Das dicke Ende kommt bekanntlich immer zum Schluss. So ist es auch für viele Selbstständige und Unternehmen, die während der Corona Pandemie mit dem Versprechen von Soforthilfen ruhiggestellt wurden und die nunmehr mit undurchsichtigen Rückmeldeverfahren und im schlimmsten Fall Rückzahlungsbescheiden in die Pflicht genommen werden. Während Soloselbstständige, Einzelunternehmen und Freiberufler bereits am 31.12.2023 Stichtag für die Rückmeldung hatten, läuft nun am 29. Februar 2024 die verlängerte Rückmeldefrist für Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, die Corona-Soforthilfe bezogen haben, ab. In so mancher Chefetage wird deshalb augenblicklich darüber nachgedacht und diskutiert, ob und wenn ja wie am besten mit der Aufforderung zur Rückmeldung, also Angaben in einer von den Behörden im Internet zur Verfügung gestellten Eingabemasken zu machen, umgegangen werden soll. Wir sagen Ihnen nachfolgend, worum es geht und wo Ihre Chancen und Risiken liegen.
Corona-Soforthilfe: Fluch oder Segen?
Die Corona-Pandemie hat weltweit zu beispiellosen wirtschaftlichen Herausforderungen geführt. In Deutschland wurden zahlreiche Hilfsprogramme aufgelegt, um Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Ein zentrales Element dieser Unterstützung war die Gewährung von Soforthilfen, die darauf abzielten, nicht zuletzt durch staatliche Eingriffe verursachte, existenzbedrohende wirtschaftliche Folgen abzumildern und die Liquidität der betroffenen Unternehmen zu sichern. Die Abwicklung dieser Hilfen wirft jedoch komplexe rechtliche Fragen auf, weil zu Überraschung vieler Leistungsempfänger nunmehr plötzlich nicht nur Rückmeldungen gemacht werden müssen, sondern im schlimmsten Fall auch eine Rückforderung der gesamten Hilfszahlung droht. Gerade durch die sprachliche Unterscheidung zwischen Soforthilfe einerseits und weitergehenden Darlehen andererseits, aber auch durch politische Rhetorik einiger führender Politiker, war bei vielen, die eine solche staatliche Leistung in Anspruch nahmen, der Eindruck entstanden, die ausgekehrten Gelder auch dauerhaft behalten zu dürfen.
Rechtliche Grundlagen und Problematik
Die Gewährung der Corona-Soforthilfe basierte auf spezifischen Bewilligungsbescheiden, die anhand der eingereichten Anträge und Unterlagen erstellt wurden. Diese Bescheide enthielten regelmäßig (oft sehr unverständlich formulierte) Nebenbestimmungen, die unter bestimmten Umständen seitens der Behörden eine Rückforderung der gewährten Mittel ermöglichen. Ein zentraler Aspekt war die Zweckbindung der Mittel, die ausschließlich der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie dienen sollten.
Ein kritischer Punkt in der rechtlichen Auseinandersetzung betrifft die Frage, inwieweit die Empfänger der Soforthilfe die Möglichkeit einer Rückforderung aus den Bewilligungsbescheiden erkennen konnten. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in diesem Zusammenhang Bedenken geäußert und festgestellt, dass die Nebenbestimmungen nicht zwingend so verstanden werden mussten, dass eine Rückzahlung erforderlich ist. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Transparenz und Verständlichkeit der Bewilligungsbescheide auf.
Voraussetzungen für eine Rückforderung
Die rechtliche Basis für eine Rückforderung ergibt sich, jedenfalls dann, wenn bei der Beantragung korrekte Angaben gemacht worden sind, primär aus § 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), der einen Widerruf unter bestimmten Umständen erlaubt. In Bayern gilt die inhaltsgleiche Regelung des Art. 49 BayVwVfG. Juristisch spricht man hier vom Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts. Wesentlich ist dabei, dass sich die für die Bewilligung maßgeblichen Umstände nachträglich verändert haben müssen. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn der prognostizierte Liquiditätsengpass nicht oder nicht im prognostizierten Umfang eingetreten ist, das Unternehmen also besser durch die Krise gekommen ist, als zum Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten war. Der Widerruf ist aber kein starrer Automatismus, sondern die Entscheidung über einen Widerruf liegt im Ermessen der Behörde, dass von dieser pflichtgemäß ausgeübt werden muss. Dies bedeutet, sie muss die privaten Interessen des Hilfeempfängers gegen das öffentliche Interesse abwägen. Wenn hier die Behörde im Rahmen einer Rückforderung nur Standardformulierungen verwendet, anstatt sich mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzen, dann könnte ein Rückforderungsbescheid bereits aus diesem Grund ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sein.
Die Rechtsprechung des OVG NRW als Richtschnur
Das OVG NRW hat in seinen Entscheidungen zu Corona-Soforthilfen (Urteil vom 17. März 2023, 4 A 1986/22) deutlich gemacht, dass die Klarheit und Verständlichkeit von Bewilligungsbescheiden von entscheidender Bedeutung sind. In einem richtungsweisenden Urteil hat das Gericht Bedenken hinsichtlich der Transparenz der Nebenbestimmungen geäußert, die eine Rückforderung der Soforthilfen unter bestimmten Bedingungen ermöglichen. Nach Auffassung des Gerichts waren diese Nebenbestimmungen im entschiedenen Fall nicht so formuliert, dass ein juristischer Laie sie zwingend im Sinne einer Rückzahlungsverpflichtung verstehen musste. Diese Feststellung wirft ein kritisches Licht auf die Praxis der Bewilligungsbehörden und unterstreicht die Notwendigkeit einer klaren und unmissverständlichen Kommunikation.
Kritische Aspekte der Rückforderungspraxis
Die Rechtsprechung des OVG NRW lenkt die Aufmerksamkeit auf mehrere kritische Aspekte im Zusammenhang mit der Rückforderung von Corona-Soforthilfen:
– Transparenz und Verständlichkeit
Die Entscheidungen des OVG NRW betonen die Bedeutung einer transparenten und leicht verständlichen Darstellung der Rückforderungsvoraussetzungen in den Bewilligungsbescheiden. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Empfänger der Soforthilfen ihre Rechte und Pflichten vollständig verstehen.
– Rechtssicherheit und Vertrauensschutz
Die Feststellungen des Gerichts weisen auf die Notwendigkeit des Schutzes des berechtigten Vertrauens der Hilfsempfänger hin. Die Empfänger haben auf die Beständigkeit der Bewilligungsbescheide vertraut und auf dieser Grundlage finanzielle Entscheidungen getroffen. Eine nachträgliche Rückforderung ohne klare rechtliche Grundlage steht daher im Widerspruch zum Grundsatz des Vertrauensschutzes.
– Einzelfallprüfung und Ermessensentscheidungen
Das OVG NRW macht deutlich, dass jede Rückforderung einer individuellen Prüfung bedarf. Die Behörden müssen ihr Ermessen sachgerecht ausüben und dabei sowohl die öffentlichen Interessen als auch die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände der Betroffenen berücksichtigen.
– Stellungnahme und Forderungen
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des OVG NRW muss die Rückforderungspraxis kritisch hinterfragt werden. Es ist unerlässlich, dass die Behörden:
- Bewilligungsbescheide klar und verständlich formulieren, um sicherzustellen, dass alle Empfänger die Bedingungen und möglichen Folgen vollständig erfassen können.
- Die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit hochhalten, um das Vertrauen in staatliche Unterstützungsmaßnahmen nicht zu untergraben.
- Eine individuelle Prüfung und Abwägung in jedem Rückforderungsfall vornehmen, um eine gerechte und angemessene Entscheidung zu treffen.
Vorsicht: Beim Ausfüllen der Rückforderungsmaske kein Anerkenntnis abgeben
Bereits die von den Behörden online zur Verfügung gestellte Maske für die Rückmeldung ist aus rechtlicher Sicht problematisch, weil derjenige, der nicht angeben kann, dass er bereits zurückgezahlt habe, beim Ankreuzen eines der Felder faktisch anerkennt, dem Staat eine Rückzahlung, ganz oder jedenfalls teilweise zu schulden. Als Auswahlmöglichkeiten stehen nur zur Verfügung, dass man bereits zurückgezahlt hat, zurückzahlen muss, teilweise zurückzahlen muss, zurückzahlen muss, aber dafür eine Ratenzahlung benötigt oder aber zurückzahlen muss aber wegen Existenzgefährdung ein Erlass beantragt wird.
Wer also ein solches „Anerkenntnis“ einer Schuld nicht abgeben möchte, dem bleibt auf den ersten Blick nur, nicht an dem Rückmeldeverfahren teilzunehmen. Dies ist allerdings regelmäßig nicht empfehlenswert, weil dann zu erwarten ist, dass nicht nur die Behörde den gesamten Betrag zur Rückzahlung fällig stellt, sondern daneben auch die Möglichkeit einer Ratenzahlung ausgeschlossen wird und vor allen Dingen wohl auch die Forderung zuzüglich Zinsen geltend gemacht werden wird. Darüber hinaus wird darüber diskutiert, ob die Nichtbeachtung nicht auch die Gefahr eines Strafverfahrens nach sich zieht.
Wer also, um aus dieser Zwickmühle zu entkommen, die Maske ausfüllt, der sollte jedenfalls dann, wenn er kein Anerkenntnis abgeben möchte, parallel sich schriftlich an die Behörde wenden und dieser mitteilen, dass zwar der Pflicht zur Rückmeldung entsprochen wurde, damit aber ein Rückzahlungsanspruch nicht anerkannt wird, sondern man sich vorbehält eine etwaige Rückforderung gerichtlich auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.
Fazit
Die Urteile des OVG NRW zur Rückforderung von Corona-Soforthilfen liefern wichtige Leitlinien für eine rechtsstaatliche und faire Abwicklung dieser komplexen Materie. Sie fordern eine präzise und verständliche Kommunikation, die Wahrung des Vertrauensschutzes und eine differenzierte, einzelfallbezogene Entscheidungspraxis. Nur durch die Beachtung dieser Grundsätze können die berechtigten Interessen der Hilfsempfänger geschützt und das Vertrauen in die Integrität staatlicher Unterstützungsaktionen gewahrt werden. Die Rückforderungspraxis muss daher kritisch überdacht und an diese Maßstäbe angepasst werden, um eine gerechte und rechtskonforme Lösung für alle Beteiligten zu gewährleisten. Für Betroffene gilt es allerdings zu beachten, dass das Urteil nicht allgemeinverbindlich wirkt, sondern wie jedes Urteil nur eine Einzelfallentscheidung darstellt. Von daher ist es möglich, dass sich andere Gerichte an diesen Vorgaben orientieren. Zwingend ist es aber nicht, weil jede Richterin und jeder Richter, die mit einer solchen Angelegenheit befasst sind, hierzu eine andere Auffassung vertreten kann. Sollten andere Oberverwaltungsgerichte, die in manchen Bundesländern, wie beispiellose Bayern, Verwaltungsgerichtshof heißen, zu anderen Auffassung gelangen, wird am Ende wohl das Bundesverwaltungsgericht das letzte Wort sprechen.
Sind auch Sie von der Rückforderung einer Corona-Soforthilfe betroffen, dann beraten und unterstützen wir Sie gerne.