Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: „wer stiehlt oder schlägt, der fliegt.“ Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers, ebenso wie Körperverletzungen regelmäßig mit einer fristlosen Kündigung beantwortet werden können. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den sog. Bienenstichfall oder Kassenbonfall,, die für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt haben, weil der Verzehr eines Bienenstich durch eine Bäckereifachverkäuferin bzw. eine Unregelmäßigkeit mit einem Pfandbon bei einer Kassiererin, also Dingen, bei denen es um keine große Sache ging, zu einer fristlosen Kündigung auch eines langjährigen Arbeitsverhältnisses geführt haben. Aber Hand aufs Herz! Haben Sie schon einmal ihr Mobiltelefon am Arbeitsplatz aufgeladen? Falls ja, haben sich dabei Gedanken dazu gemacht, dass dies ein Vermögensdelikt zulasten des Arbeitgebers sein könnte, was sie den Arbeitsplatz kosten kann? Das Arbeitsgericht Duisburg hatte sich in seinem Urteil vom 10.03.2023 (5 Ca 138/22) mit genau so einem Fall befasst, nur dass hier nicht das Smartphone auf Kosten des Arbeitgebers aufgeladen wurde, sondern 5-6 mal sein Elektroauto.
Unerlaubtes Laden eines Elektroautos führt zu fristloser Kündigung
In dem uns vorliegenden Fall hat ein Arbeitnehmer sein Hybridauto unerlaubt an einer Steckdose des Arbeitgebers aufgeladen. Er hat dabei aber nicht etwa eine Wallbox benutzt, sondern eine gewöhnliche Steckdose. Dafür hat er eigens ein Verlängerungskabel von seinem Arbeitsplatz nach draußen verlegt, um sein dort geparktes Kfz an den Strom des Arbeitgebers anzuschließen obwohl in einer Regelung in der Hausordnung das Aufladen von Akkus für Elektromotoren untersagt war. Dies führte zur fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber. Dieser war der Meinung, dass das Fahrzeug mindestens zehnmal bei ihm geladen worden ist. Konkret am 12.01.2022 sei das Auto für mindestens 20 Minuten geladen worden, sodass Strom im Wert von knapp 0,5 € entwendet worden sei. Hierdurch sei sein Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört worden.
Rechtliche Bewertung
Das Arbeitsgericht Duisburg, urteilte zugunsten des Arbeitnehmers. Es wurde festgestellt, dass das unerlaubte Laden eines Elektrofahrzeugs grundsätzlich einen Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB darstellen kann. Jedoch wurde in diesem Fall, unter anderem aufgrund der Geringfügigkeit des entstandenen Schadens und der Tatsache, dass es keine explizite Regelung gegen das Laden für Arbeitnehmer gab, eine Abmahnung als milderes Mittel als ausreichend erachtet.
Anmerkung:
Am Ende hat der Arbeitnehmer dann aber doch seinen Job verloren, denn im Berufungsverfahren vor dem LAG Düsseldorf (8 Sa 244/23) haben die Parteien sich dahingehend verglichen, dass das arbeits Verhältnis aufgrund einer ordentlichen Kündigung geendet hat und der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine soziale Abfindung in Höhe von 8000 € erhält.
Diese Entscheidung zeigt, dass bei der Beurteilung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, eine umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist. Dabei spielen die Schwere des Vertrauensbruchs, die Höhe des entstandenen Schadens, die Dauer und Qualität des Arbeitsverhältnisses sowie die Existenz von Regelungen im Betrieb eine entscheidende Rolle. Im vorliegenden Fall führte die Abwägung dieser Faktoren zur Ansicht, dass eine Abmahnung ein angemesseneres Mittel gewesen wäre als eine fristlose Kündigung.
Gemäß § 248c StGB ist die Entziehung elektrischer Energie unter bestimmten Voraussetzungen strafbar. Dies gilt insbesondere, wenn jemand fremde elektrische Energie in der Absicht entnimmt, sich oder einem Dritten diese Energie rechtswidrig zuzueignen. Diese Bestimmung ist relevant, wenn es um das unerlaubte Aufladen eines Elektrofahrzeugs am Arbeitsplatz geht. Es droht also grundsätzlich nicht nur Ärger mit dem Arbeitgeber, sondern vielleicht sogar mit der Staatsanwaltschaft.