Die Unternehmensnachfolge gehört zu den entscheidendsten Momenten im Lebenszyklus eines Unternehmens. In dieser Phase werden Weichen gestellt, die nicht nur die Zukunft des Unternehmens, sondern auch das Lebenswerk der ausscheidenden Inhaber bestimmen. Eine der zentralen Fragen, die sich im Rahmen der Nachfolgeplanung stellt, ist, ob die neuen Führungskräfte eine Prokura erhalten oder als Geschäftsführer eingesetzt werden sollen. Beide Optionen bieten verschiedene Vor- und Nachteile, die sorgfältig abgewogen werden müssen, um die optimale Entscheidung für die langfristige Stabilität und Weiterentwicklung des Unternehmens zu treffen.
Die Prokura – Vertretung mit Einschränkungen
Die Prokura, geregelt in den §§ 48 bis 53 des Handelsgesetzbuches (HGB), ist eine umfassende Vollmacht für die Vertretung des Unternehmens im Außenverhältnis. Sie ermöglicht es dem Prokuristen, im Namen des Unternehmens Verträge zu schließen, Verhandlungen zu führen und Geschäfte zu tätigen, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören. Der Prokurist wird dazu durch eine notarielle Anmeldung ins Handelsregister eingetragen und kann ab diesem Zeitpunkt für das Unternehmen handeln. Dabei gibt es jedoch Einschränkungen, die insbesondere im Rahmen einer Nachfolgeplanung berücksichtigt werden sollten:
Eingeschränkte Entscheidungsbefugnis
Die Prokura umfasst nicht alle Handlungen, die im Rahmen einer Geschäftsführung notwendig sein könnten. So sind etwa grundlegende Entscheidungen, wie die Änderung des Gesellschaftsvertrages oder der Verkauf des gesamten Unternehmens, nicht durch die Prokura gedeckt.
Gesellschaftsrechtliche Bedeutung
Der Prokurist ist kein Organ des Unternehmens und hat daher auch keine gesellschaftsrechtliche Stellung. Dies kann die Akzeptanz und Autorität des Prokuristen innerhalb des Unternehmens und gegenüber Geschäftspartnern beeinträchtigen, insbesondere, wenn eine langfristige und eigenständige Leitung des Unternehmens geplant ist.
Haftung und Verantwortung
Prokuristen unterliegen einer geringeren Haftung als Geschäftsführer. Dies mag zunächst als Vorteil erscheinen, kann aber dazu führen, dass Prokuristen weniger Eigenverantwortung übernehmen. Für das Unternehmen kann das in sensiblen Geschäftsbereichen von Nachteil sein.
Insgesamt ist die Prokura eine geeignete Möglichkeit, Führungskräften weitreichende Vollmachten zu verleihen, ohne sie in die umfassende Organstellung eines Geschäftsführers zu versetzen. Sie kann insbesondere als Übergangslösung oder für operative Tätigkeiten eine gute Wahl sein, wenn das Unternehmen lediglich eine begrenzte Delegation wünscht und die formelle Verantwortung weiterhin beim Inhaber bleibt.
Geschäftsführung – volle Verantwortung und gesetzliche Verpflichtungen
Die Ernennung zum Geschäftsführer geht über die bloße Vertretungsmacht hinaus. Geschäftsführer sind Organe der Gesellschaft und tragen die Gesamtverantwortung für die strategische und operative Ausrichtung des Unternehmens. Diese Rolle ist rechtlich umfassender und birgt sowohl Chancen als auch Risiken für das Unternehmen und die betreffende Person:
Organstellung und Verantwortung
Der Geschäftsführer hat eine umfassende Verantwortung und wird rechtlich als Organ der Gesellschaft anerkannt. Dies gibt ihm die volle Entscheidungsbefugnis, ist jedoch auch mit einer umfangreichen Haftung verbunden. Für GmbHs ist die Stellung des Geschäftsführers in den §§ 35 bis 52 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) geregelt, die beispielsweise bestimmte Sorgfaltspflichten und Haftungsfragen beschreiben.
Haftung und Compliance-Pflichten
Geschäftsführer unterliegen einer erweiterten Haftung, die nicht nur für fahrlässige, sondern auch für vorsätzliche Pflichtverletzungen gilt. Bei Verstößen können sie persönlich in Haftung genommen werden, was die Bedeutung der Sorgfaltspflicht (§ 43 GmbHG) unterstreicht. Zudem sind sie verpflichtet, alle relevanten Gesetze und Regularien einzuhalten, darunter arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und umweltrechtliche Vorschriften.
Langfristige strategische Gestaltungsmöglichkeit
Anders als Prokuristen können Geschäftsführer strategische und grundsätzliche Entscheidungen treffen, die das Unternehmen langfristig ausrichten. Die Organstellung erlaubt ihnen umfassende Handlungsfreiheit, die insbesondere bei der Entwicklung von Nachfolgestrukturen vorteilhaft sein kann. Sie haben die Möglichkeit, den Kurs des Unternehmens in allen Belangen zu bestimmen und so eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu fördern.
Die Bestellung zum Geschäftsführer kann besonders dann von Vorteil sein, wenn die neue Führungsebene das Unternehmen langfristig steuern soll und in vollem Umfang strategische Verantwortung übernehmen möchte. Sie ist die klare Lösung für Unternehmen, die eine vollständige und formale Übergabe der Unternehmensführung anstreben.
Abwägungskriterien für die Unternehmensnachfolge
Ob die Prokura oder die Geschäftsführertätigkeit der richtige Weg für die Unternehmensnachfolge ist, hängt von mehreren Faktoren ab, die individuell bewertet werden sollten:
Umfang der Verantwortungsübergabe
Wenn der Unternehmensinhaber schrittweise Verantwortung abgeben möchte und noch aktiv im Unternehmen eingebunden bleibt, könnte die Prokura eine adäquate Übergangslösung sein. Soll hingegen die operative und strategische Verantwortung vollständig übertragen werden, spricht vieles für die Bestellung als Geschäftsführer.
Unternehmenskultur und Führungsstruktur
In flacheren Hierarchien mit einem starken Fokus auf Teamarbeit kann die Prokura ausreichen, da Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. In hierarchisch strukturierten Unternehmen kann die formelle Geschäftsführungsrolle für mehr Klarheit und Verantwortungsbewusstsein sorgen.
Haftungsfragen und Risikoabwägung
Die persönliche Haftung des Geschäftsführers ist umfassender und kann insbesondere bei risikobehafteten Branchen von Nachteil sein. Hier ist zu bedenken, ob die künftigen Führungskräfte auf eine solche Haftung vorbereitet und gewillt sind, diese Verantwortung zu übernehmen.
Langfristige Bindung und Motivation
Die Bestellung zum Geschäftsführer ist oft auch ein Signal der Wertschätzung und Verbindlichkeit, das die langfristige Bindung von Führungskräften fördert. Für die Nachfolgeplanung kann dies eine entscheidende Rolle spielen, um die Motivation und das Engagement der künftigen Führungskräfte sicherzustellen.
Fazit: Prokura oder Geschäftsführung?
Die Wahl zwischen Prokura und Geschäftsführung ist eine entscheidende Weichenstellung für die Unternehmensnachfolge. Während die Prokura eine flexible und begrenzte Vertretungsbefugnis bietet, eignet sich die Position des Geschäftsführers besser für eine umfassende Nachfolgeregelung mit vollständiger Verantwortung. Unternehmen sollten in der Nachfolgeplanung neben rechtlichen Aspekten auch die Unternehmenskultur, die gewünschten Führungsstrukturen und die langfristigen Ziele berücksichtigen. Eine fundierte Abwägung hilft dabei, den richtigen Weg zu finden und eine nahtlose Übergabe zu gewährleisten. Eine gut strukturierte Nachfolgeplanung mit klarer Rollenverteilung ist ein wesentlicher Faktor für den langfristigen Erfolg und die Kontinuität des Unternehmens.
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