Das Erbrecht in Deutschland schützt nahe Angehörige durch das Pflichtteilsrecht vor einer vollständigen Enterbung. Wer von einem Erblasser bewusst oder unbewusst im Testament übergangen wird, kann unter bestimmten Voraussetzungen dennoch einen Teil des Nachlasses einfordern. Dieser Artikel gibt Ihnen einen umfassenden Überblick darüber, wer einen Pflichtteil beanspruchen kann, wie dieser geltend gemacht wird und welche rechtlichen Aspekte dabei zu beachten sind.
Wer hat Anspruch auf einen Pflichtteil?
Nach § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) steht bestimmten Personen, die eigentlich als gesetzliche Erben berufen wären, ein Pflichtteil zu, wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag enterbt wurden. Anspruchsberechtigt sind:
- Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel),
- Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner,
- Eltern des Erblassers, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.
Die Geschwister, Nichten, Neffen oder andere entfernte Verwandte haben hingegen keinen Pflichtteilsanspruch. Voraussetzung ist zudem, dass ein Erbfall eingetreten ist und der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich enterbt wurde, sei es durch ein ausdrückliches Testament oder durch die Übergehung im Erbvertrag.
Wann ist man enterbt?
Man gilt als enterbt, wenn man im Testament oder Erbvertrag entweder ausdrücklich ausgeschlossen wird oder gar nicht erwähnt ist, obwohl man als gesetzlicher Erbe einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses gehabt hätte. Dies geschieht oft aus persönlichen oder familiären Gründen, manchmal aber auch unbeabsichtigt. In jedem Fall greift das Pflichtteilsrecht, sofern keine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB vorliegt, beispielsweise wegen schwerer Verfehlungen gegenüber dem Erblasser.
Welche Rechte haben Pflichtteilsberechtigte?
Pflichtteilsberechtigte haben keinen Anspruch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand, sondern nur auf einen Geldanspruch, der sich als Wertanteil am Nachlass bemisst. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der dem Berechtigten nach der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte (§ 2303 Abs. 1 BGB). um den Pflichtteil beziffern zu können, stehen dem Pflichtteilsberechtigten auch Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung zu.
Für die Berechnung wird der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat, die den Pflichtteilsberechtigten benachteiligen könnten (§§ 2325, 2329 BGB).
Wie wird der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht?
Die Geltendmachung des Pflichtteils erfolgt in mehreren Schritten:
- Einfordern eines Nachlassverzeichnisses: Zunächst sollten Sie als Pflichtteilsberechtigter ein Nachlassverzeichnis verlangen, in dem der Erbe den gesamten Nachlass detailliert auflistet. Gemäß § 2314 BGB haben Sie ein Recht darauf, ein vollständiges und notarielles Nachlassverzeichnis zu erhalten, um die Höhe Ihres Anspruchs zu berechnen.
- Aufforderung zur Zahlung: Nachdem der Nachlasswert ermittelt wurde, können Sie den Erben schriftlich auffordern, Ihren Pflichtteil auszuzahlen. Es empfiehlt sich, hierbei klare Fristen zu setzen.
- Durchsetzung des Anspruchs: Kommt der Erbe der Zahlungsaufforderung nicht nach, können Sie den Anspruch gerichtlich durchsetzen. Hierbei spielt die genaue Dokumentation der bisherigen Korrespondenz eine entscheidende Rolle.
Tipp: Der Pflichtteil ist bereits mit Eintritt des Erbfalls fällig. Setzen Sie deshalb gleich bei der ersten Geltendmachung eine Frist, um die Folgen des Zahlungsverzugs herbeizuführen. mit Ablauf der Frist beginnen dann nicht nur die Verzugszinsen zu laufen, wodurch am Ende ihr Zahlungsanspruch erhöht wird, sondern sie können nun auch außergerichtliche Kosten, die für die Einschaltung eines Rechtsanwalts anfallen als Verzugsschaden ersetzt verlangen.
Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch verjährt in der Regel innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von seiner Enterbung sowie von der Person des Erben Kenntnis erlangt hat (§ 195, § 199 BGB). Sollte dies beispielsweise erst nachträglich durch Einsicht in das Testament geschehen, kann sich der Beginn der Verjährung entsprechend verschieben. Um nicht in zeitliche Bedrängnis zu geraten, sollten Sie gleichwohl zeitnah nach Eintritt des Erbfalls den Pflichtteilsanspruch geltend machen, um am Ende nicht in zeitliche Bedrängnis zu geraten.
Achtung: In Fällen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen kann die Verjährungsfrist für Schenkungen bis zu zehn Jahre betragen (§ 2325 Abs. 3 BGB). hinzu kommt, dass bei Schenkungen an den Ehegatten regelmäßig keine sogenannte Abschmelzung stattfindet, also der Wert der Schenkung voll anzurechnen ist.
Warum anwaltliche Unterstützung wichtig ist
Die Geltendmachung des Pflichtteils ist oft komplex und emotional belastend. Ohne juristische Expertise besteht die Gefahr, den Anspruch unvollständig oder nicht fristgerecht geltend zu machen. Ein Rechtsanwalt kann:
- Den Pflichtteilsanspruch berechnen und mögliche Ergänzungsansprüche prüfen,
- Den Schriftverkehr mit den Erben führen und Fristen überwachen,
- Sie in einer gerichtlichen Auseinandersetzung vertreten.
Insbesondere bei Streitigkeiten über die Höhe des Nachlasses oder die Anrechnung von Schenkungen kann eine anwaltliche Unterstützung den entscheidenden Unterschied machen. Und das Beste ist, wenn sich der Erbe bereits in Verzug befindet, dann hat er die gesetzlichen Gebühren als Verzugsschaden zusätzlich zu übernehmen, so dass für Sie regelmäßig die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen kostenneutral ist.
Fazit
Wenn Sie enterbt wurden, bietet das Pflichtteilsrecht einen rechtlich sicheren Weg, dennoch an Ihrem Anteil am Nachlass beteiligt zu werden. Wichtig ist, den Anspruch rechtzeitig und umfassend zu prüfen sowie professionell geltend zu machen. Die Unterstützung eines erfahrenen Rechtsanwalts sorgt dafür, dass Ihre Rechte gewahrt bleiben und Sie Ihren Anspruch effektiv durchsetzen können.
Bei Fragen zum Pflichtteilsrecht stehen wir Ihnen als erfahrene Kanzlei gern zur Seite. Vereinbaren Sie einen Termin für eine persönliche Beratung, gleichgültig ob bei uns vor Ort in Wolfratshausen oder per Video oder Telefon – wir klären Ihre Ansprüche und setzen sie durch!
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.