Erhält ein Dienstleister für seine Tätigkeit vereinbarte monatliche Pauschalvergütungen, dann schwebt immer das „Gespenst der Scheinselbstständigkeit“ über dem Vertragsverhältnis. Ob ein solcher Mitarbeiter als selbstständig oder angestellt eingestuft wird, spielt zum einen, wenn es zum Streit kommt eine Rolle für die Frage, ob die ordentliche Gerichtsbarkeit oder die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig ist. Viel gravierender als die Frage des Rechtswegs ist aber die Frage, ob eine sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt und damit Sozialsicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Wird hier nämlich rückwirkend eine selbständige Tätigkeit als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestuft, dann drohen nicht nur erhebliche Nachzahlungen inklusive Verspätungszuschlägen, sondern der potentielle Arbeitgeber kann sich auch wegen der Vorenthaltung von Sozialisierungsbeiträgen strafbar gemacht haben.
In einem vom OLG Köln mit Beschluss vom 23.07.2015 (19 B 9/15) entschieden Rechtsstreit hat ein mit der Bauleitung von einem Bauträger beauftragter Architekt ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 3.000 € erhalten. Als der Bauträger dann selbst auf Schadenersatz wegen Mangelhaftigkeit des Bauwerks in Anspruch genommen wurde, klagte er gegen den Architekten seinerseits auf Feststellung der Schadenersatzpflicht wegen angeblicher Fehler bei der Bauleitung. Der vor dem Landgericht eingereichten Klage begegnete der Architekt zunächst damit, dass er die Zulässigkeit des beschriebenen Rechtswegs zur ordentlichen Gerichtsbarkeit in Abrede stellte. Da er aufgrund der Vertragsgestaltung wirtschaftlich abhängig war, sei er scheinselbständig gewesen und damit Arbeitnehmer, so dass die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig wäre, so seine Argumentation. Während das Landgericht dieser Argumentation gefolgt war, hob das OLG Köln in der vorgenannten Entscheidung den Beschluss des Landgerichts auf und erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig. Die Arbeitsgerichte sind in vorliegender Sache nicht zuständig.
Mit Beschluss vom 28.05.2015 hat der Senat darauf hingewiesen, dass von der Zulässigkeit des Rechtswegs vor den ordentlichen Gerichten auszugehen sein dürfte. Hierzu hat der Senat Folgendes ausgeführt:
„Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen unter anderem für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausschließlich zuständig. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer auch arbeitnehmerähnliche Personen.
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vergleiche BAG, Beschluss vom 11.06.2003, 5 AZB 43/02).
Bei der gebotenen Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung als Arbeitnehmer dürfte nicht auf den Inhalt der von dem Beklagten vorgelegten „Vereinbarung über freie Mitarbeit als Bauleiter“ abzustellen sein. Denn dass dieser lediglich als Entwurf vorliegende Vertrag zwischen dem Beklagten und der Fa. D GmbH den zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits getroffenen Vereinbarungen entspricht, wird beklagtenseits gar nicht behauptet.
Mithin ist die rechtliche Einordnung des streitgegenständlichen Beschäftigungsverhältnisses mangels dokumentierter Vertragsgestaltung anhand der von den Parteien vorgetragenen Art und Weise der Durchführung des Vertrags vorzunehmen.
Dem von dem Landgericht bei seiner Nichtabhilfeentscheidung in den Vordergrund gerückten Kriterium der Vergütungsweise dürfte dabei bereits nach der oben genannten Definition keine relevante Bedeutung beizumessen sein. Trotz der über einen längeren Zeitraum erfolgten Beschäftigung zu einem monatlichen Pauschalhonorar kann eine selbstständige Tätigkeit vorliegen (vergleiche BAG, Urteil vom 03.07.1985, 5 AZR 69/84: Pauschalhonorar i.H.v. 2800 DM mtl. für freie Mitarbeit in einer Anwaltspraxis; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2005, 23 U 174/09: Pauschalhonorar i.H.v. 3000 Euro mtl. für Buchführungsarbeiten).
Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Danach unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet (vergleiche BAG, Beschluss vom 11.06.2003, 5 AZB 43/02; Urteil vom 03.07.1985, 5 AZR 69/84).
Hier ist nach dem bisherigen Parteivortrag weder aus dem Arbeitsort noch der Arbeitszeit des Beklagten auf ein entsprechendes Weisungsrecht des Klägers zu schließen. Der Arbeitsort des Beklagten auf der Baustelle N Straße 17 dürfte sich aus der Art der ihm übertragenen Tätigkeit als Bauleiter ergeben. Entsprechendes dürfte für die Anwesenheit des Beklagten auf der Baustelle zu den üblichen Arbeitszeiten von Handwerkern gelten. Die von dem Beklagten vorgetragenen Aufgaben, die er im Rahmen der Bauleitung übernommen haben will, dürften ebenfalls nicht für seine Arbeitnehmerstellung sprechen, zumal es bei der Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters auf die fachliche Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten nicht entscheidend ankommt (vergleiche BAG, Urteil vom 03.07.1985, 5 AZR 69/84).
Ob der Beklagte – seiner Behauptung entsprechend – neben dem Objekt N Straße 17 noch weitere Bauvorhaben betreut hat, wird dahinstehen können, da er eigenen Angaben zufolge dies nicht für den Kläger, sondern für die Fa. D GmbH getan haben will. Aus demselben Grund dürfte es auch nicht darauf ankommen, ob er zeitweilig ein Büro der Fa. D GmbH genutzt hat.
Auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung als freiberuflicher Bauleiter durch den Beklagten sowie die Frage, auf wessen Initiative und Kosten dieser erfolgte, erscheint für die rechtliche Einordnung des streitgegenständlichen Beschäftigungsverhältnisses ohne Belang.
Im Ergebnis ist daher – entgegen der Auffassung des Landgerichts in seinem angefochtenen Beschluss sowie der Nichtabhilfeentscheidung – nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht von der Arbeitnehmerstellung des Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG auszugehen.
Soweit es sich bei dem Beklagten um eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG handeln kann, dürfte der bisherige Sachvortrag hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte geben.
Nach der Legaldefinition des § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG handelt es sich dabei um Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind.
Hierzu behauptet der Beklagte schlicht, von dem Kläger seinerzeit wirtschaftlich abhängig gewesen zu sein. Damit sind die Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag nicht erfüllt.“
Der Senat hält hieran auch in der für die vorliegende Entscheidung zuständigen Besetzung fest. Der neue Sachvortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 18.06.2015 veranlasst den Senat nicht, von seiner Auffassung abzurücken. Ergänzend sei hierzu Folgendes ausgeführt:
Die vorstehend zitierten Gründe des Hinweisbeschlusses des Senats vom 28.05.2015 beziehen sich ausschließlich auf das Rechtsverhältnis der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits, wenn der Beklagte die Bauleitung an dem Objekt N Straße 17 in L für den Kläger persönlich übernommen hat, so wie dies klägerseits vorgetragen worden ist und wovon offenbar auch der Beklagte zunächst ausgegangen ist. Auf ein etwaiges Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Fa. D GmbH, wie es erst mit Schriftsatz vom 18.06.2015 unter Vorlegung des unterzeichneten Exemplars der „Vereinbarung über die freie Mitarbeit als Bauleiter“ vom 15.04.2007 (Bl. 203 ff. GA) beklagtenseits vorgetragen wird, kommt es für die Bestimmung des Rechtswegs (§ 17a GVG) in vorliegender Sache nicht an.
Zwischen dem Beklagten und dem Kläger persönlich hat jedenfalls kein Arbeitsverhältnis bestanden. Der Beklagte ist für den Kläger auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person tätig gewesen. Hiervon ist erst recht nach dem neuen Vobringen des Beklagten auszugehen. Dass der Kläger persönlich in einem Vertragsverhältnis zu dem Beklagten als Arbeitnehmer gestanden habe, wird von diesem ausdrücklich nicht mehr vorgetragen. Unter Bezugnahme auf das erst mit Schriftsatz vom 18.06.2015 vorgelegte unterschriebene Exemplar der „Vereinbarung …“ vom 15.04.2007 bestreitet der Beklagte nunmehr, dass neben dem mit der Fa. D GmbH geschlossenen Vertrag jemals ein weiteres Vertragsverhältnis zu dem Kläger persönlich bestanden habe. Ob die Vereinbarung mit der Fa. D GmbH vom 15.04.2007 der Auffassung des Beklagten entsprechend als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist, kann hier dahinstehen, da aus dem vorgenannten Vertrag jedenfalls kein Arbeitsverhältnis zu dem Kläger persönlich folgt. Arbeitgeber kann nämlich unzweifelhaft auch eine juristische Person sein (vergleiche Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage 2015, § 611 BGB Rn. 184; Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Auflage 2015, Einf. v. § 611 Rn. 6).
Mithin ist auch nach dem neuen Vortrag des Beklagten mangels Arbeitgeberstellung des Klägers nicht von der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auszugehen.“
Anmerkung:
In den Augen der Rentenversicherung und damit wohl auch bei der Sozialgerichtsbarkeit fände eine solche Argumentation kein Gehör. Aus unserer täglichen Praxis wissen wir, dass derzeit eine Vielzahl von Unternehmen, die regelmäßig freie Mitarbeiter beschäftigen, massiv in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht werden, weil bei Betriebsprüfungen die Rentenversicherung solche freien Verhältnisse regelmäßig als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis einstufen. Die an den freien Mitarbeiter geleisteten Zahlungen werden dann als Nettozahlungen gewertet und dann das Gehalt fiktiv auf Grundlage der Steuerklasse VI nachberechnet. Hinzu kommen Säumniszuschläge, so dass die Rentensicherung mit ihren Bescheiden erhebliche Nachforderungen geltend macht, die, da Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, auch dann zunächst beglichen werden müssen, wenn gegen den Bescheid geklagt wird. Unternehmer werden dann zusätzlich dadurch belastet, dass im nächsten Schritt das Finanzamt nicht einbehaltene Lohnsteueranteile, ungeachtet eines etwaigen Rückgriffanspruchs des Unternehmens gegen seinen Mitarbeiter, gegenüber dem Unternehmen geltend macht. Wer nun in Panik gerät und meint, er könnte den Zustand dadurch bereinigen, dass der freie Mitarbeiter nunmehr einfach angestellt wird, der tappt in die nächste Falle. Erfolgt nämlich eine Anstellung eines vormaligen freien Mitarbeiters, dann argumentiert die Rentenversicherung damit, dass dies gerade der Beleg dafür sei, dass es sich seit ihr die um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe… Auch, wer bei seiner Verteidigung damit argumentiert, dass der Mitarbeiter sich gar nicht anstellen lassen wollte, sondern eine freie Mitarbeit gewünscht hat, tappt in die nächste Falle. Dies deshalb, weil dies als bedingter Vorsatz ausgelegt wird, sodass im Rahmen eines folgenden Strafverfahrens dann auch mit einer Verurteilung zu rechnen ist. Strafrechtlich ist nämlich mindestens bedingter Vorsatz erforderlich, um einen Unternehmer oder Geschäftsführer wegen Hinterziehung von Sozialisierungsbeiträgen verurteilen zu können. Bloß grobe Fahrlässigkeit reicht dagegen nicht aus.