Schweigen bedeutet rechtlich, jedenfalls zwischen Privatpersonen (Verbrauchern), grundsätzlich nichts. Was viele (auch Juristen) allerdings nicht wissen ist, dass dem Schweigen unter bestimmten Voraussetzungen als sog. beredtes Schweigen ausnahmsweise doch Erklärungswert zukommen kann. Dies hat das Amtsgericht Wolfratshausen (1 C 1211/16) in einem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil entschieden und einen Miteigentümer einer Straße zur Bezahlung anteiliger Pflasterarbeiten verurteilt.
Parteien vereinbaren in einem vorangegangenen Vergleich bis zu einem bestimmten Termin Pflasterarbeiten an einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Privatstraße durchführen zu lassen
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten die Parteien in einem Vorverfahren vergleichsweise vereinbart eine im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Privatstraße bis zu einem bestimmten Zeitpunkt pflastern zu lassen.
In Vollzug des Vergleichs hatte zunächst der eine Nachbar ein Angebot zur Durchführung der Arbeiten eingeholt und dies dem Kläger übersandt. Der Kläger wiederum hatte ein Angebot eingeholt, das deutlich kostengünstiger gewesen ist, und dieses Angebot wiederum dem Beklagten übersandt. Der Beklagte hatte darauf nicht reagiert. Ebenso wenig hatte er darauf reagiert, als ihm mit Anwaltsschreiben nochmals mitgeteilt worden war, dass dann, wenn keine anderweitige Rückäußerung erfolgt, der Auftrag entsprechend dem Angebot namens der Bruchteilsgemeinschafter vergeben werden wird. Auch auf Ankündigungen des Unternehmers über die bevorstehenden Pflasterarbeiten hatte der Beklagte nicht reagiert. Er war auch nicht der Aufforderung des Unternehmers zur Abnahme zu erscheinen gefolgt.
Als dann nach Abschluss der Arbeiten der Unternehmer entsprechend dem Miteigentumsanteil seinen Werklohn forderte, bezahlte der Beklagte nicht mit der Begründung, er habe die Arbeiten nicht beauftragt. Vielmehr solle sich der Werkunternehmer an seinen Nachbarn halten, der en Auftrag erteilt habe. Dieser hat dann zunächst die gesamten Pflasterarbeiten bezahlt.
Schweigender Nachbar weigert sich seinen Anteil an den Kosten für die Pflasterarbeiten zu bezahlen
Auch hinsichtlich des nun geltend gemachten Ausgleichsanspruchs weigerte sich der Beklagte den seinen Miteigentumsanteil entsprechenden Anteil an den Kosten der Pflasterarbeiten zu bezahlen. Dies deshalb, weil er nicht ausdrücklich seine Zustimmung erteilt habe, und auch nicht erteilen werde. Im Übrigen gefalle ihm die so erstellte Straße, die von ihm seit Jahren mitbenutzt wurde, nicht Der uneinsichtige Nachbar ging sogar noch weiter und drohte damit den Rückbau der Pflasterarbeiten zu verlangen.
Schweigen mit Erklärungswert
Bei Gericht fand er allerdings mit seiner Einlassung kein Gehör, denn das Schweigen hatte (ausnahmsweise) Erklärungswert.
Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt, gilt nämlich für sog. beredtes Schweigen. Schweigt eine Person, kann ihrem Gesamtverhalten, das dann als Auslegungsgegenstand in Betracht kommt, dennoch ein Erklärungswert zukommen. Bei der Auslegung ist daher erstens zu ermitteln, ob ein Schweigen mit Erklärungswert vorliegt; zweitens ist ggf. der Inhalt des Erklärungswertes zu erschließen, so das Gericht. Wenngleich im Zusammenhang mit dem Erklärungswert von Schweigen besonders oft von Treu und Glauben die Rede ist, hat die Auslegung auch hier nicht von den Kriterien des § 157 BGB auszugehen, sondern zunächst nach dem wirklichen Willen des Schweigenden und dann nach der Verständnismöglichkeit dessen zu fragen, dem gegenüber das Schweigen Erklärungswert hat. Im Ergebnis gelten daher für die Auslegung von Schweigen mit Erklärungswert dieselben Regeln wie für die Auslegung von ausdrücklichen Erklärungen.
Gemessen an diesen Grundsätzen war das Schweigen der Beklagten vorliegend als Zustimmung zu der Beauftragung auszulegen, so das Gericht.
Da der uneinsichtige Nachbar es nicht glauben wollte, dass in bestimmten Fällen, wie dem vorliegenden, auch Schweigen Erklärungswert haben kann, wurde gegen das Urteil Berufung eingelegt. Doch auch dort erlitt der Nachbar, nach dessen Rechtsverständnis der andere Nachbar die gesamten Pflasterarbeiten bezahlen sollte, eine Abfuhr, denn das Landgericht München II hat in seinem Hinweisbeschluss vom 9. 20.08.2017 (2 S 2259/17) dazu ausgeführt:
„Der Kläger konnte deshalb – wie vom Amtsgericht ausgeführt – die fehlende Reaktion auf seine Schreiben als Zustimmung der Beklagten werten. Auch unter Privaten kann sich eine Erklärungswirkung des Schweigens gemäß § 242 BGB daraus ergeben, dass der Schweigende aus Treu und Glauben bzw. unter Abstellen auf zuvor getroffene Vereinbarungen verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern. Hiergegen haben die Beklagten verstoßen. Ungeachtet etwaiger daraus resultierender Schadensersatzansprüche, rechtfertigen es hier auch die Gesamtumstände ohne weiteres, in der unterbliebenen Reaktion, auf das vom Kläger vorgelegte Angebot eine konkludente Willenserklärung im Sinne einer Zustimmung zu sehen.“
Am Ende dann doch also alles gut. Jeder Nachbar hat entsprechend seinem Miteigentumsanteil anteilig die Pflasterarbeiten an der gemeinschaftlichen Straße bezahlt. Der uneinsichtige Nachbar dazu noch Lehrgeld in Form von Prozesskosten.