Die Neustarthilfe Plus sollte insbesondere Soloselbstständigen in den kulturellen und kreativen Berufen durch die Corona-Krise helfen. Für viele Künstlerinnen und Künstler, die projekt- und auftragsbasiert arbeiten, bot die Förderung eine dringend benötigte finanzielle Stütze. Doch seit der Auszahlung sehen sich viele Empfänger nun mit Rückforderungen konfrontiert. Besonders komplex gestaltet sich die Lage für Darstellende Künstler, die häufig in wechselnden, kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Dieser Artikel beleuchtet, warum Rückforderungen entstehen, welche Sonderregelungen für Beschäftigte in den Darstellenden Künsten gelten und welche Möglichkeiten Soloselbstständige haben, sich gegen eine Rückforderung zur Wehr zu setzen.
Was ist die Neustarthilfe Plus?
Die Neustarthilfe Plus ist Teil der Überbrückungshilfen, die die Bundesregierung zur finanziellen Unterstützung von Soloselbstständigen, Freiberuflern und kleinen Unternehmen während der Corona-Pandemie eingeführt hat. Anders als bei klassischen Überbrückungshilfen handelt es sich hier um eine Betriebskostenpauschale, die auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn keine hohen Fixkosten anfallen. Soloselbstständige konnten für die Quartale des Jahres 2021 finanzielle Unterstützung beantragen, um den pandemiebedingten Einnahmeverlust abzufedern.
Gemäß den Richtlinien der Neustarthilfe Plus müssen Antragsteller jedoch nachweisen, dass sie ihre Tätigkeit im Haupterwerb ausführen. Das bedeutet: Mindestens 51 % der Einkünfte im Referenzjahr (meist 2019) müssen aus einer selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit stammen. Genau hier liegt oft der Knackpunkt für viele Künstlerinnen und Künstler, deren Einnahmen aufgrund kurzfristiger Anstellungen – z. B. für Dreharbeiten – als „nichtselbstständig“ deklariert werden.
Warum kommt es zu Rückforderungen?
Die Rückforderungen entstehen häufig, wenn die Bewilligungsbehörde nachträglich feststellt, dass die Einkünfte im Referenzjahr nicht zu mindestens 51 % aus selbstständiger Tätigkeit stammten. Soloselbstständige, die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit auch kurzzeitig angestellt waren, überschreiten diese Grenze schnell, wenn ihre Einnahmen aus diesen Beschäftigungen höher waren als aus selbstständigen Tätigkeiten. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Behörden bei der Prüfung oft allein auf den Steuerbescheid für das Jahr 2019, die Lohnsteuerbescheinigungen oder Sozialversicherungsdaten zurückgreifen und dabei übersehen, dass viele dieser Anstellungen projektbasiert und sehr kurz sind.
Für die darstellenden Künste und kulturelle Berufe gibt es jedoch eine entscheidende Sonderregelung: Kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten können ebenfalls antragsberechtigt sein, auch wenn sie die 51 %-Grenze nicht erreichen, sofern ihre Anstellungen maximal 14 zusammenhängende Wochen pro Auftrag dauern. Diese Ausnahme soll dem Umstand Rechnung tragen, dass Künstler oftmals nur für einige Tage oder Wochen angestellt sind und ansonsten als Soloselbstständige tätig bleiben.
Die Sonderregelung für kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten
Laut den FAQ des Bundeswirtschaftsministeriums zur Neustarthilfe können Einkünfte aus kurz befristeten Beschäftigungsverhältnissen in den Darstellenden Künsten unter bestimmten Voraussetzungen als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit gezählt werden. Damit soll die besondere Arbeitsweise in der Kulturbranche berücksichtigt werden, in der viele Künstler projektweise und kurzfristig arbeiten.
Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Sonderregelung sind:
1. Die nichtselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse dürfen nicht länger als 14 zusammenhängende Wochen pro Projekt andauern.
2. Die Tätigkeiten müssen in Berufen aus den Bereichen der „Darstellenden und unterhaltenden Berufe“ (z. B. Schauspiel, Regie) oder vergleichbaren Tätigkeiten ausgeübt werden.
3. Der Antragsteller darf für den relevanten Zeitraum keine Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld erhalten haben.
Diese Regelung findet sich in den Richtlinien der Überbrückungshilfe III und III Plus, sowie in den Erläuterungen auf der offiziellen Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zur Neustarthilfe. Darstellende Künstler, die durch kurze Einsätze als Angestellte nicht in die 51 %-Grenze passen, haben daher gute Chancen, dennoch als „hauptberuflich selbstständig“ zu gelten, wenn die oben genannten Kriterien erfüllt sind.
Beispiel aus der Praxis
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Behörden wie die IHK bei der Überprüfung der Anträge auf diese Sonderregelung nicht immer ausreichend eingehen. Ein aktuelles Beispiel aus der Rechtspraxis betrifft eine Schauspielerin, die im Jahr 2019 an nur elf Drehtagen für einen öffentlich-rechtlichen Sender angestellt war, jeweils für ein bis zwei Tage. Da der Sender die gesamte Beschäftigungssumme für 2019 in einer Lohnsteuerbescheinigung zusammenfasste, schloss die Behörde fälschlicherweise auf eine durchgehende Anstellung und verneinte die Antragsberechtigung. Die Künstlerin kann jedoch nachweisen, dass die Beschäftigungsverhältnisse kurz befristet und in der Kulturbranche üblich waren, wodurch die Rückforderung rechtswidrig ist. Ein entsprechender Rechtsstreit ist derzeit beim Verwaltungsgericht München anhängig.
Vorgehen bei einer Rückforderung: Rechte und Möglichkeiten
Betroffene Künstlerinnen und Künstler, die eine Rückforderung erhalten, sollten ihre Unterlagen sorgfältig prüfen und die Sonderregelungen für ihre Branche geltend machen. Eine fehlerhafte Rückforderung kann durch die Einsicht in folgende Unterlagen entkräftet werden:
– Lohnsteuerbescheinigungen mit den genauen Daten der kurzfristigen Beschäftigungen,
– Sozialversicherungsnachweise über die Versicherungszeiten in der Künstlersozialkasse,
– Nachweise über die projektbezogene Arbeitstätigkeit (z. B. Verträge und Rechnungen).
Sollte die Behörde dennoch an der Rückforderung festhalten, ist eine Klage beim Verwaltungsgericht möglich. Wichtig ist, dass im Rahmen der Klage die Kurzfristigkeit und Eigenheiten der Beschäftigungen ausführlich dokumentiert werden. Für Betroffene empfiehlt sich eine anwaltliche Unterstützung, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen.
Fazit
Die Rückforderung der Neustarthilfe Plus stellt für viele Künstlerinnen und Künstler eine enorme finanzielle Belastung dar. Doch gerade für Soloselbstständige in den Darstellenden Künsten gibt es Sonderregelungen, die eine Rückforderung verhindern können, wenn die Arbeitsverhältnisse nur kurz und projektbezogen waren. Eine umfassende Dokumentation und gegebenenfalls die anwaltliche Vertretung sind daher sinnvoll, um gegen unrechtmäßige Rückforderungen vorzugehen. Behörden müssen im Rahmen ihres Ermessens sicherstellen, dass spezifische Regelungen für die Kulturbranche berücksichtigt werden. Soloselbstständige sollten sich daher gut informieren und die Rechtmäßigkeit von Bescheiden kritisch hinterfragen, um die finanzielle Hilfe, die ihnen während der Pandemie zugesagt wurde, dauerhaft zu behalten.