Die Zustellung von gerichtlichen Verfügungen, Ladungen, Beschlüssen und Urteilen erfolgt regelmäßig durch die Post. Durch die Zustellung werden oft Fristen in Lauf gesetzt, deren Versäumung dazu führen kann, dass der Rechtsstreit verloren geht. Wird beispielsweise eine Klage zugestellt und dann innerhalb der gesetzten Frist nicht reagiert, dann ergeht meist ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren. Was aber ist, wenn die Post bei der Zustellung Fehler macht, also beurkundet, dass sie zugestellt habe, während in Wahrheit gar nicht zugestellt worden ist, so dass der Adressat der Zustellung Rechtsnachteile erleidet, weil beispielsweise ein Versäumnisurteil (hinsichtlich einer nicht bestehenden Forderung) ergeht, ohne dass die Möglichkeit einer Verteidigung bestanden hätte?
Das OLG Hamm hat zu dieser Frage in seinem Urteil vom 18.06.2014 (11 U 98/13) Stellung genommen und die Post im Rahmen einer Feststellungsklage des so geschädigten Adressaten festgestellt, dass die Post nach den Grundsätzen der Amtspflichtverletzung zum Schadenersatz verpflichtet ist.
Das war geschehen:
Dem klagenden Unternehmen sollte durch das Amtsgericht Münster im Wege der Rechtshilfe die Klage eines griechischen Unternehmens nebst Terminladung für einen in Griechenland zu verhandelnden Zivilrechtsstreit zugestellt werden. Mit der Zustellung wurde die beklagte Post beauftragt.
Der für die Post tätige Zusteller erstellte eine Zustellungsurkunde, auf der er ankreuzte, die Postsendung in einem zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten der Klägerin geworfen zu haben. Diese Angabe war falsch, weil es am Geschäftslokal der Klägerin keinen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung gibt. In der Folgezeit erging in dem griechischen Rechtsstreit ein Versäumnisurteil gegen die in dem Verfahren seinerzeit nicht vertretene Klägerin. Dieses hat die Klägerin unter Inkaufnahme sie belastender Verfahrenskosten angefochten. Sie begehrt nunmehr die Feststellung, dass ihr die beklagte Post den durch die falsch beurkundete Zustellung und das deshalb erlassene Versäumnisurteil entstandenen Schaden zu ersetzen habe.
Zu Recht, denn nach Auffassung der Richter kann die Klägerin von der Beklagten den durch den fehlerhaften Zustellvorgang verursachten Schaden ersetzt verlangen. Die Beklagte haftet nämlich bereits aufgrund einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des für sie tätigen Zustellers. Bei den Zustellungen sei die Post als sog. Beliehene mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet. Sie ist daher verpflichtet Zustellungen den gesetzlichen Vorschriften entsprechend auszuführen und die mit Beweiskraft ausgestatteten Zustellungsurkunden mit richtigen Angaben zu erstellen.
Diese Pflicht hat sie nach Auffassung des Gerichts verletzt. Die zu der in Frage stehenden Zustellung erstellte Zustellungsurkunde habe der Zusteller nicht richtig ausgefüllt. Die aus ihr hervorgehende Übergabe des Schriftstücks durch Einwurf in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe auch nicht nachgewiesen, die Postsendung der Klägerin auf andere Art und Weise zugestellt zu haben. Deswegen hafte die Beklagte der Klägerin für den durch den pflichtwidrigen Zustellvorgang entstandenen Schaden, der der Höhe nach – abgesehen von einer bereits angefallenen Gerichtsgebühr von 250 € – noch nicht feststehe.
Anmerkung:
Erstaunlich ist, dass der Rechtsstreit überhaupt geführt werden musste. Dass nämlich die Post bei Fragen der Zustellung hoheitliche Befugnisse ausübt und damit ein beliehenes Unternehmen ist, das nach Amtshaftungsgrundsätzen haftet, liegt auf der Hand und sollte den Verantwortlichen der Post auch geläufig sein. Hier zeigt sich einmal mehr, dass (auch) bei der Post versucht wird offensichtlich gegebene Ansprüche zunächst zu negieren, in der Hoffnung, dass sie nicht weiter verfolgt werden. Wer Waren bestellt oder versendet, die dann nicht ausgeliefert werden, weil sie unterwegs verloren gehen, kann ein Lied davon singen. Auch dort ist die Post manchmal sehr kreativ, wenn es darum geht zu begründen, warum sie nicht haften würde.