicht von der Pflichtteilsverbindlichkeit.
Der Pflichtteilsberechtigte kann also seinen Pflichtteil stets gegen den Nachlass insgesamt geltend machen. Er ist nicht an testamentarische Verfügungen gebunden, die ihn auf eine Inanspruchnahme nur eines bestimmten Erben beschränken wollen. Sollte der Erblasser eine solche Regelung getroffen haben, hat sie lediglich eine Bedeutung für das Innenverhältnis der Erben untereinander, nicht aber für die Pflichtteilsberechtigten.
c) Risiken und Konsequenzen für die Erben
Falls die testamentarische Regelung vorsieht, dass der ehemalige Nacherbe allein für die Pflichtteilslast aufkommen soll, kann dieser von den anderen Erben einen internen Ausgleich verlangen. Dies könnte auf den Grundsatz des § 426 BGB (Gesamtschuldnerausgleich) gestützt werden. Eine anderweitige Verpflichtung im Testament kann aber auch die Annahme einer letztwilligen Auflage (§ 1940 BGB) oder eines Vermächtnisses (§ 2174 BGB) begründen.
Fazit
Die Ausschlagung der Vorerbschaft zugunsten des Pflichtteils kann für den Vorerben eine attraktive Option sein, wenn die Beschränkungen des Vorerbenrechts zu groß sind. Allerdings kann der Erblasser nicht wirksam anordnen, dass der Pflichtteil ausschließlich vom Nacherben zu zahlen ist. Eine solche Regelung bindet nur die Erben untereinander, nicht aber den Pflichtteilsberechtigten. Dieser kann seinen Pflichtteilsanspruch gegen den gesamten Nachlass geltend machen. Für eine sinnvolle Nachlassplanung empfiehlt es sich daher, alternative Gestaltungen wie Pflichtteilsstrafklauseln oder Pflichtteilsverzichtsvereinbarungen zu prüfen, um eine Belastung der gewünschten Erben zu minimieren. von daher sollten all diejenige, die sich Gedanken dazu machen, wie Sie Ihren Nachlass auf die nächste Generation verteilen, dies nicht hemdsärmelig selbst machen, sondern fachkundige Beratung in Anspruch nehmen. Wir unterstützen Sie mit unserer langjährigen Erfahrung und Expertise gerne, bundesweit.