Umgangssprachlich wird „vermachen“ und „vererben“ oft synonym verwendet. Rechtlich macht es aber einen entscheidenden Unterschied, ob Sie Erbe geworden sind und damit ganz oder teilweise Rechtsnachfolger des Erblassers oder lediglich Vermächtnisnehmer, also lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass haben. Wir erklären Ihnen im nachfolgenden Artikel worin der Unterschied liegt und was Sie als Vermächtnisnehmer wissen müssen, um am Ende auch das zu erhalten, was Ihnen durch Testament zugewandt worden ist.
1. Vermächtnis vs. Erbschaft – Wo liegt der Unterschied?
Ein Vermächtnis unterscheidet sich grundlegend von einer Erbschaft. Während ein Erbe durch die Annahme der Erbschaft automatisch Rechtsnachfolger des Erblassers wird und somit dessen Vermögen sowie Verbindlichkeiten übernimmt (§ 1922 BGB), erhält der Vermächtnisnehmer nur einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung. Dieser Anspruch richtet sich in der Regel gegen den oder die Erben (§ 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer wird also nicht Teil der Erbengemeinschaft und haftet auch nicht für Nachlassverbindlichkeiten.
Ein Vermächtnis kann in einem Testament oder Erbvertrag angeordnet werden und dient oft dazu, Personen, die nicht zur Erbengemeinschaft gehören, eine bestimmte Zuwendung zukommen zu lassen.
2. Welche Arten von Vermächtnissen gibt es?
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) kennt verschiedene Arten von Vermächtnissen, die individuell gestaltet werden können:
- Stückvermächtnis: Eine bestimmte Sache (z. B. ein Kunstwerk oder ein Auto) wird vermacht (§ 2169 BGB).
- Wertvermächtnis: Der Vermächtnisnehmer erhält einen bestimmten Geldbetrag.
- Zweckvermächtnis: Der Erblasser bestimmt, dass ein bestimmter Zweck mit dem Vermächtnis verfolgt wird, z. B. die Finanzierung einer Ausbildung.
- Untervermächtnis: Der Vermächtnisnehmer wird verpflichtet, einen Teil seines Vermächtnisses an eine weitere Person weiterzugeben (§ 2177 BGB).
- Wahlvermächtnis: Der Erblasser überlässt dem Erben oder dem Vermächtnisnehmer die Auswahl zwischen mehreren Gegenständen (§ 2154 BGB).
- Vorausvermächtnis: Das Vorausvermächtnis richtet sich an einen Miterben und gewährt diesem eine Sonderzuwendung zusätzlich zu seinem Erbteil (§ 2150 BGB). Der Erbe erhält also eine bestimmte Sache oder Leistung vorweg, bevor der Nachlass unter den Miterben verteilt wird. Ein typisches Beispiel ist, wenn ein Miterbe einen bestimmten Gegenstand (z. B. ein Haus) erhalten soll, der nicht in die Erbmasse fällt, sondern nur ihm zusteht.
3. Besonderheiten beim Grundstücksvermächtnis
Ein Grundstücksvermächtnis bedarf besonderer Beachtung, da es neben den zivilrechtlichen Regelungen auch grundbuchrechtliche Aspekte berücksichtigt. Der Vermächtnisnehmer hat zunächst nur einen Anspruch darauf, dass der Erbe das Grundstück auf ihn überträgt (§ 2174 BGB). Dieser Anspruch muss regelmäßig durch eine Auflassung und Eintragung ins Grundbuch umgesetzt werden (§ 873 BGB).
Für Grundstücksvermächtnisse gelten häufig zusätzliche Auflagen oder Bedingungen, wie etwa ein Nießbrauchsrecht zugunsten einer dritten Person (§§ 2186, 1089 BGB). Die Durchsetzung solcher Ansprüche kann kompliziert sein und erfordert oft eine enge Abstimmung mit dem Nachlassgericht und dem Grundbuchamt. Kommt der Erbe der Aufforderung zur Eigentumsumschreibung nicht nach, so kann der Vermächtnisnehmer nötigenfalls mit gerichtlicher Hilfe im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einzelligen Verfügung eine Vormerkung eintragen lassen.
4. Warum ist anwaltliche Unterstützung wichtig?
Die Geltendmachung eines Vermächtnisses ist häufig mit rechtlichen und praktischen Herausforderungen verbunden. Dazu zählen:
- Prüfung der Wirksamkeit des Vermächtnisses: Anwälte prüfen, ob die testamentarischen Anordnungen formal und inhaltlich korrekt sind (§§ 2247 ff. BGB).
- Verhandlung mit Erben: Insbesondere bei Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft ist anwaltliche Unterstützung essenziell, um den Anspruch durchzusetzen.
- Durchsetzung beim Grundbuchamt: Im Falle eines Grundstücksvermächtnisses übernimmt ein Anwalt die Abstimmung mit den Behörden, um eine reibungslose Grundbuchübertragung zu gewährleisten.
- Vermeidung von Verjährung: Ein Anwalt sorgt dafür, dass der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht wird und unterstützt bei der Fristwahrung.
5.Verjährung des Vermächtnisanspruchs
Vermächtnisansprüche unterliegen gemäß § 214 BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermächtnisnehmer Kenntnis vom Vermächtnis erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB).
Es ist jedoch wichtig, die Frist genau zu überwachen, da sich der Beginn der Verjährung in Einzelfällen verzögern kann, etwa wenn der Erblasser besondere Bedingungen an das Vermächtnis geknüpft hat. Um den Anspruch zu sichern, kann der Vermächtnisnehmer den Erben schriftlich zur Erfüllung auffordern oder im Zweifel Klage erheben.
6. Fazit
Die Geltendmachung eines Vermächtnisses ist ein rechtlich anspruchsvoller Prozess, der eine fundierte Kenntnis des Erbrechts erfordert. Von der Abgrenzung zur Erbschaft über die Auswahl der richtigen Vermächtnisart bis hin zur Durchsetzung bei Grundstücksvermächtnissen gibt es zahlreiche Fallstricke.
Eine anwaltliche Beratung ist nicht nur hilfreich, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sondern auch, um sicherzustellen, dass Vermächtnisansprüche rechtzeitig und korrekt geltend gemacht werden. Insbesondere bei komplizierten Vermächtnissen wie Grundstücken oder bei streitigen Nachlässen sollten Betroffene frühzeitig rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen. So können Sie sicherstellen, dass der letzte Wille des Erblassers auch tatsächlich umgesetzt wird.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.