Auch, wenn homosexuelle Paare zwischenzeitlich heiraten können, wurden sie bislang vom Staat als „Ehepaare zweiter Klasse“ behandelt. Zumindest dann, wenn es um die Übertragung von Vermögen durch Schenkung oder Erbschaft ging. Das BVerfG hat nunmehr am 21. Juli 2010 entschieden, dass die Ungleichbehandlung im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz verfassungswidrig ist (1 BvR 2464/07, 1 BvR 611/07).
Der Gesetzgeber hat nun bis zum 31.12.2010 eine Neuregelung für die vom Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz a.F. betroffenen Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße in dem Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001 bis zum Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 beseitigt.
Für die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten bestehen nach Auffassung des BVerfG keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass sie die Benachteiligung der Lebenspartner im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung nach dem Jahressteuergesetz 1997 rechtfertigen könnten. Dies gelte für den persönlichen Freibetrag nach § 16 ErbStG a.F. ebenso wie für den Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG a.F. und den Steuersatz nach § 19 ErbStG a.F.
Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern im Recht des persönlichen Freibetrags lasse sich nicht allein mit Verweisung auf den besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) rechtfertigen. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertige die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Die Befugnisse des Staates, in Erfüllung seiner grundgesetzlichen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG für Ehe und Familie tätig zu werden, blieben also gänzlich unberührt von der Frage, inwieweit Dritte etwaige Gleichbehandlungsansprüche geltend machen können. Allein der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entscheide nach Maßgabe der vom BVerfG hierzu entwickelten Anwendungsgrundsätze darüber, ob und inwieweit Dritten, wie hier den eingetragenen Lebenspartnern, ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einer gesetzlichen oder tatsächlichen Förderung von Ehegatten und Familienangehörigen zukommt.
Die unterschiedliche Freibetragsregelung sei, so das Gericht, auch nicht aufgrund einer höheren Leistungsfähigkeit erbender Lebenspartner gerechtfertigt. Soweit zur Begründung des hohen Freibetrags für Ehegatten und Kinder angeführt wird, dass diese aufgrund ihres besonderen Näheverhältnisses und ihrer wirtschaftlichen Beziehung zum Erblasser durch den Erbfall weniger leistungsfähig seien, als es der nominale Wert des Erbes erwarten ließe, gelten die dem zugrunde liegenden Erwägungen ebenso für eingetragene Lebenspartner. Diese lebten wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft. Auch sie partizipierten bereits zu Lebzeiten am Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners und erwarten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes eines Lebenspartners halten zu können. Sofern dem Erhalt der Erbschaft durch den Freibetrag für Ehegatten unterhaltsersetzende Funktion sowie eine Versorgungswirkung zukommt, gelte dies auch für Lebenspartner, die nach der schon für die Ausgangsverfahren maßgebenden Rechtslage einander zu „angemessenem Unterhalt“ verpflichtet sind.
Dass das Erbschaftsteuerrecht prägende Familienprinzip vermag die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten hinsichtlich des persönlichen Freibetrags ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Wie die Ehe sei die eingetragene Lebenspartnerschaft auf Dauer angelegt, rechtlich verfestigt und begründet eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht dadurch legitimiert, dass grundsätzlich nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können und der Gesetzgeber unter Anknüpfung an das Familienprinzip eine möglichst ungeschmälerte Erhaltung kleiner und mittlerer Vermögen in der Generationenfolge erhalten möchte. In ihrer Eignung als Ausgangspunkt der Generationenfolge unterscheide sich die Ehe zwar grundsätzlich von der Lebenspartnerschaft, da aus der Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare grundsätzlich keine gemeinsamen Kinder hervorgehen können. Dieser Gesichtspunkt könne jedoch nicht als Grundlage einer unterschiedlichen Behandlung von Ehegatten und Lebenspartnern herangezogen werden, da er in der gesetzlichen Regelung nicht hinreichend umgesetzt ist. Denn das geltende Recht mache – im Unterschied zu früheren Regelungen – die Privilegierung der Ehe bzw. die Höhe des Freibetrags für Ehegatten gerade nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig.
Für die gänzliche Nichtberücksichtigung der Lebenspartner beim Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG a.F. fehle ebenfalls ein ausreichender Differenzierungsgrund. Der Versorgungsfreibetrag diene in erster Linie dazu, die unterschiedliche erbschaftsteuerrechtliche Behandlung gesetzlicher und vertraglicher Versorgungsbezüge auszugleichen, und solle insofern eine nicht ausreichende Versorgung des überlebenden Ehegatten mit steuerfreien Versorgungsbezügen kompensieren. Dieses gesetzgeberische Ziel besitze in gleicher Weise für Lebenspartner Gültigkeit. Im Übrigen gelten auch hier die vorgenannten Erwägungen.
Schließlich finde sich kein hinreichender Unterscheidungsgrund dafür, dass eingetragene Lebenspartner der Steuerklasse III mit den höchsten Steuersätzen, Ehegatten hingegen der Steuerklasse I mit den niedrigsten Steuersätzen zugewiesen werden (§ 15 Abs. 1, § 19 Abs. 1 ErbStG a.F.). Wie beim persönlichen Freibetrag so gelte auch hier, dass die Unterschiede zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft im derzeitigen Regelungskonzept keine Schlechterstellung der Lebenspartner in der Steuerklasseneinteilung tragen.