Wollen Ehegatten sich für den Fall ihres Ablebens absichern, wird meist eine Form des sog. Berliner Testaments gewählt. Bei diesem setzen sich die Ehegatten regelmäßig wechselseitig als Alleinerben und einen Dritten, also beispielsweise gemeinschaftliche Kinder, als Schlußerben des Letztversterbenden ein (sog. Einheitslösung). Bei Eintritt des ersten Erbfalls werden hierdurch also die Kinder enterbt, so dass Pflichtteilsansprüche entstehen. Die Kinder machen oft solche, sei es aus Anstand oder aber weil im Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel vorhanden ist, in der geregelt wird, dass dasjenige Kind, das bei Eintritt des ersten Erbfalls den Pflichtteil gegen den überlebenden Ehegatten geltend macht, auch beim zweiten Erbfall lediglich den Pflichtteil erhalten soll, nicht gelten.
Bei kleineren Nachlässen unter 500.000 € sind diese Regelungen erbschaftsteuerrechtlich unschädlich. Bei größeren Nachlässen über 500.000 € aber aus erbschaftssteuerrechtlicher Sicht problematisch, weil die Kinder dann nur vom Letztversterbenden erben und damit der Steuerfreibetrag, der derzeit bei jedem Kind 400.000 € beträgt, nur einmal zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass der überlebende Ehegatte dann das Vermögen, das seinen Freibetrag in Höhe von 500.000 € übersteigt, bereits zuvor versteuern musste. Es werden also, sei es aus Rücksicht auf den überlebenden Ehegatten oder aber um den Sanktionen der Strafklausel zu entgehen, Freibeträge verschenkt.
Der Pflichtteilsanspruch unterliegt einer 3-jährigen Verjährung. Sind beide Elternteile also innerhalb dieser Frist verstorben, dann kann erbschaftsteuerrechtlich noch eine Vergünstigung dadurch erlangt werden, dass nunmehr nach Eintritt des zweiten Erbfalls gegen den Nachlass noch der Pflichtteilsanspruch im Hinblick auf den ersten Erbfall geltend gemacht wird (Anm.: Der Pflichtteilsanspruch besteht der Höhe nach in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Also nur dann, wenn ein Erbteil 800.000 € oder mehr beträgt, kann hierdurch der Steuerfreibetrag hinsichtlich des erstverstorbenen Elternteils vollständig ausgenutzt werden).
Liegen zwischen den beiden Erbfällen mehr als 3 Jahre, dann ist der Pflichtteilsanspruch, jedenfalls zivilrechtlich, verjährt. Nach einem Urteil des BFH vom 19.02.2013 (II R 47/11) besteht aber erbschaftsteuerrechtlich hinsichtlich zivilrechtlich verjährter Pflichteilsansprüche die Möglichkeit den fiktiven Pflichtteil hinsichtlich des ersten Erbfalls durch Erklärung gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen. Das hat dann zur Folge, dass sich erbschaftsteuerrechtlich der Wert des Nachlasses des zuletzt verstorbenen Elternteils um den Betrag dieses Pflichtteils mindert, so dass sich im Hinblick auf den zweiten Erbfall die Steuerlast des Kindes entsprechend mindert. Ist der Pflichtteil dann geringer als der Steuerfreibetrag des Kindes, also kleiner als 400.000 €, dann kann so dieser Betrag steuerfrei erlangt werden. Ist der Pflichtteil dagegen größer als 400.000 €, dann muss der den Freibetrag überschießende Teil im Hinblick auf den ersten Erbfall zu den dort geltenden Steuersätzen versteuert werden, was gerade bei großen Nachlässen wiederum dazu führen kann, dass auch ein günstigerer Steuersatz zur Anwendung gelangt.
Anmerkung:
Die erbschaftsteuerrechtliche Problematik tritt ebenso bei der sog. Trennungslösung auf, bei der der überlebende Ehegatte lediglich Vorerbe und die Kinder Nacherben werden. Der Unterschied zur Einheitslösung besteht nur darin, dass der überlebende Ehepartner das im Wege der Vorerbschaft erlangte Vermögen als Sondervermögen neben dem eigenen Vermögen verwalten muss. Eine solche Regelung wird regelmäßig dann gewählt, wenn der vorverstorbene Ehegatte sichergestellt haben möchte, dass das von ihm stammende Vermögen, gerade wenn es um Immobilien geht, auch auf die nächste Generation übergeht.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.