Kaum, dass die lang ersehnte und viel gepriesene Coronaschutzimpfung in Deutschland – mehr schlecht als recht – begonnen hat, nerven den mündigen Bürger nicht nur mit Steuergeldern finanzierte Werbespots pro Impfung, sondern auch eine pseudomäßig medial gesteuerte Diskussion zu der Frage, ob Geimpfte Sonderrechte dadurch erhalten sollen, in denen diesem Personenkreis ein Zugang zum „normalen“ Leben, wie es vor Corona stattgefunden hat, ermöglicht wird. Politiker jeglicher Couleur, die mediale Präsenz erheischen wollen, melden sich mit zum Teil juristisch haarsträubenden Äußerungen zu Wort. Selbst der „Ethikrat“ wird als verfassungsmäßig nicht legitimierte Instanz, bemüht, um die Diskussion weiter zu befeuern. Doch wie sieht es rechtlich wirklich aus? Kann der Staat anordnen, wie es aktuell Außenminister Heiko Maas, vormals Justizminister, nach aktueller Äußerung gerne regeln möchte, dass künftig nur noch Menschen, die sich haben impfen lassen, ein Restaurant aufsuchen dürfen? Losgelöst davon, dass dies nicht zu den Aufgaben eines Außenministers zählt und damit eher als Maßnahme zur medialen Effekthascherei denn als ernst zu nehmender Beitrag in der juristischen Diskussion verstanden werden kann, ist die Antwort ist ein klares „Nein“.
Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen geimpften und nicht geimpften Menschen
Das Herzstück unserer Verfassung, des Grundgesetzes, sind die Grundrechte, also das, was die vielbeschworenen „Väter des GG“ in den Artikeln 1-19 GG geregelt haben. Das Spektrum reicht von der in Art. 1 GG geregelten, unantastbaren Menschenwürde, der sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden allgemeinen Handlungsfreiheit, aus der i.V.m. der Menschenwürde wiederum das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hergeleitet wird, usw. Die einzelnen Grundrechte unterscheiden sich wieder in Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte, in Bürgerrechte, also Rechte, die nur Deutschen zustehen wie beispielsweise die Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsfreiheit, und Menschenrechte, also Rechte, die jedermann zustehen, die bei schrittweise deren Art. 2 Abs. 1 GG geregelten Handlungsfreiheit.
Eine beliebte Redewendung in der Juristenausbildung ist, dass der Blick ins Gesetz die Rechtsfindung fördert, was besagen soll, dass zur Bearbeitung eines juristischen Sachverhalts es essenziell ist, zunächst nachzuschauen, was im Gesetz zu dieser Thematik geregelt ist.
Wer so verfährt, der wird schnell feststellen, dass im Wertesystem der Grundrechte mitnichten nach geimpften und nicht geimpften Menschen entschieden wird. Von daher ist die jetzt (künstlich) entfachte Diskussion darüber, ob man Menschen, die bereits die heilversprechende Impfung genossen haben, Privilegien in der Form einräumen darf, dass man ihnen ihre verfassungsmäßig verbürgten Grundrechte wieder zurückgibt, während Impfverweigerer oder Menschen, die aufgrund der staatlich verordneten Impfreihenfolge einfach noch nicht an der Reihe waren, weiterhin und dauerhaft Grundrechte beschränkt oder entzogen werden, rechtlich nicht nachvollziehbar. Sie zeugt entweder von juristischem Unverständnis, was man einem vormaligen Justizminister nicht ohne weiteres attestieren sollte, oder aber von politischem Kalkül. Ist doch eine Diskussion über die Gewährung von Sonderrechten für Geimpfte nichts anderes wie zum einen eine Propaganda pro-Impfung. Zum anderen lenkt sie auch davon ab, dass augenblicklich landauf und landab Impftermine von schutzbedürftigen Senioren nicht eingehalten oder abgesagt werden, weil kein Impfstoff zur Verfügung steht, während wiederum Menschen, die es sich leisten können oder möchten, die im Impfstoffmangelstaat Deutschland vorhandene Impfschlange links liegen lassen und das Angebot findiger Reiseveranstalter für Luxusreisen wahrnehmen, um einen entspannten Impfurlaub in einem Dubaier Luxushotel zu verbringen, Corona Impfung mit garantiert Biontec-Impfstoff inklusive zu verbringen. Rund 45.000 € soll dabei ein 3-wöchiger Impfspass Kosten. Wer dann Geimpft ist, kann sich über 20 % Preisnachlass in vielen Dubaier Restaurants erfreuen, die damit um geimpfte Kunden werben.
Solange also der Gesetzgeber sich nicht entschließt letztverbindlich doch einen Impfungszwang anzuordnen, ist öffentlich-rechtlich jedenfalls eine Differenzierung nicht zu befürchten.
Mangelnder Kontrahierungszwang zwischen Privaten lässt Differenzierung grundsätzlich möglich erscheinen
So also in der Praxis dann vielleicht doch irgendwann eine Unterscheidung zwischen geimpften Menschen und nicht geimpften Menschen stattfinden soll, ist dies allenfalls auf privatrechtlicher Ebene denkbar, weil im Zivilrecht nicht nur der Grundsatz der Vertragsfreiheit besteht, sondern grundsätzlich kein Kontrahierungszwang. Dies bedeutet, dass niemand, von Grundversorgern abgesehen, mit einem anderen einen Vertrag abschließen muss. Von daher wäre es also (theoretisch) möglich, dass beispielsweise ein Gastronom sich entschließt nur noch geimpfte Menschen als Gäste zu bewirten. Nachdem aber die Gastronomie ohnehin durch die staatlich verordneten Schutzmaßnahmen sehr stark in Mitleidenschaft gezogen ist, und auch zu erwarten ist, dass sich nach einer Wiedereröffnung das Konsumverhalten ändern wird, weil entweder die finanziellen Mittel nicht mehr in dem Maße vorhanden sind, um regelmäßig auswärts konsumieren zu können oder aber sich die latente Angst vor anderen Menschen so stark in unseren Gehirnen eingebrannt hat, dass die Zusammenkunft mehrerer Menschen tunlichst vermieden wird, wird es sich ein Gastronom zweimal überlegen, ob er einen potentiellen Gast, der nicht geimpft ist, abweisen wird, es sei denn er macht aus der Not eine Tugend indem er die ausschließliche Bewirtung von geimpften Menschen in seiner Werbung aufnimmt, um damit zu suggerieren, dass der Besuch in seinem Restaurant risikolos sei.
Datenschutzrechtliche Probleme?
Allerdings könnten auch hier rechtliche Probleme auftreten, die eine solche Differenzierung erschweren, denn bei der Frage, ob ein Besucher geimpft ist, handelt es sich um personenbezogene Daten, die nicht so ohne weiteres erhoben und gespeichert werden dürfen. Ein solches Ansinnen würde mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kollidieren.
Diskriminierung wegen der Weltanschauung?
Hinzu kommt, dass man dann, auch darüber diskutieren könnte, ob nicht eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt, denn dieses verbietet auch eine Diskriminierung wegen der Weltanschauung. Die Frage wiederum, sich impfen zu lassen oder nicht, ließe sich wohl unter diesen Begriff subsumieren. Damit könnten demjenigen, der diskriminiert, Schadenersatz und Entschädigungsansprüche drohen, so dass auch eine privatrechtliche Ungleichbehandlung rechtlich nicht unproblematisch wäre.
Anmerkung:
Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat, zu dessen Aufgaben es zählt die ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben zu verfolgen. Er besteht aus 26 Mitgliedern, die naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, ethische, soziale, ökonomische und rechtliche Belange in besonderer Weise repräsentieren. Zu seinen Mitgliedern gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den genannten Wissenschaftsgebieten; darüber hinaus gehören ihm anerkannte Personen an, die in besonderer Weise mit ethischen Fragen der Lebenswissenschaften vertraut sind. Die Mitglieder werden zur Hälfte vom Bundestag und zur Hälfte von der Bundesregierung genannt und auf die Dauer von 4 Jahren berufen, wobei eine Wiederholung statthaft ist. Der Ethikrat kann nur Empfehlungen aussprechen. Die Einzelheiten sind im Ethikratgesetz geregelt.
Zu der diskutierten Frage, ob besondere Regeln für Geimpfte gelten sollen hat der Ethikrat dies in seiner ad hoc Empfehlung vom 04.02.2021 verneint. Ohne sich mit den hier diskutierten Rechtsfragen auseinandersetzen, wurde dabei darauf abgestellt, dass nach derzeitigen Kenntnisstand eine Weiterverbreitung des Virus durch Geimpfte schon nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, so dass sich bereits aus diesem Grund verbieten würde, diesen staatlich entzogene Freiheitsrechte zurückzugeben. Ob die Entziehung der Freiheitsrechte überhaupt rechtens ist, liegt nicht in der Entscheidungskompetenz des Ethikrats, sodass er sich zu dieser Frage naturgemäß auch nicht äußert.