Im sog. Berliner Testament setzen sich regelmäßig Ehegatten wechselseitig zu Erben ein und bestimmen ihre Kinder als Schlusserben. Eine solche Regelung bedeutet, dass die Kinder bei Eintritt des ersten Erbfalls enterbt sind und damit Pflichtteilsansprüche gegen den überlebenden Ehegatten geltend machen könnten. Um dies zu verhindern, wird oft eine sog. Pflichtteilsstrafklausel verwendet, also eine Klausel die regelt, dass dann, wenn ein Kind bei Eintritt des ersten Erbfalls den Pflichtteil geltend macht, es auch beim zweiten Erbfall nicht erben soll, so dass ihm auch dort lediglich der Pflichtteil zusteht.
Wer so testiert, der sollte stets vor Augen haben, dass wechselbezügliche Verfügungen nach Eintritt des ersten Erbfalls nicht mehr geändert werden können. Macht also ein Kind trotz bestehender Pflichtteilsstrafklausel den Pflichtteil geltend, was automatisch zur Enterbung auch beim zweiten Erbfall führt, dann kann die überlebende Ehegatte aufgrund dieser Bindungswirkung dies nicht durch das Abfassen eines neuen Testaments verhindern. Dies gilt auch dann, wie das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 28.02.2013 (Az.: I-10 U 71/12) bestätigt hat, wenn der Pflichtteil für ein Kind nicht von diesem selbst, sondern vom Sozialhilfeträger geltend gemacht worden ist.
Im entschiedenen Fall hatten sich zunächst die Eltern in einem sog. Berliner Testament wechselseitig zu Alleinerben und ihre 4 Töchter zu Schlusserben eingesetzt. Eine der Töchter war behindert und lebte dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung. Nach Eintritt des ersten Erbfalls hatte der Sozialträger von der überlebenden Mutter für das behinderte Kind den Pflichtteil verlangt.
Um zu verhindern, dass der Sozialträger auch bei ihrem Ableben gegen die verbliebenen 3 Schwestern als Erbinnen den Pflichtteil geltend macht, hat die Mutter dann ein weiteres Testament verfasst in dem wiederum die 4 Töchter als Erbinnen eingesetzt worden sind, aber mit der Besonderheit, dass die behinderte Tochter nur Vorerbin und die 3 anderen Töchter bezüglich dieses Erbteils Nacherbinnen sein sollten (sog. Behindertentestament).
Als die Mutter verstarb hat der Sozialträger von den 3 Töchtern den Pflichtteil verlangt und sich dabei darauf berufen, dass aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel sowie der Geltendmachung des Pflichtteils beim ersten Erbfall die behinderte Tochter auch im zweiten Erbfall als enterbt gilt, so dass ihr der Pflichtteil zusteht. Nachdem die 3 Schwestern sich darauf berufen haben, dass ihre behinderte Schwester wegen des neuerlichen Testaments der Mutter nicht enterbt ist, sondern Vorerbin wurde, so dass kein Pflichtteilsanspruch entstanden sei, hat der Sozialträger die Schwestern verklagt und aus den vorgenannten Gründen im Ergebnis recht bekommen. Das Gericht hat dabei darauf abgestellt, dass aufgrund der Bindungswirkung des Berliner Testament die Mutter nicht mehr berechtigt gewesen sei nach dem Ableben des Vaters anderweitig zu testieren, so dass die behinderte Tochter auch im zweiten Erbfall als enterbt gilt.
Anmerkung:
Der vorliegende Fall macht einmal mehr deutlich, dass eine Testamentsgestaltung von Anfang an gut durchdacht und alle Eventualitäten mit berücksichtigt werden müssen, da andernfalls nachträglich unliebsame Folgen oft nicht mehr korrigiert werden können. Dies kann meist nur durch eine gute und fachkundige Beratung erreicht werden.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
Die Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei machen auf Wunsch auch Hausbesuche in Bad Tölz, Geretsried, Penzberg, Wolfratshausen und Starnberg.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.