Wer zu Recht wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt wird, der muss nicht nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, sondern wird auch regelmäßig aufgefordert, die für die Abmahnung entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu übernehmen. Dies sind regelmäßig die Rechtsanwaltskosten, die dem Abmahnenden als Auftraggeber entstanden sind. Diese Grundsätze greifen jedenfalls dann uneingeschränkt ein, wenn sich Mitbewerber untereinander abmahnen.
Was aber ist, wenn die Abmahnung nicht von einem Wettbewerber, sondern von einem Fachverband ausgesprochen wird und dieser dabei zum Zwecke der Abmahnung einen Rechtsanwalt einschaltet. In solchen Fällen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das OLG Frankfurt hat sich in seinem Urteil vom 04.02.2016 (6 U 150/15) mit dieser Frage befasst und dabei differenziert:
Das Gericht geht dabei von einer grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit dieser Kosten aus, die nur dann entfallen würde, wenn sich der Fachverband die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zur Aufgabe gemacht hat.
Nach Auffassung des Gerichts kommt es dabei nicht allein darauf an, ob die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in der Verbandssatzung als Aufgabe des Verbands erwähnt ist. Entscheidend sei vielmehr, ob die Abmahntätigkeit des Verbands über eine gewisse Dauer einen Umfang angenommen hat, bei dem ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Verband aus Kostengründen zur Erfüllung dieser Aufgabe juristisch geschultes Personal einstellen würde. Hierbei sei wiederum dem Verband ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen, so die Richter. Die Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Gerichts jedenfalls nicht vor, wenn der Verband jährlich lediglich 41 Abmahnungen ausgesprochen hat.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Dem Kläger steht weiter aus § 12 I 2 UWG der zuerkannte Anspruch auf Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu. Insbesondere beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang ohne Erfolg darauf, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien die Anwaltskosten nicht erstattungsfähig, weil der Kläger als Fachverband in der Lage sein müsse, Wettbewerbsverstöße der vorliegenden Art ohne anwaltliche Hilfe zu verfolgen.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann von einem gemäß § 8 III Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Verband nicht generell verlangt werden, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe durch eigene Organe oder Mitarbeiter auszusprechen. Die Anspruchsberechtigung des Verbandes ist nach dieser Vorschrift daran geknüpft, dass er die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern beabsichtigt. Der Verband muss zwar zur Wahrnehmung dieser allgemeinen Interessen seiner Mitglieder (auch personell) hinreichend ausgestattet sein; seine sich aus § 8 III Nr. 2 UWG ergebende Befugnis, daneben auch Wettbewerbsverstöße zu verfolgen, hängt dagegen grundsätzlich nicht davon ab, dass er auch diese Aufgabe mit eigenem Personal erfüllen kann.
Nach der Entscheidung, auf die sich der Beklagte insoweit beruft (BGH GRUR 1984, 691 – Anwaltsabmahnung), gilt etwas anderes nur für Verbände, die es sich „zur Aufgabe gemacht“ haben, in ihrem Gebiet auftretende Wettbewerbsverstöße zu verfolgen; denn derartige Verbände müssen sich zur Erfüllung dieses Verbandszwecks mit den hierfür notwendigen Mitteln versehen (a.a.O. juris-Tz. 11). Das bedeutet hingegen nicht, dass jeder nach § 8 III Nr. 2 UWG anspruchsberechtigte gewerbliche Interessenverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen „zur Aufgabe macht“ und daher mit eigenen Mitteln in der Lage sein muss, entsprechende Abmahnungen auszusprechen (vgl. hierzu auch Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., Rdz. 1.93a, 1.97 zu § 12 UWG). Vielmehr ist insoweit auf die konkreten Umstände der Verbandstätigkeit abzustellen.
Ein „zur Aufgabe machen“ in diesem Sinn ist zunächst zweifelsfrei gegeben bei „reinen“ Wettbewerbsverbänden, deren satzungsmäßiger Zweck ausschließlich oder ganz überwiegend darin besteht, im Interesse seiner Mitglieder Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Ein solcher „Wettbewerbsverband“ muss – unabhängig vom Umfang seiner Abmahntätigkeit – schon deshalb über juristisch geschultes Personal verfügen, weil er ansonsten das Erfordernis der personellen Ausstattung i.S.v. § 8 III Nr. 2 UWG zur Erreichung dieses speziellen Verbandszwecks nicht erfüllen könnte.
Diese Grundsätze lassen sich jedoch aus den bereits dargestellte Gründe auf sog. „Fachverbände“ zur Förderung sonstiger gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen ihrer Mitglieder nicht übertragen. Gleichwohl ergibt sich aus der Entscheidung „Anwaltsabmahnung“ (a.a.O.), die einen „Fachverband“ im dargestellten Sinn betraf, dass auch solche Verbände sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen „zur Aufgabe machen“ können mit der Folge, dass sie in der Lage sein müssen, durchschnittliche Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe auszusprechen. Die Frage, nach welchen Kriterien sich beurteilt, wann ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen „zur Aufgabe macht“, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließen geklärt. Der erkennende Senat geht insoweit von folgenden allgemeinen Grundsätzen aus:
Ob die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in der Satzung als Verbandszweck ausdrücklich genannt ist, kann allenfalls ein gewisses Indiz, jedoch nicht das entscheidende Kriterium dafür sein, ob ein Fachverband sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen „zur Aufgabe gemacht“ hat. Denn wenn die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen nach Art und Umfang tatsächlich nur eine „Nebenaufgabe“ ist, kann es dem Verband nicht zum Nachteil geraten, wenn er – was für die Anspruchsberechtigung nach § 8 III Nr. 2 UWG gar nicht erforderlich ist – diese Aufgabe zur Verdeutlichung auch in die Satzung aufnimmt. Umgekehrt kann es einem Verband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen faktisch „zur Aufgabe gemacht“ hat, nicht zugutekommen, wenn er diese Aufgabe in der Satzung unerwähnt gelassen hat.
Das für die Beurteilung entscheidende Kriterium kann daher letztlich nur sein, ob die Abmahntätigkeit des Fachverbands über eine gewisse Dauer einen Umfang angenommen hat, bei dem ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Verband aus Kostengründen – auch im Interesse möglicher Verletzer – zur Verfolgung dieser Aufgabe juristisch geschultes Personal einstellen würde. Dem Verband muss dabei durchaus ein Beurteilungsspielraum bleiben, wie er seine Abmahntätigkeit gestalten will. Eine andere Beurteilung würde im Übrigen solche Verbänden im Verhältnis zu Mitbewerbern unangemessen benachteiligen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich selbst dann einen Anwalt mit der Abmahnung beauftragen können, wenn sie über eine eigene Rechtsabteilung verfügen (vgl. BGH GRUR 2008, 928 [BGH 08.05.2008 – I ZR 83/06] – Abmahnkostenersatz).
Wie die Klägerin mit Recht geltend macht, kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Verband, der die Abmahnungen selbst ausspricht, hierfür nach § 12 I 2 UWG jedenfalls eine Aufwandspauschale erstattet verlangen kann, deren anteilige Höhe für die einzelne Abmahnung desto höher ausfällt, je weniger Abmahnungen ausgesprochen werden; ob und wann die Beschäftigung eigenen juristischen Personals tatsächlich zu einer geringeren Kostenbelastung für den Verletzer führt, ist daher in Grenzfällen nicht unbedingt vorhersehbar.“