das Leben ist voller Facetten. Deshalb können auch Streitigkeiten darüber, wer Erbe geworden ist vielschichtig sein. Die Frage, ob die Abkömmlinge einer vorverstorbenen Lebensgefährtin als Ersatzerben berufen werden können, ist komplex und beschäftigt die Gerichte immer wieder. Ein jüngerer Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken vom 27. Mai 2024 (Az. 8 W 41/23) wirft Licht auf diese Problematik und bietet wertvolle Einsichten für die Praxis.
Sachverhalt
Der 2022 verstorbene Erblasser war mit seiner bereits 1997 verstorbenen Ehefrau verheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, ein Sohn (Beteiligter zu 1) und eine Tochter. Die Eheleute hatten 1989 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, der folgende Regelungen enthielt:
„Wir setzen uns gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben ein. Verlangt ein Kind bei Tod des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil, so erhält es auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil. Der Längstlebende bleibt berechtigt, über unser Vermögen frei unter Lebenden oder von Todes wegen zu verfügen.“
Der Erblasser lebte nach dem Tod seiner Ehefrau mit einer Lebensgefährtin zusammen, die 2021 vor ihm verstarb. Der Erblasser hatte zugunsten seiner Lebensgefährtin eine Kontovollmacht erteilt und ein privatschriftliches Testament errichtet, das seine Tochter als alleinige Erbin einsetzte und für den Fall ihrer Ausschlagung die Lebensgefährtin als Ersatzerbin bestimmte. Nach dem Tod des Erblassers schlug die Tochter die Erbschaft aus, woraufhin die Enkelin der Lebensgefährtin (Beteiligte zu 2) einen Erbscheinsantrag stellte.
Beschluss des OLG Zweibrücken
Das OLG Zweibrücken entschied, dass die Enkelin der Lebensgefährtin nicht als Ersatzerbin berufen werden kann. Die zentrale Frage war, ob dem Testament des Erblassers im Wege der (ergänzenden) Auslegung entnommen werden kann, dass er die Abkömmlinge seiner Lebensgefährtin als Ersatzerben einsetzen wollte. Das Gericht verneinte diesund hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
1. Keine ausdrückliche Regelung im Testament
Der Erblasser hatte seine Lebensgefährtin als Ersatzerbin für den Fall der Ausschlagung durch seine Tochter eingesetzt, jedoch keine weiteren Ersatzerben benannt.
2. Keine Auslegung im Sinne des § 2069 BGB
Nach § 2069 BGB gilt, dass, wenn der Erblasser einen seiner Abkömmlinge als Erben eingesetzt hat und dieser vor dem Erbfall verstirbt, im Zweifel die Abkömmlinge des eingesetzten Erben an dessen Stelle treten. Diese Regelung ist jedoch nicht auf andere Personen anwendbar, selbst wenn eine enge persönliche Beziehung bestand. Dies bestätigt auch die aktuelle Rechtsprechung, die eine erweiternde Auslegung ablehnt.
3. Fehlende Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers
Weder aus dem Testament noch aus anderen Unterlagen ergeben sich Hinweise darauf, dass der Erblasser die Abkömmlinge seiner Lebensgefährtin als Ersatzerben einsetzen wollte.
Fazit
Der Beschluss des OLG Zweibrücken verdeutlicht, dass bei der Testamentsgestaltung äußerste Sorgfalt geboten ist, um den Willen des Erblassers klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere bei der Einsetzung von Ersatzerben sollte genau festgelegt werden, wer im Falle des Vorversterbens des ursprünglich bedachten Erben an dessen Stelle treten soll. Die Einsetzung von Personen, die nicht zu den Abkömmlingen des Erblassers gehören, bedarf einer klaren und ausdrücklichen Regelung, da die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 BGB hier nicht greift.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Erstellung von Testamenten eine präzise und umfassende Formulierung unerlässlich ist, um spätere Streitigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Es ist ratsam, frühzeitig juristischen Rat einzuholen und alle Eventualitäten zu berücksichtigen, um den letzten Willen bestmöglich zu realisieren.
Durch die sorgfältige Planung und rechtliche Absicherung können Erblasser gewährleisten, dass ihr Vermögen nach ihren Vorstellungen verteilt wird und rechtliche Auseinandersetzungen unter den Erben vermieden werden.
Im vorliegenden Fall würden nun die weiteren Verwandten erben. Sind solche nicht vorhanden oder schlagen diese ebenfalls aus, dann erbt am Ende der Fiskus.
Wir beraten und unterstützen Sie gerne bei allen Fragestellungen rund um die Errichtung eines Testaments, damit ihr Wille auch tatsächlich zur Geltung kommt, bundesweit
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.