Mal ehrlich: Lesen Sie noch Zeitung und schauen Sie sich noch Nachrichten an oder gehören Sie auch zu dem Personenkreis, der dies völlig eingestellt hat, weil ihm dies Unbehagen und schlechte Laune bereitet? Die politische Landschaft in Deutschland ist derzeit durch verschiedene Herausforderungen geprägt. Zentrale Themen sind die Haushaltskrise, Auswirkungen des Ukrainekriegs, Energiekrise, Migration, Inflation und ein immer größer werdende Finanzbedarf, der das aktuelle Steueraufkommen deutlich übersteigt und die Einhaltung der Schuldenbremse infrage stellt. Die Zustimmung zur sog. Ampel ist in breiten Schichten der Bevölkerung kaum mehr gegeben, weil bei vielen Bürgern der Eindruck entsteht, dass die Regierenden entweder aufgrund von mangelnder fachlicher Eignung schon gar nicht in der Lage sind, die anstehenden Probleme zufriedenstellend zu lösen oder aufgrund von eigenen Ideologien nicht lösen wollen. Die Sorge um die Zukunft Deutschlands, aber auch die eigene Zukunft wächst in der Mittelschicht. 2024 wird daher für die Ampel ein Schicksalsjahr werden, weil nicht nur durch die anstehenden Landtagswahlen, insbesondere in Thüringen, weiterer Druck auf die Regierungsparteien ausgeübt werden wird, sondern auch in der FDP erste Stimmen laut werden, die von ihrem Parteivorsitzenden fordern, die Ampel zu verlassen, um irreparablen Schaden für die Partei bei der nächsten Bundestagswahl abzuwenden. Wir erläutern in diesem Artikel, welche rechtlichen Auswirkungen es hätte, wenn die FDP die Ampel verlässt oder aber welche anderen Möglichkeiten das Grundgesetz bereitstellt, um dem Spuk ein Ende zu bereiten und Neuwahlen zu erzwingen.
Aufkündigung der Koalition führt nicht zwangsläufig zu Neuwahlen
Wenn die FDP den Koalitionsvertrag aufkündigen und die Ampelkoalition verlassen würde, hätte dies mehrere Auswirkungen auf die politische Landschaft in Deutschland. Allerdings würde die nicht zwangsläufig zu Neuwahlen führen.
Mitgliederbefragung der FDP
Aktuell führt die FDP eine Mitgliederbefragung durch, ob sie in der Ampel-Koalition bleiben soll oder nicht. Diese Befragung hat allerdings keinen bindenden Charakter für die Parteispitze, sondern dient als Stimmungsbild. Mehr als 500 FDP-Mitglieder haben einen Austritt aus der Ampelkoalition gefordert, was auf eine Unzufriedenheit innerhalb der Partei hindeutet. Allerdings wirbt die Führung der Liberalen für einen Verbleib in der Koalition. Parteichef Lindner wird also abwägen müssen, ob eine weitere Regierungsbeteiligung um den Preis erkauft wird, dass die 5 % Klausel bei der nächsten Bundestagswahl zum ernsten Problem werden könnte, weil sowohl Verlegenheitsfehler als auch Stammwähler mit seiner Rolle in der Ampel unzufrieden waren.
Folgen eines Austritts der FDP
Ein Austritt der FDP aus der Ampelkoalition könnte die politische Situation in Deutschland erheblich verändern. Es würde eine Regierungsumbildung notwendig machen, da die verbleibenden Koalitionspartner (SPD und Grüne) dann keine Mehrheit mehr im Bundestag hätten. Dies könnte theoretisch zu einer Minderheitsregierung oder zur Bildung einer neuen Koalition führen. Neuwahlen wären eine Möglichkeit, aber nicht die einzige Lösung. Zudem könnte der Austritt der FDP aus der Koalition deren politisches Image beeinflussen, da der Partei möglicherweise die Verantwortung für turbulente politische Zeiten in einer Krisensituation zugeschrieben werden könnte. Die Parteiführung als erneut darüber entscheiden müssen, ob es besser ist nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.
Die Möglichkeit von Neuwahlen hängt von mehreren Faktoren ab, einschließlich der Entscheidung des Bundespräsidenten und der Dynamik im Bundestag. Es ist auch möglich, dass die verbleibenden Koalitionspartner versuchen, eine neue Mehrheit zu finden oder eine Minderheitsregierung zu bilden. Neuwahlen wären eine Option, wenn keine stabile Regierungskonstellation gefunden werden könnte, aber sie sind nicht die zwangsläufige Folge eines Austritts der FDP aus der Koalition.
Vertrauensfrage und konstruktives Misstrauensvotum
Möglichkeiten, die das Grundgesetz zur Auflösung des Bundestags bereitstellt, sind die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG, sowie das konstruktive Misstrauensvotum nach Art. 67 GG.
Vertrauensfrage
Die Vertrauensfrage ermöglicht es dem Bundeskanzler, die Unterstützung des Bundestags formell zu überprüfen. Sie kann mit einer Sachfrage verknüpft werden, um die Zustimmung des Parlaments zu einer wichtigen politischen Frage zu erlangen. Bei einer negativen Antwort auf die Vertrauensfrage hat der Bundeskanzler mehrere Optionen, darunter die Anfrage an den Bundespräsidenten zur Auflösung des Bundestags in der Vergangenheit haben Bundeskanzler, bereits des Öfteren von diesem Instrument Gebrauch gemacht.
Willy Brandt (1972): Bundeskanzler Willy Brandt stellte die Vertrauensfrage, um Neuwahlen herbeizuführen, da er sich aufgrund seiner Ostpolitik nicht mehr auf eine stabile Mehrheit im Bundestag stützen konnte
Helmut Schmidt (1982): Schmidt nutzte die Vertrauensfrage, um seine Position zu festigen, aber letztendlich bröckelte seine Koalition weiter, was zu einem Misstrauensvotum und der Wahl von Helmut Kohl als neuem Kanzler führte
Gerhard Schröder (2001): Schröder verband die Vertrauensfrage mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, um eine Mehrheit für diese politische Entscheidung zu sichern
Es waren also allesamt SPD-Kanzler, die in für sie schwierigen politischen Situationen versucht haben, über die Vertrauensfrage die Situation zu entschärfen. Ob der stark in der Kritik stehende Olaf Scholz diese Möglichkeit für sich nutzen wird, bleibt abzuwarten.
Konstruktives Misstrauensvotum
Das konstruktive Misstrauensvotum erlaubt es dem Bundestag, dem Bundeskanzler das Misstrauen auszusprechen, aber nur, wenn gleichzeitig ein neuer Bundeskanzler bestimmt wird. Dieses Instrument soll politische Stabilität sichern, indem es verhindert, dass die Regierung ohne klare Alternative abgesetzt wird. Mit der Verankerung des konstruktiven Misstrauensvotums im Grundgesetz wollte der Parlamentarische Rat politisch instabile Verhältnisse wie zur Zeit der Weimarer Republik verhindern.
In der Vergangenheit gab es erst 2 Fälle, in denen gegen einen Kanzler ein konstruktives Misstrauensvotum in Gang gesetzt wurde.
1972 hatte die CDU/CSU durch ihren Fraktionsvorsitzenden Rainer Barzelt vergebens versucht Kanzler Willy Brandt abzulösen.
Nur 10 Jahre später 1982 wurde Kanzler Helmut Schmidt dagegen erfolgreich durch Helmut Kohl abgelöst. Vorausgegangen war, dass die FDP die Koalition mit der SPD verlassen und ein Bündnis mit der CDU/CSU eingegangen war.
Ausblick
2024 wird also ein Schicksalsjahr werden, nicht nur für die FDP. Gerade die jüngsten Haushaltsbeschlüsse der Ampel, die ohnehin explodierenden Energiepreise weiter künstlich mit einer Erhöhung der CO2 Abgabe nach oben zu treiben, dürfte für die FDP erneut zum Problem werden, weil damit schwerpunktmäßig all diejenigen belastet werden, die nicht in einer Großstadt wohnen, sondern mit dem Auto zur Arbeit fahren und mehr als ein 1-Zimmer Apartment, beheizen müssen, also diejenigen, die ohnehin schon durch ihre Arbeit, ihre Steuern und ihre Sozialabgaben, den Ausgabenirrsinn aus Berlin finanzieren. Nachdem FDP- Wähler aber schwerpunktmäßig in diesem Bereich der Bevölkerung rekrutiert werden, hat hier die Parteispitze erneut einem Vorhaben zugestimmt, das in 1. Linie der eigenen Partei schaden wird. Früher gab es mal einen FDP-Witz, der wie folgt lautete:
Wofür steht die Abkürzung FDP?
Antwort: Fast 3 %.
Die nächsten Wahlen werden zeigen, ob der alte Witz wieder aktuell wird. Machterhalt versus Parteiwohl. Das ist die Frage, der sich Herr Lindner stellen muss.