Besteht gegenüber einem Arbeitnehmer der Verdacht einer Straftat zulasten des Arbeitgebers, Kollegen oder Kunden, dann versuchen Arbeitgeber regelmäßig das Arbeitsverhältnis mit einer sog.n Verdachtskündigung zu beenden. Reicht der gekündigte Arbeitnehmer gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage ein, dann läuft in derartigen Fällen regelmäßig neben dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Eine Aussetzung des Kündigungsrechtsstreits bis zum Abschluss des Strafverfahrens kommt dabei aber regelmäßig nicht oder nur ausnahmsweise in Betracht, weil es für eine Verdachtskündigung nicht darauf ankommt, ob die Straftat auch tatsächlich begangen wurde, sondern lediglich, ob ein hinreichender Verdacht aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers bestanden hat, der ihn zur Kündigung veranlassen dürfte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn gegen den Arbeitnehmer der Verdacht besteht, ein Tötungsdelikt im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit begangen zu haben (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2021,11 Ta 1120/2).
Arbeitgeber spricht nach Verdacht der Begehung von Tötungsdelikten fristlose Kündigung aus
Die Klägerin, die in der Behindertenhilfe arbeitet, steht im Verdacht 4 Tötungsdelikte begangen zu haben. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose Kündigung aus, die von der Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen wird.
Arbeitsgericht setzt Verfahren wegen Begutachtung der Schuldfähigkeit im Strafverfahren aus
Das Arbeitsgericht hat das bei ihm anhängige Verfahren im Hinblick auf das laufende Strafverfahren und eine dort veranlasst Begutachtung der Klägerin zur Frage ihrer Schuldfähigkeit ausgesetzt. Die Arbeitgeberin ist damit nicht einverstanden und wendet sich gegen die Aussetzung mit ihrer Beschwerde.
Aussetzung nur dann gerechtfertigt, wenn strafrechtliche Ermittlungen maßgeblich für die Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind
Die Richter am LAG haben den Beschluss aufgehoben und dies damit begründet, dass kein Aussetzungsgrund vorliegen würde. Ein solcher sei nur dann anzunehmen, wenn die strafrechtlichen Ermittlungen maßgeblich für die Entscheidung des Arbeitsgerichts seien. Dies sei aber bei der Frage nach der Schuldfähigkeit der Klägerin nicht der Fall, weil unabhängig davon, ob die Klägerin schuldfähig oder schuldunfähig sei, jedenfalls ist bei einem Tötungsdelikt im Sinne einer personenbedingten Kündigung an der Eignung der Klägerin für die ausgeübte Tätigkeit fehlen würde. Maßgeblich für die Urteilsfindung im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei auch nicht etwa ein strafrechtliches Urteil, sondern ein Verstoß der Klägerin gegen arbeitsvertragliche Pflichten und einen damit verbundenen Vertrauensbruch.
Anmerkung:
Die Aussetzung durch das Arbeitsgericht war auch bereits deshalb fehlerhaft, weil es offensichtlich eine Verdachtskündigung mit einer Tatkündigung verwechselt hat. Nur bei dieser ist eine Verurteilung erforderlich. Die Verdachtskündigung knüpft dagegen an einen bereits davor liegenden Zeitpunkt an.
Aus Sicht eines Arbeitgebers ist eine Verdachtskündigung einerseits stets mit einem gewissen Risiko behaftet, andererseits aber auch eine Möglichkeit einen unliebsamen Mitarbeiter oder eine unliebsame Mitarbeiterin loszuwerden, auch wenn diesem die Straftat nicht nachgewiesen werden kann. Eine solche Verdachtskündigung kann nämlich grundsätzlich auch dann ausgesprochen werden, wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren noch gar nicht abgeschlossen ist, also gar nicht sicher ist, ob die Staatsanwaltschaft von einem hinreichenden Verdacht, der zu einer Verurteilung führen könnte, ausgeht. Entscheidend kommt es hier darauf an, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Arbeitgeber einen solchen Verdacht haben durfte. Formell ist wichtig, dass vor jedem Ausspruch einer Verdachtskündigung der Arbeitnehmer angehört wird. Ansonsten ist die Kündigung bereits aufgrund dieses Formfehlers unwirksam.
Liegt bereits eine strafrechtliche Verurteilung vor, dann handelt es sich nicht mehr meine Verdachtskündigung, sondern um eine Tatkündigung.