Auch, wenn das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten in § 2314 BGB umfangreiche Auskunftsansprüche gegen den Erben einräumt, steht der Pflichtteilsberechtigte oft vor dem Problem, wenn er keinerlei eigene Kenntnis vom Bestand und Umfang des Nachlasses hat, vorläufig einen Teilzahlungsanspruch zu beziffern. Eine Möglichkeit, sich schnell einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen, kann Einsicht in die Nachlassakte verschaffen. Ein solches Einsichtsrecht steht auch dem Pflichtteilsberechtigten neben seinem Auskunftsanspruch gegen den Erben zu, wie das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 26.08.2016 (15 W 73/16) entschieden hat.
Auch der Pflichtteilsberechtigte ist Verfahrensbeteiligter im Nachlassverfahren
Verfahrensbeteiligter im Eröffnungsverfahren ist derjenige, der nach § 348 Abs. 2 und 3 FamFG zum Termin zu laden bzw. von dem Inhalt der Verfügung von Todes wegen zu benachrichtigen ist. Diese Beteiligten sind mangels einer ausdrücklichen Regelung in § 348 FamFG bzw. § 345 FamFG materiell-rechtlich zu bestimmen. Beteiligte sind danach alle Personen, denen durch die letztwillige Verfügung ein Recht genommen oder gewährt wird. Dazu gehört der Pflichtteilsberechtigte, weil sein gesetzliches Erbrecht durch die eröffnete letztwillige Verfügung ausgeschlossen worden ist. Gemäß § 13 Abs. 1 FamFG steht ihm danach ein Recht auf Einsicht in alle schriftlichen Unterlagen, die zu dem vom Gericht zu würdigenden Verfahrensstoff gehören, zu. Von diesem Recht ist der ausgefüllte Wertfragebogen nicht ausgenommen. Der Pflichtteilsberechtigte hat ein berechtigtes Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen, weil dies sein Vorgehen gegen den Erben und Pflichtteilsschuldner beeinflussen kann. Dass die Aufstellung in der Nachlassakte für einen anderen Zweck, der Ermittlung des Geschäftswerts, vom Nachlassgericht verlangt und vom Erben erstellt wurde, steht einem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.08.2011, 6 W 206/11).
Auskunftsanspruch gegen den Erben nach § 2314 BGB schließt das Recht auf Einsicht in die Nachlassakte nach § 13 Abs. 1 FamFG nicht aus
Dem Recht auf Einsicht in die Nachlassakte steht auch nicht entgegen, dass der Pflichtteilsberechtigte andere Möglichkeiten hat, sich Kenntnis über den Nachlassbestand zu verschaffen, insbesondere einen unmittelbaren Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB gegen den Erben und Schuldner des Pflichtteilsanspruchs hat. Ein schutzwertes Interesse der übrigen Beteiligten, die Nachlassaufstellung von der Akteneinsicht auszunehmen, ist nach Auffassung der OLG Richter nicht zu erkennen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.