Im Rahmen einer Demokratie hat das Versammlungsrecht, ähnlich wie die Meinungsfreiheit, einen hohen Stellenwert, und wird durch Art. 8 GG, geschützt. Danach haben grundsätzlich alle Deutschen das Recht sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln (die Versammlungsfreiheit von Ausländern fällt unter Art. 2 Abs. 1 GG). Für Versammlungen unter freiem Himmel gilt die Versammlungsfreiheit allerdings nicht uneingeschränkt, weil nach Art. 8 Abs. 2 GG in diesem Fall das Versammlungsrecht durch oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden kann. Von daher soll nachfolgend der Frage nachgegangen werden, ob Straßenblockaden, wie sie derzeit verstärkt in München durch selbst ernannte Umweltaktivisten der letzten Generation zum Leidwesen vieler (berufstätiger) Autofahrer stattfinden, von der Versammlungsfreiheit gedeckt sind, oder aber gegen das geltende Versammlungsrecht in Deutschland verstoßen und bereits aus diesem Grund rechtswidrig sind.
Abgrenzung Ansammlung von der Versammlung
Damit sich Bürger überhaupt auf die Versammlungsfreiheit berufen können, muss eine Versammlung im rechtlichen Sinne vorliegen. Diese ist von der bloßen Ansammlung zu unterscheiden. Versammlung ist eine Zusammenkunft mehrerer Personen (mindestens 2), bei der es auf die gemeinsame Teilhabe an einer öffentlichen Meinungskundgebung ankommt. Bei einer Ansammlung dagegen fehlt der spezifische Zweck der Meinungskundgabe.
Nachdem es selbst erklärtes Ziel der letzten Generation ist, die Regierung zum Umdenken in Sachen Klimaschutz zu bewegen, spricht zunächst vieles dafür, dass es sich bei den Straßenblockaden und sonstigen Aktionen der letzten Generationum eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes handelt.
Bedenken könnten sich allenfalls daraus ergeben, dass Teilnehmer an den Aktionen nicht immer aus eigener Entschließung daran teilnehmen, um ihre Meinung kund zu tun, sondern deshalb, weil sie mit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ihren Lebensunterhalt verdienen, also dafür von dem Verein der hinter all dem steht, als Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter bezahlt werden, also (gleichzeitig) damit eine Beschäftigung nachgehen. Die Unterscheidung ist rechtlich deshalb wichtig, weil Versammlungen einerseits unter den Schutzbereich des Art. 8 GG fallen, andererseits aber auch den Einschränkungen des Versammlungsgesetzes unterliegen, also Anmeldung, Durchführung und Auflösung gesetzlich geregelt sind. Bloße Ansammlungen sind dagegen grundsätzlich nicht von Art. 8 GG geschützt und unterliegen anderen rechtlichen Regelungen, wie beispielsweise dem Polizeirecht. Die Vorgaben des Versammlungsrechts sind dagegen auf diese nicht anzuwenden.
Im Folgenden soll gleichwohl davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Aktionen der letzten Generation um eine Zusammenkunft zum Zwecke der kollektiven Meinungsäußerung, also Versammlung handelt.
Versammlungen unter freiem Himmel müssen grds. angemeldet werden
Nachdem die Aktionen der letzten Generation regelmäßig im Freien stattfinden, handelt es sich um eine Versammlung unter freiem Himmel. Für diese ist in § 14 VersammlG geregelt, dass diese spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe bei der zuständigen Behörde anzumelden ist. Dabei ist auch anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung verantwortlich ist.
Solche Anmeldungen dürften regelmäßig nicht stattfinden, weil ansonsten die beabsichtigten Verkehrsblockaden dadurch umgangen werden könnten, in dem die Polizei großräumig den Verkehr umleiten.
Dabei spielt es nach Meinung des Verfassers keine Rolle, ob die letzte Generation ihre Aktion als öffentliche Versammlung oder lediglich private Versammlung einstuft, weil bei derartigen Veranstaltungen unter freiem Himmel wegen der allgemeinen Auswirkungen auf die Öffentlichkeit auch für private Versammlungen ein Anmeldeerfordernis zu bejahen wäre. Der Unterschied zwischen einer öffentlichen Versammlung und einer privaten Versammlung besteht rechtlich darin, dass die öffentliche Versammlung frei zugänglich ist, während die private Versammlung auf einem bestimmten Teilnehmerkreis, beispielsweise Mitglieder eines Vereins, begrenzt ist.
Damit bleibt als Zwischenergebnis bereits festzuhalten, dass dann, wenn keine Anmeldung erfolgt, die Versammlung bereits aus diesem Grund gegen geltendes Versammlungsrecht verstößt. Dies ist auch der Grund, warum die Polizei Klebeaktionen unverzüglich auflösen darf, ohne dass damit eine Verletzung von Art. 8 GG einhergehen würde.
Eine Ausnahme von der Anmeldepflicht gilt nur für die sog. Spontanversammlung, also wenn eine Versammlung aus aktuellem Anlass stattfindet, ohne dass die Anmeldefrist eingehalten werden konnte. Dies dürfte aber bei Aktionen der letzten Generation ausscheiden, weil deren Teilnehmer bereits im Vorfeld planmäßig aus ganz Deutschland anreisen, um irgendwo konzentriert und gezielt Eingriffe in den Straßen- bzw. Flugverkehr vorzunehmen oder fremdes Eigentum zu verschmutzen.
Straf- und Bußgeldvorschriften aus dem Versammlungsrecht
Um auf derartige Maßnahmen zu reagieren, ist es nicht zwingend erforderlich auf die Regelungen des Strafgesetzbuchs (StGB) zurückzugreifen, weil bereits im IV. Abschnitt des Versammlungsgesetzes eigene Straf- und Bußgeldvorschriften vorhanden sind. So kann beispielsweise nach § 26 Nr. 2 VersammlG gegen den Veranstalter einer nicht angemeldeten Versammlung unter freiem Himmel Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden. Bei richtiger Betrachtung würde man wohl stets den Verein und dort dann den Vorstand als Verantwortlichen in die Pflicht nehmen müssen. Leisten einzelne Teilnehmer der Aufforderung der Polizei sich zu entfernen nicht unverzüglich Folge, kommen nach § 29 VersammlG Bußgelder bis zu 1.000 € in Betracht. Daneben bleibt eine Strafbarkeit wegen z.B. Nötigung nach § 240 StGB, die jeden Autofahrer und jeden Beifahrer betrifft, der im künstlich verursachten Stau steht und hierdurch sein Ziel nicht oder nur mit erheblicher Verspätung erreicht.
Der Umweltschaden, den die letzte Generation durch ihre künstlich verursachten Staus verursacht, der Zeitdiebstahl bei jedem einzelnen, der von der Aktion betroffen ist und der wirtschaftliche Gesamtschaden, der dadurch entsteht, dass Menschen, die im Stau stehen, nicht ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können, ist dagegen strafrechtlich nicht greifbar.
Fazit:
Klebeaktionen und sonstige Maßnahmen der letzten Generation können bereits nach geltendem Recht sowohl über das Versammlungsrecht als auch das StGB strafrechtlich geahndet werden. Daneben bleiben zivilrechtliche Ansprüche der Geschädigten, jedenfalls für solche Schäden, die über den bloßen Zeitverlust hinausgehen.
Nachdem Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht, ist es rechtlich denkbar straffrei im Wege der Selbsthilfe Störer von der Fahrbahn zu entfernen und sich dabei auf das in § 32 StGB geregelte Notwehrrecht zu berufen. Unter Notwehr ist dabei die Verteidigung zu verstehen, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Der Notwehrparagraf führte dazu, dass dann, wenn dieser eingreift, eine Handlung, die einen Straftatbestand verwirklicht, nicht rechtswidrig ist. Da es sich hierbei aber um einen sehr schmalen Grad handelt, besteht stets die Gefahr, dass Autofahrer, die selbst Hand anlegen, sich irgendwann auf der Anklagebank wieder sehen. Dies insbesondere dann, wenn die Grenzen der Notwehr überschritten werden. Deshalb ist davon, auch wenn das Gesetz grundsätzlich diese Möglichkeit vorsieht, eher abzuraten.