Das Bundesjustizministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 16.03.2015 den Referentenentwurf für ein «Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz» den Länder sowie die betroffenen Fachkreisen und Verbänden mit der Gelegenheit zur Stellungnahme vorgelegt.
Der Entwurf verfolgt das Ziel, den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten, die von der derzeitigen Praxis des Insolvenzanfechtungsrechts ausgehen. Zudem sollen die unter dem geltenden Recht gewährten Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung punktuell neu justiert werden, um übermäßige Belastungen des Geschäftsverkehrs und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden.
Die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sollen gewährleisten, dass das Insolvenzanfechtungsrecht in seiner praktischen Handhabung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Insolvenzgläubigern und denjenigen schafft, gegen die sich insolvenzanfechtungsrechtliche Ansprüche richten.
Neujustierung der Vorsatzanfechtung
Der Referentenentwurf sieht dabei eine Neuregelung im Bereich der Vorsatzanfechtung vor. Künftig soll zwischen Deckungshandlungen (Handlungen, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen) einerseits und sonstigen Rechtshandlungen, wie etwa Vermögensverschiebungen, unterschieden werden. Bei den Deckungsfällen solle weiter zwischen kongruenten und inkongruenten Deckungen unterschieden werden.
Für die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen soll ein deutlich verkürzter Anfechtungszeitraum von vier statt bisher zehn Jahren gelten. Anders als bislang, sollen kongruente Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Schuldner sie in Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gewährte und der Gläubiger dies erkannt hat.
Eine Bitte des Schuldners um eine verkehrsübliche Zahlungserleichterung für sich genommen soll nicht zum Anknüpfungspunkt für die Begründung des Anfechtungsanspruches gemacht werden können. Das Gleiche solle im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung für das Bemühen des Gerichtsvollziehers um eine gütliche Erledigung gelten. Auch soll sich der Rechtsverkehr laut Ministerium darauf verlassen können, dass keine Vorsatzanfechtung droht, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden sollen oder wenn dem Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung seines Unternehmens oder die Sicherung seines Lebensbedarfs ermöglicht werden soll.
Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs
Ein grundsätzlich anfechtungsausschließendes Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO soll gegeben sein, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Damit sollen die Rechtsunsicherheiten für die Arbeitnehmer beseitigt werden.
Einschränkung der Inkongruenzanfechtung
Deckungen, die durch Zwangsvollstreckung auf der Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren erlangten Vollstreckungstitels erwirkt worden sind, sollen künftig nur unter den erschwerten Anforderungen des § 130 InsO (also bei Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. der Insolvenzantragstellung) anfechtbar sein. Ziel sei es, insbesondere Arbeitnehmer sowie kleine und mittelständische Unternehmen, die unter Inkaufnahme von Prozess- und Kostenrisiken einen Titel erlangt haben, besser zu schützen.
Begrenzung von Prozesszinsen und Nutzungsherausgabe
Anfechtungsansprüche sollen künftig nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder des § 291 BGB verzinst werden, nicht jedoch von Verfahrenseröffnung an.
Änderungen im Anfechtungsgesetz
Die Änderungen im Insolvenzanfechtungsrecht sollen auch im Recht der Einzelgläubigeranfechtung nachvollzogen werden, soweit das Anfechtungsgesetz entsprechende Regelungen vorsieht. Es gebe keinen Anlass, künftig von einem grundsätzlichen Gleichlauf der beiden Rechtsmaterien abzugehen.
Anwendbarkeit
Anwendbar sind die neuen Regelungen, wenn das Verfahren, in dessen Rahmen der Anfechtungsanspruch erhoben wird, am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes oder später eröffnet wird. Auf Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet wurden, sind die bis dahin geltenden Vorschriften der Insolvenzordnung weiter anzuwenden.