Hatte der Bundesfinanzhof noch mit Urteil vom 12.05.2011 entschieden, dass sämtliche Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, so hat er diese Auffassung mit Urteil vom 18.06.2015 (Az.: VI R 17/14) wieder aufgegeben und ist zur früheren Rechtsprechung zurückgekehrt. Danach kommt es auf die Ursachen an, die zu den Ausgaben geführt haben. Nur wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, sind sie zwangsläufig und daher als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Die frühere Rechtsprechung (Urteil vom 09.05.1996) berücksichtigte Zivilprozesskosten nur dann als außergewöhnliche Belastung, wenn ohne Berücksichtigung dieser Ausgaben „der Steuerpflichtige Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“. Auf dieser Basis erklärte der BFH Aufwendungen, die die Scheidung selbst und den Versorgungsausgleich (= Zwangsverbund) betreffen, zu außergewöhnlichen Belastungen, während er Kosten im Zusammenhang mit Unterhalt, Hausrat und Güterrecht als nicht zwangsläufig ablehnte.
Der Gesetzgeber hat das Einkommensteuerrecht (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG) ab 2013 geändert und damit das BFH-Urteil vom 12.05.2011 de facto aufgehoben. Die neue Gesetzesformulierung entspricht der Begründung aus o. g. BFH-Urteil vom 09.05.1996. Im Gegensatz zum BFH schlussfolgert die Finanzverwaltung daraus, dass Scheidungskosten nicht anzuerkennen sind, weil sie die Existenzgrundlage regelmäßig nicht gefährden. Dies ist umstritten, denn mit der Gesetzesänderung sollte nur der frühere Rechtszustand wiederhergestellt werden. Beim BFH sind drei Revisionsverfahren (Az.: VI R 66/14, VI R 81/14, VI R 19/15) anhängig.
Steuerpflichtige sollten ihre Scheidungskosten daher weiterhin als außergewöhnliche Belastung geltend machen, gegen die Ablehnung Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen. Ihr Einspruch ruht danach automatisch solange, bis der BFH eine Entscheidung getroffen hat.
(Quelle: Auszug aus einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine e. V.)