Großeinsatz der Polizei am Golfplatz Bergkramerhof in Wolfratshausen am vergangenen Samstag. Eine Hundertschaft aus München mit zahlreichen Mannschaftswagen war angerückt, um nicht etwa Jagd auf Terroristen oder Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu machen, sondern Ziel des Einsatzes waren Bürgerinnen und Bürger, die der Ankündigung des umtriebigen Betreibers und Präsidenten, Dr. Josef Hingerl, nur allzu gerne gefolgt waren, an diesem Tag am Bergkramerhof die Golfsaison 2021 zu eröffnen, also kollektiv die Rückgabe ihrer Grundrechte einzufordern.
Hingerl hatte nicht etwa heimlich die Anlage geöffnet, sondern wie bereits im ersten Lockdown im Mai 2020, den bewussten formellen Rechtsverstoß in zwei offenen Briefen vom 19. und 24.Februar 2021 unter der Überschrift „Mir reicht‘s zum zweiten Mal“ an Ministerpräsident Dr. Markus Söder angekündigt. Zusätzlich hatte er sich noch mit einer Videobotschaft, halb Gerhard Polt, halb Bauerntheater, an Söder und die Kanzlerin gewandt und die Rückgabe der Grundrechte an mündige Bürger gefordert. Er hatte dabei nicht nur damit argumentiert, dass er die Regelung in der entsprechenden Infektionsschutzverordnung, die zu einer Schließung der Golfplätze in Bayern am 03.12.2020 geführt hat, schon immer für verfassungswidrig gehalten habe, jedenfalls diese aber jetzt aufgrund der gesunkenen Infektionszahlen im Landkreis nicht mehr haltbar und damit verfassungswidrig geworden sei. Für ihn, so Hingerl, sei auch kein stichhaltiger Grund nachvollziehbar, weswegen Bayern hier eine Sonderrolle beschreitet, da in allen anderen Bundesländern (Ausnahme Sachsen, bezeichnenderweise auch ein Freistaat) die Golfplätze längst wieder geöffnet sind. Hingerl hat Söder auch explizit aufgefordert die erneute Öffnung entgegen den Vorgaben der aktuell gültigen Verordnung dadurch zu verhindern, dass er das Landratsamt Bad Tölz Wolfratshausen als zuständiger Behörde anweisen möge, ihm endlich den angekündigten Bußgeldbescheid für seinen formellen Rechtsverstoß aus dem Mai 2020 zuzustellen. Nur so habe er die Möglichkeit, die behördliche Entscheidung einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle, nötigenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht, zuzuführen.
Statt Bußgeldbescheid kommt Polizeigroßaufgebot
Der Bußgeldbescheid, aber auch eine rechtsmittelfähige Einstellungsverfügung, die er gefordert hatte, wenn die erneute Öffnung des Golfplatzes verhindert werden solle, kam nicht. Statt eines Bescheids wurde ein Großaufgebot an Münchener Polizei nach Wolfratshausen geschickt. Hingerl selbst hatte bereits um 07:30 Uhr einen Termin mit der örtlichen Polizei zur Aufnahme eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens vereinbart, so dass sich der Einsatz am Nachmittag nicht gegen ihn, sondern golfspielende Bürger und Bürgerinnen gerichtet hat, die beherzt an diesem Tag die Rückgabe ihrer Grundrechte eingefordert und eine weitere Bevormundung abgelehnt hatten.
Nachdem die Golfer und Golferinnen nur allein oder zu zweit in einem zeitlichen Abstand von mindestens 8 Minuten auf dem Golfgelände unterwegs waren, führte das Überangebot an Polizeibeamten dazu, dass die meist älteren Freizeitsportler bei der Kontrolle von mehreren Polizeibeamten umstellt wurden. Dann wurden sie darüber belehrt, dass Golfspielen verboten sei, sie eine Ordnungswidrigkeit begangen hätten und deshalb nun eine Anzeige erfolgen würde, die einen Bußgeldbescheid durch das Landratsamt zur Folge hätte. Weiter wurde darüber belehrt, dass auch die Angabe eines falschen Namens eine weitere Ordnungswidrigkeit sei. Anschließend wurden die Betroffenen des Platzes verwiesen, also ein Platzverweis erteilt. Die Rede ist von 16 Anzeigen, die dem Landratsamt weitergeleitet werden. Es wurde auch davon berichtet, dass der eine oder andere Golfer, den im Angesicht des Polizeieinsatzes der Mut verlassen hat oder einfach keine Lust auf Diskussionen hatte, in den Wald geflüchtet sei. Golf ist aber ein Individualsport iSv § 10 Abs. 1 der 11. Infektionsschutzverodnung und damit per se gerade nicht verboten, so dass die Belehrung insoweit bereits unzutreffend gewesen ist. Aufgrund unklarer, widersprüchlicher Regelungen der Staatsregierung in Abs. 3 dürften Bürger überall den Individualsport Golf ausüben, nur nicht auf eigen dafür gebauten Golfanlagen….
Ein Augenzeuge, dessen Aussage uns in Textform vorliegt, hat berichtet, dass die von ihm gestellte Frage nach der Befugnis (Anmerkung: die Polizei darf immer nur dann einschreiten, wenn seine Aufgaben eine Befugnis hat) nicht beantworten konnte. Er hat auch berichtet, dass als er dem Platzverweis Folge leistete und gerade dabei war sich Richtung Parkplatz zu begeben, er erneut von einer anderen Gruppe von Polizeibeamten kontrolliert werden sollte. Sein Hinweis darauf, dass gerade die Kollegen seine Personalien aufgenommen hätten, er also bereits registriert sei, hat nach seiner Aussage dazu geführt, dass er zunächst von einem Polizeibeamten so laut angeschrien wurde, dass er nach eigener Aussage ernsthaft befürchtet hatte, jetzt gleich in Handschellen gelegt zu werden. Die Situation ist dann allerdings durch andere Polizeibeamte aus der Gruppe deeskaliert worden, die den Kollegen mit den schwachen Nerven beruhigt und sich nach Aussage des Betroffenen dann noch verständnisvoll mit dem Betroffenen über die Probleme des Lockdowns für Kinder, Familien, die Gesellschaft und die Wirtschaft unterhalten hätten…
Das Landratsamt hat sich übrigens dahingehend zu dem Vorwurf des bewussten Vorenthaltens eines Bußgeldbescheids geäußert, dass dies nicht der Fall sei, sondern vielmehr beim Landratsamt unbearbeitet Ordnungswidrigkeiten wegen Coronaverstößen im 4-stelligen Bereich herumliegen würden und Hingerl sich sicher sein könne, dass er seinen Bußgeldbescheid schon noch bekommen werde, wenn er an der Reihe sei…. Dann bekommt er also jetzt zwei Bußgeldbescheide, die auf unterschiedliche Verordnungen gestützt werden und kann damit doppelt vor Gericht ziehen.
Betreiber schließt Golfplatz selbst wieder
Eine Schließungsverfügung ist nicht ergangen. Die Maßnahme hat sich damit ausschließlich gegen die Golfspieler gerichtet. Um 16:47 Uhr hat der Betreiber dann die Golfanlage wieder selbst geschlossen und den Golfplatz erneut zum Teil der freien Natur erklärt, den er für die Bevölkerung zur Nutzung und Erholung zur Verfügung stellt. Anschließend ist er selbst in die freie Natur gegangen. Eine Selbstanzeige, weil er nicht nur laufen, sondern dabei auch einen Golfball spielen wollte, wollte nun die Polizei nicht aufnehmen.
Am gestrigen Sonntag war dann wieder Polizei am Bergkramerhof. Diesmal aber kein Großaufgebot aus MUC mehr, sondern wohl nur einige Polizeibeamte aus Wolfratshausen, die nett und höflich golfspielende Spaziergänger nach ihren Kontaktdaten befragt haben. Als Begründung wurde angegeben, dass das Landratsamt geschlossen sei und man nicht wisse, wie man mit der Situation umgehen solle. Platzverweise wurden jedenfalls keine mehr ausgesprochen.
Kommentar und rechtliche Hintergründe
Persönliche Meinung des Verfassers
Dr. Hingerl ist eine Person, die polarisiert. Für die einen ist er ein Held, der für die Freiheitsgrundrecht eintritt, für die anderen ein unbelehrbarer Querulant und Wiederholungstäter. Während beispielsweise die 15-jährige Tochter des Verfassers, die nicht nur selbst leidenschaftliche Golfspielerin ist, sondern als Kind/Jugendliche zu den Personen zählt, die die Hauptleittragenden der Pandemielage und des damit einhergehenden ungenügenden Krisenmanagements der politischen Entscheidungsträger sind, ist er ein Held („Der Mann ist eine Legende“), während der Präsident des Bayerischen Golfverbands, Arno Malte Uhlig, der zwar selbst die Schließung der Golfplätze in Bayern für nicht gerechtfertigt erachtet, sich aber bislang recht erfolglos für deren Öffnung bemüht hat, sich in seinem Mitgliederschreiben vom 23. Februar 2021 dahingehend äußert, dass es sehr schade wäre, „wenn durch egoistisches Verhalten einiger weniger das Vertrauen, das wir bei der Politik für unseren Sport aufgebaut haben, wieder zerstört wurde“ und die Presse doch nur darauf warten würde, „über uns und unseren Sport negativ berichten zu können.“ Die Frage der Zulässigkeit einer sportlichen Betätigung im Freien und unter Beachtung der Abstandsregeln, die grundrechtlich garantiert ist, wird hier offensichtlich als Frage des politischen Taktierens und des Umgangs mit den Medien verstanden und nicht als Beseitigung eines Grundrechtseingriffs.
Allein diese beiden unterschiedlichen Auffassungen „Legende vs. egoistisches Verhalten“ macht deutlich, dass „Einigkeit, Recht und Freiheit …“ wie es in der Nationalhymne vorgegeben wird, mit der deutschen Wirklichkeit nur noch wenig zu tun hat. Man kann über die Person des Dr. Hingerl und seiner Methoden geteilter Meinung sein. Was man ihm aber sicherlich nicht vorwerfen kann ist, dass er ein ignoranter Dumm- oder Sturkopf wäre. So also beispielsweise in der Lokalpresse zu lesen ist, dass der Fall doch klar sei, denn ebenso wie man eine rote Ampel beachten müsse, gleichgültig ob Verkehr kommt oder nicht, müsse man eben auch hier stillhalten und die staatlich vorgegebenen Regelungen beachten, Ist dies enttäuschend schwach. Zeigt es doch, dass der Verfasser nur rudimentäre Rechtskenntnisse besitzt. So ein anderes Blatt gar meint, dass er schließlich bereits schon erfolglos versucht habe, die Verordnung selbst zu Fall zu bringen und damit gescheitert sei, so dass man gar nicht wisse, was er mit seiner Argumentation bezwecke, so deutet auch dies auf oberflächliche Recherche und juristisches Halbwissen, das die Problematik nicht wirklich erfassen hin. Mit einer solchen Berichterstattung wird die Presse nur unzureichend ihrer in den Pressegesetzen verankerten öffentlichen Aufgabe kritisch zu hinterfragen und zur Meinungsbildung beizutragen, also faktisch die Aufgabe einer 4. Gewalt im Staat wahrzunehmen, gerecht.
Zur Rechtslage
Zweifel an Verfassungsmäßigkeit der Regelung sind nach Meinung des Verfassers berechtigt
Ausgangspunkt ist § 10 der 11. BayIdSV, nach dessen Abs. 1 die Ausübung von Individualsportarten unter Beachtung der Kontaktbeschränkungen erlaubt ist. Nachdem also Golf ein Individualsport ist, ist das Golfspielen per se in Bayern gerade nicht verboten. Diese Auffassung vertritt auch der Bayerische Golfverband.
In Abs. 3 der Vorschrift ist dann allerdings geregelt, dass Betrieb und Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderen Sportstätten untersagt ist.
Losgelöst davon, dass diese Regelung bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil hier nicht hinreichend differenziert wird, zwischen Sport im Freien und Sport in geschlossenen Räumen, führt das Zusammenspiel der beiden Regelungen dazu, dass man zum Ergebnis gelangen müsste, dass der Golfsport zwar ausgeübt werden kann, aber nicht auf Golfplätzen, sondern anderswo, also beispielsweise in öffentlichen Parks, auf Wiesen, Weiden, wo auch immer, nur eben nicht auf Golfplätzen. Losgelöst von den Gefahren für Passanten, die von fliegende Golfbällen ausgehen können, wenn nun kraft staatlicher Regelung die Golfer die Parkanlagen für sich entdecken, wäre es doch ein seltsam anmutendes Ergebnis, dass beispielsweise auf einer Wiese, die an den Golfplatz angrenzt, problemlos Bälle geschlagen werden dürfen, auf dem extra dafür gebauten Platz aber nicht …
Es ist also so, dass allein vom Regelungsgehalt aufgrund der damit verbundenen Widersprüchlichkeit bereits berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Vorschrift bestehen. Hinzu kommt, dass die Regelung sowohl im Hinblick auf das Willkürverbot weiteren rechtlichen Zweifeln unterliegt, weil dieses nicht nur verbietet, dass vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt werden, wenn kein sachlicher Differenzierungsgrund vorliegt, sondern ebenso verbietet, dass ungleiche Sachverhalte willkürlich gleich behandelt werden. Die Nennung von Tanzschulen im gleichen Atemzug mit Sportstätten, so man einen Golfplatz überhaupt als Sportstätte qualifizieren möchte, auch darüber ließe sich streiten, verdeutlicht bereits, dass hier etwas, was völlig unterschiedlich ist, über einen Kamm geschoren, also willkürlich gleichbehandelt wird. Hinzu kommt, dass die Regelung für Betreiber von Golfanlagen in das Grundrecht der Berufsfreiheit und für Golfspieler und Golfspielerinnen in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, vielleicht sogar auch in das Eigentumsgrundrecht, Art. 14 Abs. 1 GG, eingreifen kann. Letzteres deshalb, weil durch eine Sperre der Golfanlage gezahlte Mitgliedsbeiträge entwertet werden, also eine erworbene Eigentums kräftig verfestigte Anspruchsposition entwertet wird.. All diese Eingriffe in die Freiheitsrechte müssen verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und vor allen Dingen angemessen sein. Dass dies, jedenfalls jetzt, wo sich Krankenstation leeren und Inzidenzzahlen zurückgehen nicht mehr der Fall ist, hat übrigens der Verordnungsgeber an versteckter Stelle selbst in seine Verordnung geschrieben, nämlich in § 26. Dort ist nämlich geregelt, dass dann, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt der Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen innerhalb von 7 Tagen nicht überschritten wird und die Entwicklung des Inzidenzwertes eine sinkende Tendenz hat die zuständige Kreisverwaltungsbehörde, dies ist in Bayern das Landratsamt, im Einvernehmen mit der Regierung durch Allgemeinverfügung Abweichungen, also Lockerungen, von der Verordnung eigenständig vornehmen kann. Nachdem im Landkreis Bad Tölz Wolfratshausen aber der Inzidenzwert unter 50 liegt, wäre wohl aus diesem Grund eine Lockerung überfällig. Das Wort „kann“ bedeutet dabei nämlich nicht, dass die Behörde in ihrer Entscheidung völlig frei wäre, sondern sie muss ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen ausüben. Keine Entscheidung zu treffen ist ein Ermessensfehler in Form eines sogenannten Ermessensnichtgebrauchs.
Als Zwischenergebnis können wir also festhalten, dass es gute Argumente dafür gibt, dass die geltende Regelung nicht nur rechtswidrig, sondern verfassungswidrig und damit nichtig ist. Das vorgenannte Beispiel mit dem überfahren einer roten Ampel, dass der Unterzeichner erst heute im Onlineauftritt einer Tageszeitung gelesen hat, ist damit eine schlecht durchdachte Themenverfehlung, denn zum einen ist eine Ampelanlage schon keine Rechtsverordnung, sondern ein Verwaltungsakt und zum anderen wird bei einer roten Ampel ja auch niemand behaupten, selbst wenn kein Verkehr kommt, sie sei verfassungswidrig, wie dies vorliegend aber von Dr. Hingerl zur Rechtfertigung seines Vorgehens angegeben wird.
Bewusster Verstoß öffnet Hintertür im Rechtsschutz
Auch diejenigen, die damit argumentieren, er habe ja bereits erfolglos versucht, die Verordnung direkt anzugreifen und sei damit krachend gescheitert, haben offensichtlich das System nicht richtig verstanden.
Coronaschutzverordnungen sind aufgrund ihrer Kurzlebigkeit nur schwer direkt angreifbar
Es ist nämlich so, dass eine Verordnung kein richtiges Gesetz im eigentlichen Sinn ist, sondern es handelt sich um ein Gesetz im nur materiellen Sinn. Dies deshalb, weil die Verordnung nicht von der Legislative stammt, sondern von der Exekutive. Eine Verordnung ist also nichts anderes wie eine Regierungsentscheidung. Solche Verordnungen können, wenn Verstöße gegen Bundesgrundrechte geltend gemacht werden, mit einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO und, wenn Verstöße gegen Bayerische Grundrechte geltend gemacht werden, in Bayern auch noch zusätzlich mit einer Popularklage nach 98 S. 4 BV direkt angegriffen werden. Soweit die Theorie.
Die Praxis ist aber die, dass im Rahmen der Pandemie sich das System der Kettenverordnung etabliert hat, also das jeweils nur Verordnungen mit recht kurzer Laufzeit, meistens einen Monat, erlassen werden. Dies deshalb, weil die Regierung durch Verordnung ja, so jedenfalls der Grundgedanke, nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein soll und damit die jeweilige Landesregierung spätestens mit Auslaufen der Verordnung dazu angehalten werden soll darüber nachzudenken, ob die getroffenen Regelungen nach wie vor auch wirklich erforderlich sind. Dieses System hat zur Folge, dass aufgrund der langen Laufzeit der vorgenannten Verfahren nur entsprechende Eilanträge in Betracht kommen. Dies ist aber nur selten ein probates Mittel, um eine Norm erfolgreich zu Fall zu bringen, weil dort regelmäßig Gerichte lediglich im Rahmen einer Güterabwägung eine vorläufige Entscheidung nach dem Muster „was-wäre-wenn“ treffen, also überlegen, was wäre, wenn sich am Ende des Tages, sprich im Hauptsacheverfahren, die getroffene Entscheidung als unrichtig herausstellen würde. Auch, wenn der Gesundheitsschutz im Wertesystem der Grundrechte keine hervorgehobene Stellung hat, gelangen Gerichte dann doch regelmäßig zu dem Ergebnis, sich zu Gunsten des Gesundheitsschutzes und gegen die gerügten Eingriffe in andere Freiheitsrechte oder Gleichheitsrechte zu entscheiden. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit werden dann oft mit dem Argument, dass die Verordnung ihr nur eine kurze Laufzeit hat, vom Tisch gewischt.
Für betroffene Bürger ein ziemlich frustrierendes System, weil damit auch Regelungen, die nach dem gesunden Menschenverstand schon auf den ersten Blick verfassungswidrig sind, dann doch Bestand haben und damit effektiver Rechtsschutz kaum möglich ist. Folge wäre, dass aufgrund der geringen Erfolgsaussichten Betroffene zu resignieren beginnen und der Gewaltenteilungsgrundsatz nicht mehr funktioniert, weil die Exekutive nicht mehr hinreichend von der Judikative kontrolliert und nötigenfalls in ihre Schranken gewiesen werden kann.
Verwerfungskompetenz des einfachen Richters kann im Einzelfall Abhilfe schaffen
Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber noch an anderer Stelle eine “Hintertür“ geöffnet, mit der dann doch, zumindest im jeweiligen Einzelfall, Verordnungen gerichtlich geprüft werden können in dem jedem Richter und jeder Richterin für derartige Regelungen eine sog. Verwerfungskompetenz eingeräumt worden ist. Dies bedeutet also, dass dann, wenn ein Gericht die Rechtmäßigkeit, beispielsweise eines Bußgeldbescheids zu überprüfen hat, sich nicht allein darauf beschränken darf, den formellen Verstoß gegen die Verordnung festzustellen, sondern sich auch die Frage stellen muss, ob die Ermächtigungsgrundlage, also die Verordnung auch verfassungsgemäß ist. Kommt das Gericht dann zum Ergebnis, dass die Verordnung nicht mit der Verfassung zu vereinbaren ist, dann muss der Richter nicht, wie dies bei formellen Gesetzen, also Gesetzen, die vom Parlament stammen, die Frage im Rahmen einer sogenannten Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen, sondern darf das Gesetz selbst verwerfen, also nicht anwenden.
Letzteres bedeutet, dass dann trotz Verstoß gegen die Verordnung ein Delinquent für eine begangene Ordnungswidrigkeit nicht bestraft werden kann, weil der Bußgeldbescheid keine Ermächtigungsgrundlage hat.
Im vorliegenden Fall ist dies der Grund, weswegen fortwährend Landratsamt aber auch der Ministerpräsident gebeten wurden, endlich einen Bußgeldbescheid zuzustellen und, jedenfalls nach den Schilderungen des Golfplatzbetreibers, sei genau dies der Grund, weswegen er bislang, obwohl zwischenzeitlich 7 Monate vergangen sind, er noch immer keinen Bußgeldbescheid für seinen formellen Verstoß im Mai 2020 erhalten habe.
Haben Golfer, die am Samstag am Bergkramerhof erwischt worden sind, einen Bußgeldbescheid zu befürchten?
Nachdem wir keine Hellseher sind, können wir Ihnen diese Frage natürlich nicht beantworten. Die Polizeibeamten vor Ort haben dies angekündigt und dabei auf das Landratsamt verwiesen. Sie haben allerdings auch angegeben, dass Golfspielen verboten sei, und dies ist es, wie aufgezeigt, nach § 10 Abs. 1 gerade nicht, so dass abzuwarten bleibt, ob das Landratsamt auch tatsächlich Bußgeldbescheide erlässt, oder es bei der Aktion am Bergkramerhof mehr darum gegangen ist, „Stärke“ zu demonstrieren und Nachahmer abzuschrecken.
Grundsatz der Normenklarheit nicht beachtet
Sollten also tatsächlich Bußgeldbescheide erlassen werden, in dem die Regelung in § 10 Abs. 3 so interpretiert wird, dass nicht nur der Betreiber, sondern auch der Nutzer verstoßen hat, dann ließe sich unseres Erachtens mit der in derartigen Fällen üblichen Grundrechtsargumentation und der nicht (mehr) vorhandenen Verhältnismäßigkeit des Eingriffs hier zusätzlich damit argumentieren, dass die Vorschrift den Grundsatz der Normenklarheit nicht beachtet hat. Das Bundesverfassungsgericht hat beispielsweise in seinem Urteil vom 26.07.2005 (1 BvR 782/94) dazu ausgeführt:
„Das Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit […] soll die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen dienen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie, soweit sie zum Schutz anderer tätig wird, den Schutzauftrag näher zu konkretisieren. Zu den Anforderungen gehört es, dass hinreichend klare Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen bereitgestellt werden. Je ungenauer die Anforderungen an die dafür maßgebende tatsächliche Ausgangslage gesetzlich umschrieben sind, umso größer ist das Risiko unangemessener Zuordnung von rechtlich erheblichen Belangen. Die Bestimmtheit der Norm soll auch vor Missbrauch schützen, sei es durch den Staat selbst oder – soweit die Norm die Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander regelt – auch durch diese. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, soweit Bürger an einer sie betreffenden Maßnahme nicht beteiligt sind oder von ihr nicht einmal Kenntnis haben, so dass sie ihre Interessen nicht selbst verfolgen können. Schließlich dienen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit dazu, die Gerichte in die Lage zu versetzen, getroffene Maßnahmen anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Diesen Anforderungen wird eine Norm nicht gerecht, die einen identisch formulierten Maßstab für unterschiedliche Situationen vorsieht und in ihnen mit je unterschiedlichem Inhalt angewandt werden soll. Auch wird es der – hier aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG folgenden – besonderen gesetzlichen Schutzpflicht nicht gerecht, wenn der Prüfmaßstab so ungenau umschrieben ist, dass er keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erfüllung der Schutzaufgabe bietet.“
Nachdem aber die Regelungen Abs. 1 den Individualsport ausdrücklich zulässt, während Abs. 3 Betrieb und Nutzung von Sportstätten untersagt wird, ist dies ein Wertungswiderspruch in sich, es sei denn man wollte wirklich allen Ernstes zum Ausdruck bringen, dass es der Wille des Gesetzgebers gewesen sei, dass Golfer nunmehr Schläger schwingend durch Bayerns Parkanlagen laufen und Spaziergänger sowie Radfahrer abschießen. …
Jetzt muss sich dann nur noch ein beherzter Richter oder eine beherzte Richterin finden, der oder die dann auch tatsächlich sich nicht nur Gedanken zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage macht, sondern auch gewillt ist, gegen den Staat zu entscheiden. Es genügt dabei nicht, wenn das Gericht zur bloßen Rechtswidrigkeit gelangt. Das Gericht muss von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein. Aber man soll ja stets positiv denken.
Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht denkbar
Betroffene, die nicht darauf warten wollen, ob sie einen Bußgeldbescheid bekommen (in der Presse war davon zu lesen, dass die Daten von 16 Personen gesammelt worden seien), hätten übrigens, wenn es ihnen ums Prinzip geht, auch noch die Möglichkeit den erteilten Platzverweis, bei dem es sich um einen Verwaltungsakt handelt, nachträglich im Rahmen einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Hier gilt das zuvor gesagte. Losgelöst davon, dass der Polizeibeamte nicht in der Lage war, eine Befugnisnorm zu nennen, was dafür spricht, dass der Einsatz nicht sonderlich gut vorbereitet war, kann auch nur eine verfassungsgemäße Norm Befugnis für ein polizeiliches Handeln gewesen sein. Eine verfassungswidrige Vorschrift kann auch polizeiliches Einschreiten nicht stützen.
Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich. Die gibt es nur wenn dafür täglich eingetreten und gekämpft wird. Gegen freiheitsbeschränkende Maßnahmen vor Gericht zu ziehen ist nicht nur ein Bürger-, sondern ein im Grundgesetz verankertes Menschenrecht, vergl. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.
Anmerkung:
Soweit ersichtlich sind derzeit die Golfplätze in ganz Europa offen, nur nicht im Freistaat Bayern und im Freistaat Sachsen. Die Zeche zahlt, wie stets, der Steuerzahler und dies nicht nur für den überdimensionierten Polizeieinsatz, sondern auch für die Hilfen, die auch Golfanlagen als Wirtschaftsunternehmen aufgrund der angeordneten Schließung beanspruchen können.
Nachtrag
Der unnachgiebige Golfplatzbetreiber Hingerl hat zwischenzeitlich angekündigt, dass er neuerlich mit einem Normenkontrollantrag nebst Eilantrag den VGH angerufen hat, um zeitnah das Golfspiel auch in Bayern auch auf Golfplätzen wieder zuzulassen. Daneben möchte er mit einem Eilantrag zum Verwaltungsgericht der Polizei künftig verbieten lassen am Bergkramerhof zu erscheinen um Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Golfer in der freien Natur einzuleiten.
Update 02.03.2021: Zwei Bußgeldbescheide für Betreiber der Golfanlage
Heute, am 02.03.2021, hat das Landratsamt dem Golfplatzplatzbetreiber gleich zwei Bußgeldbescheide zugestellt. Der erste Bußgeldbescheid über 5.000 € betrifft die Öffnung des Golfplatzes im Mai 2020. Ein zweiter Bußgeldbescheid über 10.000 € die Öffnung vom 27.Februar 2021. Hier wurde kurzerhand ein „Wiederholungstäterzuschlag“ gemacht und der geforderte Betrag zur Abschreckung verdoppelt.
Erstaunlich, nicht nur deshalb, weil das Landratsamt sich ja zunächst noch dahingehend geäußert hatte, dass dort noch Bußgeldbescheide im 4-stelligen Bereich zur Bearbeitung liegen, was der Grund dafür gewesen sei, dass der immer wieder von Hingerl geradezu penetrant angeforderte Bescheid noch nicht erlassen worden wäre. Erstaunlich aber auch deshalb, weil dann, wenn die Zustellung nur 3 Tage vorher erfolgt wäre, die zweite formell rechtswidrige Öffnung nicht stattgefunden hätte. Eine Behörde, die vorgibt, dass es ihr Bestreben sei, dem Infektionsschutzes zu dienen und deshalb mögliche Zusammenkünfte von Menschen zu minimieren, wird aber, so würde man zumindest nach dem gesunden Menschenverstand meinen, nicht nachträglich sanktionieren, sondern im Vorfeld weitsichtig präventiv handeln, also dem man das geben, was er wollte, nämlich seinen Bußgeldbescheid für Mai 2020 um dagegen den Rechtsweg beschreiten zu können.
Bereits daraus wird deutlich erkennbar, dass es der Behörde ganz offensichtlich nicht darum gegangen ist, ein mögliches Infektionsgeschehen zu verhindern, sondern darum ein Exempel zu statuieren oder vielleicht sogar darum Geld in die leeren Staatskassen zu bringen.
Update 05.03.2021: Bußgeldbescheide für Golfer mit reduziertem Zahlbetrag (125 € statt 250 €)
Heute, also nicht einmal eine Woche später, haben auch die ersten Golfer, die die Aktion unterstützt und im Rahmen einer kollektiven Meinungsäußerung bewusst gegen die Verordnung verstoßen haben, einen Bußgeldbescheid erhalten. Der darin enthaltene Vorwurf lautet, dass gegen § 10 Abs. 3 S. 1 der 11. Bayerischen Immissionsschutzverordnung verstoßen worden sei. Mit der Regelung in § 10 Abs. 1 der gleichen Vorschrift, die kontaktlosen Individualsport für zulässig erklärt, setzt sich der Bescheid nicht auseinander. Es bleibt daher spannend, wie die Gerichte den damit verbundenen Wertungswiderspruch in ein und derselben Regelung verstehen werden. Ebenso spannend ist, da Golf nicht per se verboten war, wo dann nach Auffassung der Behörde bzw. Gerichte, wenn nicht auf einer eigens dafür gebauten Anlage, Golfspieler ihren rechtlich zulässigen Individualsport ausüben sollten.
Ein Novum ist allerdings, dass die Behörde dann das vorgesehene Bußgeld von 250 € auf 125 € reduziert. Zur Begründung gibt das Landratsamt dann an, dass die Infektionsgefahr für andere Personen gering gewesen sei. Allein mit dieser Begründung entzieht die Behörde bereits selbst ihre eigenen Handlung jegliche Berechtigung, denn bei richtiger Betrachtung muss nicht der Bürger sein Grundrecht beweisen, sondern die Behörde muss darlegen, dass eine Einschränkung des Grundrechts im Einzelfall unter Abwägung widerstreitender Grundrechte anderer gerechtfertigt war. Wenn sich aber ein einzelner Golfspieler mit einem Abstand von mehreren 100 m zur nächsten Person im Freien bewegt, dann ist es schwerlich möglich eine solche Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes zu rechtfertigen.
Die Menschen dieses Landes sind, wie erst am 07.03.2021 der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in der Zeitung Welt klargestellt hat, Staatsbürger und keine Untertanen. Dies haben dank Corona offensichtlich nicht nur Behörden und teilweise auch die Presse, sondern viele Menschen selbst vergessen.