Während die Politik darüber diskutiert, wie der Abmahnwahnsinn, den das Internet mit sich gebracht hat, eingedämmt werden kann, verteuert der BFH nun auch noch die Abmahnungen im Filesharing dadurch, dass er mit Urteil vom 13.02.2019 (IX R 1/17) entschieden hat, dass Abmahnungen, die ein Rechteinhaber zur Durchsetzung seiner urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche gegen den Verletzer vornimmt, umsatzsteuerpflichtig sind, also der Abgemahnte nicht nur die Abmahngebühren netto, sondern auch brutto, also zuzüglich Mehrwertsteuer, zu bezahlen hat.
Kein Vorsteuerabzug mehr beim Rechteinhaber für Abmahngebühren
Dass der Rechtsstreit nicht von einem Zivilgericht, sondern vom BFH entschieden worden ist, liegt daran, dass nicht etwa ein Abmahnender vom Abgemahnten zu den Abmahngebühren auch die Mehrwertsteuer haben wollte, sondern dass der abmahnende Rechteinhaber von den Abgemahnten einerseits nur eine Nettozahlung verlangt hat, während er andererseits die Mehrwertsteuer aus den Rechnungen der beauftragten Rechtsanwälte im Rahmen seines Vorsteuerabzugs zum Abzug gebracht hat. Dies war vom zuständigen Finanzamt nicht anerkannt worden, sodass der Rechtsstreit schließlich vor Gericht und nun zuletzt beim BFH gelandet ist.
BFH: Abmahnung erfolgt (auch) im Interesse des Abgemahnten
So manche Eltern, die als Inhaber eines Internetanschlusses abgemahnt worden sind, weil die Tochter oder der Filius beim Filesharing über Internettauschbörsen ertappt worden ist, werden sich die Nackenhaare aufstellen, wenn sie die Begründung der BFH-Richter lesen. Diese werten nämlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Abmahnenden und dem Abgemahnten, unabhängig davon, wie der verlangte Geldbetrag bezeichnet wurde oder auf welche Anspruchsgrundlage der Zahlungsanspruch stützt wurde, als umsatzsteuerbaren „Leistungsaustausch“, weil die Abmahnung (auch) im Interesse des Abgemahnten erfolgen würde. Dieser erhält nämlich durch die Abmahnung, die Möglichkeit, in dem er die geforderte Unterlassungserklärung abgibt, und die Abmahngebühren bezahlt, die Möglichkeit einen kostenintensiven Rechtsstreit zu vermeiden …
Was tatsächlich hinter der Übertragung der Umsatzsteuerpflicht auf den Abgemahnten steckt
Dieser Gedankengang ist übrigens den Richtern am BFH nicht neu, sondern mit der gleichen Argumentation haben sie bereits zuvor wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Umsatzsteuerpflicht unterworfen (BFH, Urteil vom 21.12.2016 – XI R 27/14). Im Gegensatz zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, bei denen der Abgemahnte, der Umsatzsteuer bezahlt, diese wiederum im Rahmen seines Vorsteuerabzugs als Ausgabe berücksichtigen kann, bleibt bei Urheberrechtsverletzungen im Bereich des Filesharing der Abgemahnte regelmäßig auf den Mehrkosten sitzen. Betroffen sind von solchen Abmahnungen nämlich überwiegend Privatpersonen, die die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug nicht haben. Da also nun die abmahnenden Unternehmen die an die beauftragten Anwälte gezahlte Mehrwertsteuer nicht mehr im Rahmen ihres Vorsteuerabzugs geltend machen können, verteuert dies für die Abgemahnten nicht nur die Abmahnkosten um 19 %, sondern führt bei richtiger Betrachtung dazu, dass künftig der Fiskus bei jeder Abmahnung wegen Filesharing kräftig mitverdient. Der versagte Vorsteuerabzug einerseits und die Abwälzung der Mehrwertsteuer in den Kostenrechnungen der Anwälte auf die Abgemahnten andererseits führt nämlich dazu, dass Abmahnungen aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht nicht Mehrwertsteuer neutral sind, sondern dass der Fiskus zusätzlich Steuereinnahmen generiert. Damit schwindet die Hoffnung der Internetgemeinde, dass der Gesetzgeber effektive Maßnahmen zur Eindämmung des Abmahnwahnsinns, die über bloße Lippenbekenntnisse hinausgehen, auch tatsächlich ergreifen wird. …